whk1703/02.11.2003
Aktenzeichen XY gelöst: Sexualpolitische Zeitschrift "Gigi" nicht (kinder-) pornographisch
Staatsanwaltschaft Berlin hält Ermittlungen gegen whk-Zeitschrift für unbegründet / Dokumentation des inkriminierten "Stefan"-Textes ist legal, sofern sie nicht durch Pädophile erfolgt
Die Staatsanwaltschaft Berlin hat ein Ermittlungsverfahren gegen die vom whk herausgegebene Zeitschrift "Gigi" wegen Verdachts der Verbreitung pornographischer Schriften abgelehnt. Hierzu erklärt die AG Schwulenpolitik des whk:
Wo Trierer Richter und Staatsanwälte "Schokoladenonkel" draufpappen, ist nicht zwangsläufig "Schokoladenonkel" drin. Dies ist das Ergebnis eines "staatsanwaltschaftlichen Überprüfungsvorgangs zu der Zeitschrift 'Gigi'" durch die Staatsanwaltschaft Berlin. Mit Schreiben vom 17. Oktober 2003 lehnte die Behörde Ermittlungen gegen das vom whk herausgegebene sexualpolitische Magazin ab. Konkret ging es um die mögliche Verbreitung von Kinderpornographie.
Unter dem Geschäftszeichen 75 AR 32/03 teilt Staatsanwalt Stork der Redaktion mit, er habe "nach Auswertung des Inhalts der Zeitschrift 'Gigi', Ausgabe September/Oktober 2003, die Entscheidung getroffen, daß hier kein staatsanwaltschaftliches Ermittlungsverfahren einzuleiten ist, weil keine zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkte für eine verfolgbare Straftat festgestellt wurden". Damit ist klar, daß der Abdruck eines Textes nicht per se strafbar ist, wegen dessen Verbreitung im Internet das Trierer Landgericht im März sowie abermals in der Berufungsverhandlung Ende September zwei Männer verurteilte. Für die Verbreitung des laut Berliner Staatsanwaltschaft nicht einmal pornographischen Textes waren die Angeklagten in Trier zu Haftstrafen von acht Monaten ohne beziehungsweise sechs Monaten mit Bewährung verurteilt worden.
Ermittlungen gegen die "Gigi"-Redaktion angeregt hatte bei den Berliner Kollegen die Staatsanwaltschaft Trier, nachdem diese offenbar durch übereifrige Pädo-Aktivisten in den Besitz der "verdächtigen" Ausgabe gelangt war. Nach telefonischen Anfragen dritter Medien hatte die "Gigi"-Redaktion bereits am 24. September selbst bei der Staatsanwaltschaft Berlin nachgefragt, ob die Behörde tatsächlich ermittele. Im Antwortschreiben heißt es, daß der Berliner Staatsanwaltschaft "mit Schriftsatz der Staatsanwaltschaft Trier 12747/01 vom 22. September 2003 die Zeitschrift 'Gigi, Ausgabe September/Oktober 2003, zur Prüfung in eigener Zuständigkeit übersandt wurde", um zu klären, "ob ein Verfahren wegen Verbreitens pornographischer Schriften einzuleiten ist".
"Gigi" hatte in der betreffenden Ausgabe den vom Trierer Landgericht in diesem Jahr als in pädophilem Kontext kinderpornographisch eingestuften "Stefan"-Text in der unzensierten Fassung dokumentiert, um die so hysterisierte wie desinformierte Öffentlichkeit auf dessen bestürzende Harmlosigkeit aufmerksam zu machen. Im selben Heft hatte zudem die namhafte Literaturwissenschaftlerin Marita Keilson-Lauritz eine fachliche Bewertung des anonym verfaßten Textes vorgenommen und das Agieren der zuständigen Trierer Richterin im Prozeß als "üble Entgleisung" bezeichnet. Sowohl das SWR-Fernsehen als auch Spiegel Online unternahmen nach Erscheinen des "Gigi"-Hefts Versuche, das 2001 als "beste Zeitschrift aus dem lesbisch-schuwlen Bereich" in Deutschland mit dem Sonderpreis des Felix-Rexhausen-JournalistInnen-Preises geehrte Journal als Pädophilenblatt zu präsentieren bzw. zu denunzieren.
Als ebenfalls seriös geltende Medien, so zuletzt am heutigen Sonntag das ZDF-Frauenmagazin "Mona Lisa", nennen unterdessen den Text weiterhin faktenwidrig als "kinderpornographisch", was er selbst nach dem Urteil der Trierer Richter im Berufungsverfahren nicht ist. Dazu werde er nämlich allein durch den Kontext seiner Veröffentlichung. Nach dieser Logik wäre auch das verführerische Lächeln von Leonardos "Mona Lisa" pornographisch, hinge sie statt im Louvre in einem Sex Shop.
Der pikante Teil der Entscheidung der Berliner Staatsanwaltschaft ist indes, daß ihr die Redaktion im Editorial des zu prüfenden Heftes eine gewisse Distanz zum Berliner Pressegesetz nachgewiesen hatte: So steht immer noch eine staatsanwaltschaftliche Antwort auf eine "Gigi"-Anfrage aus, in der nach Details einer Razzia gegen mutmaßliche Pädophile am 6. Juni 2003 in Berlin gefragt worden war. Bei dem mehrstündigen Einsatz in einer Privatwohnung war nach "Gigi"-Informationen mindestens eine Person durch die Polizei erheblich verletzt und mit unbekanntem Ziel verschleppt worden. Mit Ermittlungen gegen "Gigi" hätte die Staatsanwaltschaft zweifellos einen peinlichen Eklat in eigener Sache riskiert.
Unter www.gigi-online.de ist das Schreiben der Berliner Staatsanwaltschaft an die Redaktion dokumentiert. Das Heft Nr. 27 mit dem "Stefan"-Text kann noch über die Website bei der Redaktion nachbestellt werden.
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