whk0807/18.11.2007
Zum Schreiben des Staatsinstituts (ifb)
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Datenskandal in Rosa

Meldebehörden geben personenbezogene Daten zur Ausforschung der in Deutschland geschlossenen Lebenspartnerschaften weiter. whk: Datenschutz gilt nicht für Lesben und Schwule

Wie dem wissenschaftlich-humanitäre komitee (whk) am vergangenen Freitag bekannt wurde, erhielten in den zurückliegenden Monaten viele Eingetragene Lebenspartner/innen ein Schreiben aus der Universität Bamberg an ihre Wohnadressen, in dem sie um Teilnahme an einer Studie im Auftrag des Bundesministeriums der Justiz gebeten wurden. Dazu erklärt das whk:

Sieben Jahre hat es gedauert, bis sich amtlich bestätigte, wovor das whk in seiner Presseerklärung vom 10. November 2000 über das an jenem Tag vom Bundestag verabschiedete Gesetz über die Eingetragene Lebenspartnerschaft (LPartG) warnte: Die Homo-Eheschließung komme "nicht nur einem erzwungenen Coming-out gleich, sondern setzt die Partner der akuten Gefahr der Totalerfassung ihres Privat- und Intimlebens aus ... Das LPartG trägt sämtliche Merkmale einer offiziellen 'Rosa Liste' und ist in seinen Folgen unabsehbar für die Betroffenen." Seinerzeit wurde diese Warnung nicht ernst genommen.

In einem jener Schreiben des Staatsinstituts für Familienforschung an der Universität Bamberg (ifb), das dem whk vorliegt, teilt dessen stellvertretende Leiterin Dr. Marina Rupp mit, zur Zeit werde eine Studie über "gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften" durchgeführt. Diese sei von der Bundesregierung gewünscht und vom Bundesministerium der Justiz in Auftrag gegeben worden. Es gehe dabei "um verschiedene Aspekte der Lebensgestaltung, Fragen zur Elternschaft bzw. zum Kinderwunsch, evtl. Erfahrungen mit Benachteiligungen und die Beurteilungen der aktuellen rechtlichen Situation von Lebenspartnerschaften" sowie sogenannter Regenbogenfamilien. Man wolle unter anderem "klären, inwieweit die rechtliche Situation dieser Lebensgemeinschaften und Familien veränderungsbedürftig ist."

Im nächsten Absatz stellt Frau Dr. Rupp klar, daß es ihrem Institut nicht um eine repräsentative Auswahl der beforschten Gruppe geht, sondern "alle Eingetragenen Lebenspartnerschaften" zwecks Teilnahme kontaktiert werden sollen. Dazu hat das Staatsinstitut laut einer Mitteilung auf der Rückseite des Briefes "die Meldebehörden in Deutschland gebeten, uns die Anschriften von Personen mit Familienstand 'Eingetragenen Lebenspartnerschaft' zu übermitteln." Dieser Bitte haben die Meldebehörden der jeweiligen Bundesländer offenbar entsprochen, ohne die Betroffenen vorher auch nur zu informieren oder gar ihr Einverständnis zur Datenweitergabe einzuholen. Rupps Hinweis an die Adressaten, "daß Sie in den nächsten Wochen von einem/einer unserer Mitarbeiter(innen) telefonisch angesprochen und um Mitwirkung gebeten werden", läßt ferner befürchten, daß man sich in Bamberg auch die Telefonnummern der Paare beschafft hat. Dem whk liegen Informationen vor, daß bereits Paare unbekümmert auf die Briefe geantwortet und weitere Informationen über sich arglos am Telefon preisgegeben haben.

Damit sind nun in einer gewöhnlichen Universitätsdatenbank wesentliche personenbezogene Daten einer ganzen Bevölkerungsgruppe nach dem Kriterium ihrer sexuellen Orientierung erfaßt und verfügbar. Die Basis dieser Erfassung liegt im Charakter des LPartG als eines in Demokratien unüblichen, mindere Rechte festschreibenden und ausdrücklich für Homosexuelle geschaffenen Sondergesetzes. Heterosexuellen Paaren ist es gar nicht zugänglich. Der sogar unterstrichene Hinweis, die Teilnahme an der Studie sei "völlig freiwillig", ist vor dem Hintergrund der ungefragten Datenweitergabe ein ebensolcher Nonsens wie die Zusicherung von Anonymität und stellt allenfalls ein Tarnmanöver dar. Denn selbst wer die Teilnahme verweigert, ist bereits Gegenstand der Studie, und sei es mittelbar als Mitglied der Gesamtgruppe "verpartnerte Homosexuelle". Lächerlich sind schließlich Vermerke wie die "Adreßüberlassung ist ein einmaliger Vorgang" oder man habe sich verpflichten müssen (!), "die datenschutzrechtlichen Bestimmungen strikt einzuhalten". Wenn an einer Universität mit solchen sensiblen Daten gearbeitet wird, wenn sie dazu benutzt werden, Briefe zu adressieren, wenn ein Sekretariat sie verschickt, so sind die Daten nicht vor dem Zugriff unbefugter Dritter sicher und können es niemals sein. Sie waren ja nicht einmal bei den Meldebehörden der Länder vor dem Zugriff des ifb sicher.

Auffällig weicht die fast konspirativ anmutende Herangehensweise des ifb von der sonst für repräsentative Studien üblichen Praxis ab. Bis auf eine knappe, weitgehend unbeachtet gebliebene Pressemitteilung von Ende Juni, die ebenso wie die ifb-Website keinerlei Angaben über die tatsächliche Rekrutierungspraxis enthielt, fehlt die gewohnte offensive Pressearbeit über die Massen- sowie Homo-Medien komplett. Außer den Briefadressaten selbst wird das Vorhaben somit gar nicht bekannt, was es zusätzlich verdächtig macht. Für die seit vielen Jahren durchgeführten Untersuchungen zum Safer-Sex-Verhalten schwuler Männer des Soziologen Michael Bochow wurden den Homo-Zeitschriften Fragebögen beigelegt und Aufrufe zur Teilnahme veröffentlicht, später auch auf den großen schwulen Datingportalen. Damit waren Anonymität und Freiwilligkeit ebenso gegeben wie verläßliche und repräsentative Ergebnisse. Warum dieses Verfahren für eine Studie, zu deren Gegenstand so viele Informationen bereits aus Gesetzestexten, Sach- und Fachbüchern bekannt sind, nicht tauglich sein soll und statt dessen die informationelle Selbstbestimmung der Betroffenen untergraben werden muß, ist beim besten Willen nicht nachvollziehbar. Jeder Kenner der Szene weiß zudem, wie leicht sich potentielle Teilnehmer/innen über Dating-Portale ansprechen lassen – auf dortigen Profilen ist meist der Beziehungsstatus angegeben. Durch Mundpropaganda in einer so eng vernetzten Szene hätte man zudem weitere Probanden gefunden.

Grob fahrlässig im Hinblick auf das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung ist das postalische Versenden des genannten Rekrutierungsschreibens. Dieses gibt eindeutig Auskunft über die Sexualität und Beziehungsform der Betroffenen, also den intimsten Bereich ihrer privaten Lebensführung. Niemand kann sicher sein, wer diesen Brief – etwa in Abwesenheit des Adressaten oder bei falscher Zustellung – öffnet und welche Folgen die Kenntniserlangung seines Inhaltes hat in einer Gesellschaft, die weit davon entfernt ist, Homosexualitäten als anderen Sexualitäten gleichrangig zu akzeptieren. Das Sondergesetz, das diese Aktion der Universität Bamberg erst möglich macht, ist prominentester Ausdruck dieser Realität.

Angesichts dessen ist die offizielle Begründung für diese Studie äußerst zweifelhaft. Nirgendwo weiß man schließlich besser als im Bundesministerium der Justiz, welche Benachteiligungen das SPD-geführte BMJ seinerzeit in seine Sondergesetzentwürfe schrieb, die dann vom Gesetzgeber als Lebenspartnerschafts- und Lebenspartnerschaftsergänzungsgesetz verabschiedet wurden. Man weiß im BMJ auch genau, wie sie familien- und steuerpolitisch im Alltag wirksam werden, weil ihre Wirkung genau so politisch gewollt war: als legislativer Ausweis der Minderwertigkeit homosexueller Lebensformen und Abstrafung für nonkonforme Sexualität. Diese Diskriminierung per Gesetz machte eine Reihe von juristischen Ratgebern für Betroffene notwendig, um Benachteiligungen möglichst auszuweichen oder deren Folgen zu mildern. Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages würde womöglich einen Tag oder zwei benötigen, daraus die konkreten Alltagsdiskriminierungen zu rekonstruieren und in für die Bundesregierung verständlicher Form aufzulisten. Man hätte auch die stets diensteifrigen staats- und parteinahen Homoverbände fragen oder einfach ihren Klageliedern aufmerksam lauschen können. Eine vorgezogene Homo-Volkszählung unter Ausschluß der Öffentlichkeit und auf Basis von Meldedaten ist dazu nicht notwendig.

Vor diesem Hintergrund rät das whk den wahrscheinlich Tausenden Empfängern des Schreibens dringend davon ab, dem ifb oder sonst einer interessierten Behörde irgendwelche Auskünfte zu ihrer Privatsphäre zu geben und erst recht nicht auf telefonische Anfragen oder Interviewwünsche zu reagieren. Vielmehr sollten sie schriftlich bei ihrer zuständigen Meldebehörde sowie bei den Landesbeauftragten für Datenschutz gegen die unerlaubte Weitergabe von Informationen über ihre sexuelle Orientierung und Art ihrer Partnerschaft an Dritte protestieren. Darüber hinaus rät das whk den Betroffenen, umgehend eine Melderegistersperre nach dem im jeweiligen Bundesland gültigen Meldegesetz zu beantragen.

Das whk wird den Bundesbeauftragten für den Datenschutz, Peter Schaar, über diesen Datenskandal informieren sowie sich mit der Bitte um Unterstützung bei der Aufklärung seiner Hintergründe an ausgewählte Abgeordnete wenden.

Rückfragen: 030/6515213