Mitteilungen des whk
Mai/Juni 2006
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Unglücklich angelegt (1)

Die „prompten Jubelschreie aus allen politischen Lagern“ zur beabsichtigten Gründung eines Instituts zur Erforschung der Homosexualitäten durch die Initiative Queer Nations sowie der Themenschwerpunkt des Gigi-Hefts Nr. 43 zur Sexualwissenschaft (März/April 2006) weckten unlängst den ehemaligen PDS-Homo-Aktivisten Heinz-Jürgen „Heinzi“ Voß. Wenn die Gründung des – von den sich offenbar nicht ganz auf der Höhe der Zeit befindlichen Queer-Nations-Propagandisten zuweilen als Widergeburt des Whk halluzinierten – Instituts „von CDU bis Linkspartei einhellig begrüßt würden, „sollten wir bewegt sein, genauer hinzuschauen ... Wer und was verbirgt sich hinter dieser Initiative? Warum die Namensanleihe bei ‘Queer Nations’?“, fragt Voß im Oldenburger Homo-Magazin Rosige Zeiten vom April. Die Gründung der an die Tradition von Magnus Hirschfelds Sexualwissenschaftlichem Institut anknüpfenden Einrichtung käme „mit Verlaub gesagt“ etwas spät, so Voß. Zudem sei Hirschfelds sexualreformerische Arbeit „auch eugenisch unterlegt“ gewesen, was Queer Nations mit keinem Wort problematisiere. „Auch die Fragen, wer eigentlich an Queer Nations beteiligt ist und ob die Berliner Queer Nations an das ironische Selbstverständnis der 1980er Queer Nations in den USA anknüpfen“, erweisen sich für Voß „als interessant: Insbesondere Jan Feddersen (im Vorstand von Queer Nations Berlin) und Jörg Litwinschuh (Geschäftsführer) haben in der Vergangenheit mit – milde ausgedrückt – muslimfeindlichen Äußerungen immer wieder für Aufsehen und Empörung gesorgt. Es fällt schwer, bei ihnen ein ironisches Verständnis (des Begriffs – whk) ‘Nation’ zu erwarten.“ Leute wie Feddersen und Litwintschuh wiesen laut Voß auf Diskriminierungen lediglich dann hin, wenn es sich um Homosexuelle handele, die an „gute Götter“ (d. h. den christlichen Gott – whk) glaubten: „deutsche, weiße, Mainstream-Schwulenpolitik à la carte.“ Fraglich sei ferner, ob bei einem Sponsoring durch Konzerne wie Coca-Cola und Glaxo Smith Kline, „einem der führenden HIV-Pillen-Hersteller“, an einem so wiederbegründeten Sexualwissenschaftlichen Institut überhaupt „unabhängige und kritische Forschung (wie an dem historischen) stattfinden kann“, moniert Voß. Es bleibe abzuwarten, was sich „aus dieser zunächst unglücklich angelegten“ Initiative in Zukunft entwickle. Die von Voß bereits Ende Januar auch ins Homo-Portal Etuxx gepostete Kritik fand allerdings nicht ungeteilte Zustimmung. Ein Michael Hellmann gab dort ohne jede Ironie zu Protokoll: „Ich finde ein Coca-Cola und Glaxo Smithkline (sic!) gesponsertes, von Jan Feddersen mitbegründetes ‘WHK’ als ‘Wiedergutmachung’ an schwulen KZ-Häftlingen wirklich ganz toll und wüßte nicht, was es daran zu kritisieren gebe“ (sic!).

Unglücklich angelegt (2)

Unbeantwortet von der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPJM) blieb bislang ein Schreiben des wissenschaftlich-humanitären komitees vom 28. Oktober 2005. In dem Brief an die in Bonn ansässige Zensurabteilung des Bundesfamilienministeriums verlangte das Komitee nochmals die Rücknahme einer Entscheidung vom April 2004, in der die Behörden den Abdruck des sogenannten Stefan-Textes in der whk-Zeitschrift Gigi (Nr. 27, September/Oktober 2003) tatsächlich als Verstoß gegen das Jugendschutzgesetz gewertet hatte. Demgegenüber entschied jedoch das Oberlandesgericht Koblenz am 26. September 2005 in einem anderen Fall, der betreffende Text sei eindeutig nicht pornographisch. Vor diesem Hintergrund verlangte der Gigi-Herausgeber von der BPJM abermals „die Rücknahme der unseres Erachtens vollkommen ungerechtfertigten und das ... Ansehen der Zeitschrift beschädigenden Entscheidung der Bundesprüfstelle vom April 2004“. Ausdrücklich verlangt das whk „eine Rücknahme der selbstverständlich nie gegebenen, jedoch von Ihrer Behörde in die Entscheidungsbegründung hineinformulierte angebliche Zusage (der Gigi-Redaktion – whk), daß ‘solche’ Artikel und ‘solche’ Themen zukünftig in Gigi nicht mehr ‘in dieser Form’ behandelt werden würden. Eine derartige Zusage seitens der sich als unabhängig von staatlichen Weisungen verstehenden Redaktion hat es gegenüber der Bundesprüfstelle nie gegeben.“ Das whk geht davon aus, „daß eine einem Bundesministerium angegliederte Prüfstelle offensichtliche Fehlentscheidungen in begründeten Fällen von sich aus zurücknehmen kann, besonders dann, wenn es sich um solche eines vorwiegend mit Nicht-Juristen besetzten Laiengremiums handelt, die Justizurteilen in selber Sache diametral entgegenstehen und einschlägige BGH-Definitionen außer acht ließen.“ Der seit sechs Monaten ausstehenden Antwort der Bundeszensurbehörde sieht das whk nach wie vor „mit großem Interesse entgegen“ (vgl. auch „Anus Stefani“, Gigi Nr. 40, S. 22, sowie das Editorial „Engberdinger“, Gigi Nr. 33).

Unglücklich angelegt (3)

Unsaubere Arbeit warf der altgediente Schwulenaktivist Dieter Telge dem whk im Internetforum Etuxx vor. Das Komitee hatte sich Ende 2005 kritisch mit einer Stellungnahme der CDU-Homogruppe „Lesben und Schwule in der Union“ (LSU) auseinandergesetzt. Statt deren fremdenfeindlichen Unterton tadelte der ehemals grün-alternative Abgeordnete Berlins jedoch unterm Betreff „Unseriöse Kritik nützt MigrantInnen nix!“ das linke Komitee: „Schade, das whk arbeitet unsauber: Die LSU erklärte ‘Eine weitere ernste Herausforderung ist die Anzahl der Neuinfektionen bei Migranten, die aus Hochrisikogebieten nach Deutschland kommen.’ Statt zu kritisieren, daß ‘Migrantinnen’ weit mehr riskiert sind als ihre männlichen Sexualpartner, interpretiert das whk ‘Afrika, Kinshasa, Maputo’. Warum nicht Asien, Lateinamerika oder, näherliegend, Ukraine, Odessa?? Die LSU schrieb nicht über ‘gefährliche Städte’, sondern (weiter im Zitat) ‘Hier müssen wir über Maßnahmen zu einer verbesserten muttersprachlichen Information reden, die die Zielgruppe auch erreicht.’ Hier hätte das whk kritisieren können und sollen, daß für gleichen Informationszugang und damit erfolgreiche Prävention neben Muttersprachen oft auch Kulturmittlung unverzichtbar ist, ferner MigrantInnen nicht eine (homogene) ‘Zielgruppe’ darstellen, also nur durch differenzierte und kultursensible Bemühungen erreicht werden können. Statt dessen ‘halluziniert’ das whk selbst von einem, von der LSU weder genannten noch assoziierten, ‘Sicherheitsrisiko’. Bessere Sachkenntnis, journalistisch korrekteres Vorgehen und Sachlichkeit anstelle billiger Polemik könnten den Eindruck vermeiden, daß ‘Migranten’ nur als Objekt des Schlagabtausches mit politischen KontrahentInnen benutzt werden“ (vgl. „Lustmord & Sündenböcke (1)“ in den Mitteilungen des whk, Gigi Nr. 41, S. 36, sowie www.whk.de/whk3605.htm).

Alles mit rechten Dingen (1)

Elektronische Post in neudeutscher Rechtschreibung erhielt das „werte Team des whk“ am 2. März vom nordrhein-westfälischen LSVD-Landesvorständler Oliver Schulzke: „Vor geraumer Zeit habe ich euer Angebot der Gigi Nr. 27 Sept./Okt. 2003 wahrgenommen und mich kritisch mit dem LSVD und seiner Vergangenheit auseinander gesetzt, nicht zuletzt deshalb, weil ich im vergangenen Jahr in den Vorstand des Landesverbandes NRW gewählt worden bin. Was ich allerdings trotz meiner Bemühungen nicht erfahren konnte, war, weshalb es zwischen euch und dem LSVD (ob nun speziell NRW oder insgesamt) dieses ‘Problem’ gibt. Eure Pressemitteilungen sind dem LSVD gegenüber recht oft sehr negativ und teilweise auch schlicht falsch. Z. B. bekommen wir in NRW überhaupt keine Steuergelder/Förderung für den Verein oder irgendein Projekt, wie ihr immer wieder behauptet (Anmerkung: Das whk hat weder über den neugegründeten noch über den wegen unsachgemäßer Verwendung von Steuergeldern insolvent gewordenen LSVD-Landesverband unwahre Behauptungen hinsichtlich deren Finanzierung aus Landesmitteln aufgestellt – whk). Dass der alte, nach Insolvenz nun auch im Vereinsregister gelöschte Landesverband NRW so seine Schwierigkeiten hatte, brauche ich euch wohl kaum zu sagen, doch durch die Neugründung und den kompletten Austausch der Funktionsträger sollte das Thema nun erledigt sein. Ich kann euch jedenfalls versichern, dass bei uns im LSVD NRW alles mit rechten Dingen zugeht. Genau wie ihr versuchen auch wir vom LSVD auf Unzulänglichkeiten, Ungerechtigkeiten usw. hinzuweisen und die Verantwortlichen zum Umdenken zu bewegen. Auch machen wir uns damit nicht immer Freunde; ihr kennt das ja auch. (...) Dass wir nicht bei allen Themen gleicher Meinung sind, sollte uns davon nicht abhalten, alte Feindseligkeiten zu begraben. Es macht doch viel mehr Sinn, gemeinsam gegen Diskriminierung vorzugehen, anstatt sich gegenseitig das Leben schwer zu machen, oder? Es wäre schön, wenn die – mir unbekannten – Differenzen beigelegt werden könnten und wir uns alle auf unsere eigentliche Arbeit konzentrieren könnten. Euren Einsatz bezüglich der BILD-Zeitung z. B. kann ich nur unterstützen (gemeint ist die Anrufung des Deutschen Presserats durch das whk wegen eines homophoben und böswillig gefälschten BILD-Artikels über die Hinrichtung zweier homosexueller Jugendlicher. Der LSVD hat sich allerdings zu keiner Zeit öffentlich zustimmend zur whk-Initiative geäußert, vgl. „Reine Zeitgeschichte“ in Gigi Nr. 42, S. 16 – whk). Mit Interesse habe ich auch eure Pressemitteilung vom 20.02.2006 zu den Rosa Listen gelesen (vgl. www.whk.de/whk0606 sowie „Kennt jemand in Köln das whk?“ in den Mitteilungen des whk, Gigi Nr. 39, S. 36 – whk). Da ich in meiner Funktion als LSVD-NRW-Vorstand die Aktion www.stopp-rosa-listen.de durch Verlinkung von unserer Homepage aus unterstützt habe, habe ich bei den beiden Urhebern der Website nachgefragt, was es denn mit euren Vorwürfen auf sich hat. Insbesondere hat mich natürlich, so wie auch euch, der Verbleib der Personendaten interessiert, auch wenn ich es nicht für sehr wahrscheinlich halte, dass sich Dritte um solche Daten reißen um den eingetragenen Personen das Leben schwer zu machen; da gibt es sicherlich einfachere Wege. Aber wie gesagt, wir müssen ja nicht in allem gleicher Meinung sein. Jedenfalls haben mir die Herren Zeisberger und Wawer versichert, die Daten nach datenschutzrechtlichen Bestimmungen gelöscht zu haben; lediglich die Anzahl der Personen ist dort noch bekannt. Ich sehe daher keinen Aussicht auf Erfolg eurer angekündigten Strafanzeige und denke, dass ihr eure Energien anderswo besser einsetzen könnt.“

Alles mit rechten Dingen (2)

Dem LSVD-Landesvorständler antwortete am 8. März Michael Heß vom whk Münster:
„Guten Tag Oliver, vielen Dank für Deine Mail. Die Mitglieder des whk wissen den Impuls zu würdigen, sehen gleichwohl aber die Notwendigkeit einer qualifizierten Antwort im Interesse klarer Verhältnisse. Zumal Deine Initiative erkennbar nicht vom Landesverband NRW ausgeht. Du schreibst, niemand habe Dich über die Ursache der Diskrepanzen zwischen beiden Strukturen aufklären können. Doch solche Diskrepanzen fallen nicht fertig vom Himmel, sondern sie sind Ergebnis (sehr) unterschiedlicher Vorstellungen über Wege und Ziele. Ein sachlicher Blick in die vom whk einerseits, vom LSVD andererseits vertretenen Positionen macht dies auch ohne verbale Erklärung deutlich, erfordert aber auch ein Geschichtsbewußtsein abseits bloßer Goodwill-Erklärungen und luftiger Idealismen.

Das whk hat aus seinen emanzipatorischen Positionen nie einen Hehl gemacht und wir haben keinerlei Veranlassung, von diesen abzuweichen. Unsere grundsätzliche Position greift die Vielfalt der Beziehungs- und Lebensformen heutzutage auf, die alle ihren eigenen Wert haben. Das beinhaltet in der Konsequenz den Blick auf gesellschaftliche Strukturen wie ‘Kapitalismus’ und ‘Sozialismus’ (um nur zwei Begriffe von vielen zu nennen), die auf die Gestaltung sozioökonomischer Rahmenbedingungen menschlicher Beziehungskisten sowie von Form und Inhalt von Sexualität unmittelbar einwirken. Oder einfacher formuliert: Das Sein bestimmt das Bewußtsein in der Beziehungskiste und letztlich sogar im Bett ...

Genau diese grundsätzliche Betrachtung vermissen wir beim LSVD. Diesem geht es, seinen Verlautbarungen seit 1990 (damals noch SVD) nach vor allem um die Einbindung Homosexueller (nachfolgend auch Bi-, Transsexueller usw.) in das real existierende gesellschaftliche System ... In der Sprache der Soziologen heißt es: Integration versus Segregation. Das whk hält es mit Letzterer, weil die ihr innewohnende Vielfalt an Beziehungskisten erstens die Realität sehr viel besser widerspiegelt und zweitens eine Gesellschaft über ihre Vielfalt definiert anstelle verlangter Anpassung an ein fremdbestimmtes Ideal bürgerlicher Heterosexualität. Nochmals anders formuliert: Ein Verband wie der LSVD, der sich für Institute wie die ‘Homo-Ehe’ einsetzt und eine ‘Eins zu Eins-Kampagne’ betreibt, steht für das whk generell auf der anderen Seite der Barrikade. Gelegentliche sachliche Übereinstimmungen ändern nichts an dieser Einschätzung. Zugleich sprechen wir dem LSVD das Recht ab, für ‘die’ Homosexuellen et al. zu sprechen. Dazu sind deren Lebens- und Beziehungsentwürfe zu vielfältig und diese erkämpfte und ertrotzte (!) Vielfalt ist zu kostbar, um sie via LSVD erneut in tradierte Normen zu pressen. Daß der LSVD bei alledem noch kläglich gescheitert ist, sei hier nur sachlich vermerkt und empfohlen, sich selbstkritisch mit den Ursachen für dieses Scheitern auseinanderzusetzen. Dann hätte der aus dem Vorhof der Macht verbannte LSVD vielleicht noch eine Chance auf ein mittelfristiges Überleben. In seiner jetzigen Verfaßtheit benötigt ihn jedenfalls kaum ein Homo. Das Thema ließe sich schier unbegrenzt ins Detail vertiefen; wir wollen das nicht tun. Wir achten Deine Initiative, verweisen aber ebenso deutlich auf die umrissenen programmatischen Unterschiede zwischen LSVD und whk. Diese aufzuheben ist u. E. nicht nur nicht wünschenswert, sondern auch utopisch.“

Alles mit rechten Dingen (3)

Für einen Artikel im Schwulenmagazin Du&Ich erfragte des-sen Mitarbeiter Malte Göbel im März „die Position des whk bezüglich der Opfer des §175 aus BRD-Zeiten“. Der von den Nationalsozialisten verschärfte Schwulenparagraph 175 sei nach 1945 in der Bundesrepublik beibehalten, erst 1969 entschärft, 1994 ganz (so die falsche Annahme Göbels) gestrichen und Opfer des §175 aus der NS-Zeit 2002 rehabilitiert worden. „Mich würde nun interessieren: Habt Ihr eine Position zu dem Thema bzw. arbeitet Ihr politisch in dieser Richtung? Gibt es aus Eurer Sicht die Notwendigkeit/Chance für eine Rehabilitierung/Entschädigung dieser Opfer?“ Es antwortete Eike Stedefeldt vom Berliner whk:

„Das neue whk hat seit seiner Gründung am 26. Oktober 1998 zur Frage der Opfer des §175 in der Bundesrepublik Deutschland eine klare Haltung. Diese besteht darin, daß ihre Rehabilitierung und angemessene materielle Entschädigung dringend geboten sind: für erlittene Haftjahre, die Zerstörung familiärer, freundschaftlicher und Liebesbeziehungen sowie beruflicher Existenzen, den Verlust der Wohnung, Renten- und Versorgungsansprüche und des guten Rufs, die Beeinträchtigung psychischer und physischer Gesundheit durch die Verfolgung und nicht zuletzt den Verlust an Lebensfreude im Zuge der Verleugnung und Verstümmelung der eigenen Sexualität.“ Für besonders dringlich halte das whk dies „besonders hinsichtlich der BRD-Justizopfer bis 1969“, weshalb es anläßlich der Rehabilitierungsdebatte am 8. Februar 2002 in einem Offenen Brief an den Bundeskanzler, die Bundesministerin der Justiz, die Fraktionsvorsitzenden und rechtspolitischen Sprecher von SPD und Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag auch explizit deren Entschädigung gefordert habe (vgl. www.whk.de/whk0102.htm). „Die Reaktionen auf den Brief reichten von Desinteresse bis zur faktischen Legitimierung des in der verschärften Nazi-Fassung ins BRD-Strafgesetzbuch übernommenen Paragraphen und damit letztlich auch der der NS-Homosexuellenverfolgung. Zynisch wurde die Forderung des whk unter formalistischem Verweis auf die skandalösen postnazistischen Urteile des Bundesverfassungsgerichts (z.B. das vom 10. Mai 1957) zurückgewiesen: Man tat so, als sei der §175 vergleichbar gewesen mit gewöhnlichen Straftatbeständen wie Raub, Mord oder Betrug, als habe er nicht vielmehr einen politischen und zuletzt völkischen Ursprung gehabt und als sei er nicht von denselben, unter Adenauer auf wundersame Weise demokratisch geläuterten Nazi-Richtern an ihren früheren Opfern weitervollstreckt worden.“ Dennoch habe das whk „einen konkreten Vorschlag in der Sache“ unterbreitet, „und zwar im Kontext der Bestrebungen zur Gründung einer Magnus-Hirschfeld-Stiftung als ‘kollektive Entschädigung’ an heutige staatstragende Homo-Vereine. Bei diesem am Bundesrat gescheiterten Projekt – auf dessen Konzept sich aktuell die ‘Initiative Queer Nations’ beruft – konstruierten die Protagonisten eine ideelle Erbfolge. Das whk plädierte vor dem Hintergrund, daß dieses Konstrukt sogar eine Mehrheit im Bundestag fand, für eine alternative ideelle Erblinie zugunsten der individuellen, also tatsächlichen Opfer des §175.“ Dazu habe es in Ausgabe Mai/Juni 2002 der whk-Zeitschrift Gigi geheißen: „Der whk-Vorschlag: Zwar sind die meisten NS-Überlebenden mittlerweile tot, es leben aber wahrscheinlich noch Tausende jener 50.000 Männer, die bis 1969 nach dem NS-Paragraphen in der BRD verurteilt wurden. Man könnte sie ins Erbe jener Rosa-Winkel-Häftlinge einsetzten, denen ihre Entschädigung bis heute vorenthalten wird, und die Zahlung an sie ultimativ von welcher Bundesregierung auch immer fordern.“ An diesem Vorschlag, so das Berliner whk an Du&Ich, halte das Komitee „bis heute fest“. Allerdings sehe es „dafür realistischerweise schwarz vor dem Hintergrund einer heute wieder mit Anleihen an braune Rechtsbegriffe aufwartenden Strafrechtspolitik“.

Im Grußwort des whk zum 18. Verbandstag des Lesben- und Schwulenverbandes in Deutschland (www.whk.de/GrusswortLSVD2006.htm) kam das whk auf seine Idee zurück und schlug dem Verein eine gemeinsame Kampagne in der Rehabilitations- und Entschädigungsfrage der Nachkriegs-Opfer des §175 vor. Der LSVD reagierte bislang nicht darauf.