whk1103/25.06.2003
NRW-Datenschutzbehörde: "Rosa Listen" sind verboten und erlaubt
Daten zur sexuellen Orientierung unterliegen generell einem "besonderem Schutz" / Nur Polizei "pflegt ein vertrauensvolles Verhältnis zu Homosexuellen" und darf sammeln
In einem vierseitigen Schreiben hat die Datenschutzbehörde Nordrhein-Westfalens heute im Zusammenhang mit dem Düsseldorfer Klappenskandal Stellung zur Rechtmäßigkeit von "Rosa Listen" genommen. Hierzu erklärt die AG Schwulenpolitik des whk:
Das Sammeln von Bürgerdaten zur sexuellen Orientierung in "Rosa Listen" ist zwar verboten, einmal gewonnene Daten unterliegen jedoch einem "besonderen Schutz" gemäß § 4 Abs. 3 des Datenschutzgesetzes Nordrhein-Westfalens. Dies geht aus einer heutigen Erklärung des Landesamts für Datenschutz und Informationsfreiheit (LDI NRW) gegenüber der whk-Zeitschrift Gigi hervor. "Eine Datensammlung über das Sexualleben und somit auch über die sexuelle Orientierung von Personen ist unzulässig In der Regel muß die Verarbeitung der Daten in einem qualifizierten Gesetz geregelt sein, das besondere Garantien für das Recht auf informationelle Selbstbestimmung enthält und den Zweck der Datenverarbeitung festlegt", teilt die NRW-Datenschutzbehörde mit. Damit sind "Rosa Listen" nach Ansicht des whk sowohl verboten als auch erlaubt.
Den Angaben des Datenschutzamtes zufolge darf vor allem die Polizei Informationen zur sexuellen Orientierung von Bürgerinnen und Bürgern sammeln, speichern und verarbeiten, "sofern es zur Aufklärung einer Straftat geboten ist". Dies gelte "insbesondere bei Handlungen nach den §§ 174 bis 184 c" StGB, also des Sexualstrafrechts. Zur "vorbeugenden Verbrechensbekämpfung" sei die Polizei "befugt, rechtmäßig erlangte personenbezogene Daten in Akten oder Dateien zu speichern". Rechtsgrundlage hierfür sei der § 24 des NRW-Polizeigesetzes.
Offenbar hatten sich in der Vergangenheit mehr als ein mal Betroffene mit Beschwerden an die Datenschutzbehörde gewandt, um die Rechtmäßigkeit ihrer polizeilichen Erfassung prüfen zu lassen. "Zur Führung von sog. 'Rosa Listen' durch die Polizei wurde durch den damaligen Landesbeauftragten für Datenschutz NRW im Zeitraum bis zum 31.12.1990 mehrfach festgestellt, daß bei der Polizei in Nordrhein-Westfalen keine derartigen Datensammlungen geführt werden", so das Amt. "Wir sind anläßlich von Eingaben Betroffener sogar darauf aufmerksam gemacht worden, daß die Polizei im Rahmen ihrer gesetzlichen Aufgabenerfüllung grundsätzlich ein gutes und vertrauensvolles Verhältnis zu Homosexuellen pflegt, ihre Lebensweise achtet und auf Emotionen Rücksicht nimmt."
Über die Vernichtung bestehender oder im Zuge von Ermittlungen presseöffentlich bekannt gewordener "Rosa Listen" vor oder nach 1990 teilt das Amt hingegen nichts mit. Dem whk sind jedoch aus der Mitte der 90er Jahre konkrete Datenerhebungen bei Polizeikontrollen an Schwulentreffpunkten bekannt, die sogar gerichtlich gestoppt worden sind. Wenn diese Daten auf richterliche Anordnung vernichtet worden wären, sollte dies dem Datenschutzamt zumindest bekannt sein. Der Hinweis der Datenschutzbehörde, von illegalen "Rosa Listen" etwa beim Verfassungsschutz keine Kenntnis zu haben, klingt angesichts dessen kaum vertrauenserweckend.
Zur der vom Düsseldorfer Ordnungsamt seit Sommer 2002 u.a. nach Klappenkontrollen veranlaßten routinemäßigen Speicherung von Personendaten im Rahmen des Ordnungswidrigkeitengesetzes liegen der Datenschutzbehörde nach eigenen Angaben ebenfalls "keine Erkenntnisse" vor. Eine vom whk angeregte "generelle Datenschutzüberprüfung des Düsseldorfer Ordnungsamtes" komme für das Datenschutzamt nicht in Betracht. Reguläre Ordnungswidrigkeitenverfahren "in denen die Erhebung von Angaben über das Sexualleben einer einzelnen Person Gegenstand des Tatbestandes ist", seien "von einer zielgerichteten Datensammlung über das Verhalten vieler Personen" zu unterscheiden, so die Behörde.
Ganz sicher scheint sich das Amt aber selbst nicht zu sein, denn vage wird formuliert: "Eine Speicherung solcher Angaben in Listen, isoliert von dem jeweils konkreten Ordnungswidrigkeitenverfahren, dürfte (sic!) unzulässig sein, weil es an einer Rechtsgrundlage für eine solche Datenverarbeitung fehlt." Erhobene Daten dürften "nicht im Sinne einer Datensammlung (Rosa Liste) mit vergleichbaren Informationen aus anderen Verfahren verknüpft werden Die personenbezogenen Daten unterliegen einer Zweckbindung" und dürften "nur für Zwecke weiterverarbeitet werden, für die sie erhoben worden sind". Ein genereller Zugriff von Behörden auf Daten aus Bußgeldverfahren bestehe nicht.
Zur einer Löschung der bei der Bußgeldstelle des Düsseldorfer Ordnungsamts gespeicherten Personenangaben über mindestens 82 mutmaßlich schwule Klappenbesucher (vgl. Presseerklärung des whk vom 20. Juni 2003) teilt das Datenschutzamt mit, eine solche sei nur möglich, "wenn ihre Speicherung unzulässig oder ihre Kenntnis für die speichernde Stelle zur Aufgabenerfüllung nicht mehr erforderlich ist". In "bestimmten Fällen" könne eine Löschung sogar gänzlich unterbleiben, "jedoch sind die Daten dann zu sperren". Bei Bußgeldverfahren erhobene Daten über Name, Ort und Tag der Geburt, Beruf, Wohnort, Wohnung, Familienstand und Staatsangehörigkeit dürften grundsätzlich mindestens drei Jahre gespeichert werden.
Der Wortlaut des Antwortschreibens
Rückfragen: 0180/4444945