whk0906/06.10.2006
Keine Bühne für "Ratten-Dörner"!
Der Endokrinologe Prof. Günter Dörner soll am 10. Oktober beim Medizinhistorischen Nachmittag an der Berliner Charité referieren / whk: "Ratten-Dörner" ausladen
Am 10. Oktober 2006 soll Günter Dörner um 17 Uhr im Rahmen des "110. Medizinhistorischen Nachmittages" am Institut für Geschichte der Medizin der Charité einen Vortrag "Zur Geschichte der Endokrinologie an der Charité und ihre transdisziplinäre Bedeutung" halten. Hierzu erklärt die AG Schwulenpolitik des whk:
Im Jahr 2002 ausgezeichnet mit dem Großen Bundesverdienstkreuz, darf der in der deutschen wie internationalen Lesben- und Schwulenbewegung wegen seiner Tierexperimente nur "Ratten-Dörner" genannte Vorzeigeforscher der DDR-Endokrinologie nun die Geschichte seines Wirkens aus eigener Perspektive schildern. Zwar hat Dörner nie erklären können, woher die Föten zu seinen fragwürdigen Studien stammten, mit denen er Homosexualität bei Männern und Frauen verhindern wollte. Auch konnte er nie deutlich machen, was für ihn medizinische Ethik bedeutet. Statt dessen stellte er sich bewußt in eine Kontinuitätslinie von sozialistischer Eugenik und von Rassenhygiene.
All dies stellt jedoch für das Institut für Geschichte der Medizin an der Charité unter Leitung von Prof. Volker Hess offenbar kein Problem dar. Damit, daß Dörner den 110. Medizinhistorischen Nachmittag mit einer Selbstpreisung ausfüllen darf, fällt die Medizingeschichte in Berlin auf das Niveau der 1950er Jahre zurück. Sämtliche seither angefachten Diskurse um die Verwicklung von Ärzten in medizinische Verbrechen scheinen an dem Berliner Institut spurlos vorüber gegangen zu sein.
Da fragt sich, welche Lehrinhalte die Dozenten des Instituts für Geschichte der Medizin an der Charité wohl in ihre Ethikkurse für Humanmediziner einbringen. Im Sinne Dörners würde dies bedeuten: Kooperation mit Forschern, die an wegen homosexueller Handlungen hingerichteten Männern herumforschen, Preisung der Vorarbeiten der Eugenik der 1920er und 1930er Jahre in Deutschland und völlige Ausklammerung der Opfer. Täterschutz scheint das Credo dieser Art Medizingeschichte zu sein.
Das whk fordert von der Leitung des Instituts für Geschichte der Medizin die sofortige Absetzung des Vortrages eines Mannes, der seit einem Vierteljahrhundert von namhaften Sexualwissenschaftlern wegen dubioser Experimente abgelehnt wird. Deren Sinn war in nichts anderem zu erkennen als dem Streben nach der präventiven Lösung der Homosexuellenfrage. Oder in den Worten der Deutschen Gesellschaft für Sexualforschung vor 25 Jahren: Dörners Ziel sei "das Ausmerzen der Homosexualität mittels radikaler endokriner Eingriffe" gewesen.
Weitere Informationen: whk-Presseerklärung zur Verleihung des Großen Bundesverdienstkreuzes vom 2. Dezember 2002 sowie Schwerpunkt-Ausgabe der whk-Zeitschrift Gigi (Nr. 23 vom Jan./Feb. 2003)