whk1003/20.06.2003
Stadt Düsseldorf wieder auf Schwulenjagd
Ordnungsamt schickt mehr als 80 Klappenbesuchern Bußgeldbescheide über je 270 Euro/ Presseamtschef nennt "regelmäßige Kontrollen" auf Toiletten "üblich" und "notwendig"
In einer heute bei der whk-Zeitschrift "Gigi" eingegangenen Stellungnahme rechtfertigt der Leiter des Düsseldorfer Presseamtes, Gregor Andreas Geiger, die homophoben Kontrollen des Ordnungsamts auf öffentlichen Toiletten. Hierzu erklärt die AG Schwulenpolitik des whk:
Noch nie war schwuler Klappensex so teuer zu haben wie in diesem Sommer in der Millionärsmetropole Düsseldorf: Mit saftigen Bußgeldbescheiden hat das Düsseldorfer Ordnungsamt seit Monaten mehr als 80 männliche Toilettenbesucher bestraft. Bei den Betroffenen handelt es sich um Männer, die von den drei städtischen Beamten Fittkau, Becker und Berger während diverser Kontrollen bei angeblich "grob ungehörigen Handlungen" nach § 118 des Ordnungswidrigkeitengesetzes angetroffen worden sein sollen. Dies mußte der Chef des Düsseldorfer Presseamtes, Gregor Andreas Geiger, jetzt auf eine Anfrage der whk-Zeitschrift "Gigi" einräumen.
Beim whk waren seit Jahresbeginn immer wieder Hinweise und Beschwerden von Männern eingegangen, die vom Ordnungsamt Bußgeldbescheide wegen angeblichen Onanierens in der Öffentlichkeit erhalten hatten. Die Stadt Düsseldorf gibt nun zu, bis Mitte Juni exakt 82 Männer mit Bußgeldern von je 250 Euro zuzüglich Verwaltungskosten belangt zu haben. Nach Informationen des whk könnte die Zahl der Betroffenen jedoch doppelt so hoch sein.
In zwei "Wiederholungsfällen" habe das Ordnungsamt nach Angaben Geigers sogar Bußgelder von 500 Euro verlangt. Somit kann der Besuch öffentlicher Toiletten zwanzig mal teurer werden als das Falschparken auf Düsseldorfs Edelshoppingmeile Königsallee. Daß die Stadt Düsseldorf jetzt schon bei Anwendung einer bloßen Kann-Bestimmung des Ordnungswidrigkeitengesetzes Beamte als Lockspitzel vor die Türe schickt wie in Zeiten der Schwulenverfolgung nach dem berüchtigten §175 StGB, zeigt, daß sich die alten Jagdmethoden im Verwaltungsapparat trotz Abschaffung §175 und Einführung der "Homo-Ehe" weiterhin großer Beliebtheit erfreuen.
Mehr noch: In seinem Schreiben vom 11. Juni rechtfertigt Geiger die "regelmäßigen Kontrollen" als "übliche Tätigkeit" der Stadtverwaltung, bei der "Geschlecht und sexuelle Orientierung der Betroffenen "keine Rolle" spielten. Es gehe lediglich darum, "der zunehmenden Zahl von Bürgerbeschwerden zu entsprechen, die sich durch die zweckwidrige Nutzung der Anlage stark beeinträchtigt fühlen". Zur beispiellosen Höhe der Bußgelder heißt es, deren Verhängung erfolgte "in dem Umfang, wie es notwendig erscheint, um den Beschwerden Abhilfe zu schaffen". Damit kennzeichnet die Stadt Düsseldorf selbst die Maßnahmen als explizit gegen Homosexuelle gerichtet. Es verwundert daher nicht, daß der lesbisch-schwule "Runde Tisch" sowie die Arbeitsgruppe "Gewalt gegen Lesben und Schwule" bei der Planung der Maßnahmen nicht eingeschaltet wurden, wie Geiger eingesteht.
Nach vergleichbaren Aktionen des Ordnungsamtes in der Cruising-Area am Angermunder Baggersee im Sommer 2002 sowie der Aufforderung von Oberbürgermeister Joachim Erwin (CDU), die Homosexuellen Düsseldorfs sollten sich "nach Berlin verlegen", hat sich die nordrhein-westfälische Landeshauptstadt mit ihren Klappenkontrollen nun unbestritten den Ruf erkämpft, die schwulenfeindlichste Stadt der Republik zu sein.
Das whk schaltete inzwischen die NRW-Datenschutzbeauftragte Bettina Sokol ein, um angesichts der gespeicherten Personendaten der mindestens 82 Betroffenen die Rechtmäßigkeit solcher "Rosa Listen" überprüfen zu lassen.
Rückfragen: 0180/4444945