whk0707/08.11.2007
Keine Bühne für Karremann
Die Urania Berlin e.V. annonciert einen Vortrag des Skandal-Reporters Manfred Karremann über "Pädophilie und Gewalt". / whk protestiert mit Offenem Brief gegen die demagogische Kontextuierung von sexueller Präferenz und Kriminalität
Für den 22. November 2007 kündigt der traditionsreiche Bildungsverein Urania Berlin e.V. einen Vortrag des "Stern"- und ZDF-Reporters Manfred Karremann zum Thema sexuelle Gewalt an. Das wissenschaftlich-humanitäre komitee (whk) ersuchte die Urania in einem Offenen Brief darum, diese Veranstaltung aus dem Programm zu streichen.
In dem vom 5. November datierenden, an Urania-Geschäftsführer Dr. Ulrich Bleyer adressierten und zur Weiterleitung an an Vorstand, Programmbeirat, Wissenschaftlichen Beirat sowie Kuratorium der Urania bestimmten Schreiben begründen die whk-Gruppe Berlin sowie die AG Schwulenpolitik des whk ausführlich ihre akuten Bedenken.
Bereits vom Titel "Pädophilie und Gewalt wie wir unsere Kinder vor Mißbrauch schützen" gehe ein verheerendes gesellschaftspolitisches Signal aus. "Pädophilie ist wissenschaftlich betrachtet eine sexuelle Orientierung bzw. erotische Präferenz, die sich wie alle sexuellen Orientierungen oder erotischen Präferenzen am individuellen Lustobjekt festmacht. Mit Recht würde darum harsche Kritik ernten, wer einen Vortrag zu 'Heterosexualität und Gewalt' hielte, weil eine solche Kontextuierung absurd wäre." Die Ausübung von (sexueller) Gewalt basiere per se eben nicht auf irgendeiner Triebrichtung, sondern gehe von einer konkreten Person mit individuellen Eigenschaften aus. Ob diese Person sexuelle Gewalt ausübe und damit Gesetze breche, habe ursächlich so wenig mit ihrem bevorzugten Sexualobjekt oder Sexualpartner zu tun wie Pädophilie mit "Mißbrauch" von Kindern.
Statt einer hysterisierten Situation mit kriminologischen Fakten und wissenschaftlichen Argumentationsweisen zu begegnen, werde schon mit dem Ankündigungstext die allgemeine Angst weiter angeheizt und eine Verschwörung suggeriert. Damit werde Stimmung gemacht "gegen eine einzelne Bevölkerungsgruppe", so das whk in dem vierseitigen Brief. "Dazu mußte diese zuvor allerdings durch Reduktion komplexer Persönlichkeiten auf ganze zwei Einzelmerkmale nämlich Geschlecht und sexuelle Orientierung erst definiert werden. Allein aufgrund dieser beiden Merkmale wird dieser Bevölkerungsgruppe eine Gemeingefährlichkeit zugeschrieben und diese im nächsten, einem Fragesatz zur Verschwörung hochstilisiert. Der Frage 'Wie sind die Pädophilen organisiert?' worin der Artikel 'die' die Gemeinten ent-individualisiert und zum Feindbild zusammenschweißt (vgl. dazu Victor Klemperer: Lingua Tertii Imperii) folgt unmittelbar die Suggestion einer ihnen angeblich eigenen kriminellen Energie: Von 'Vertrauen erschleichen' ist die Rede und von 'Lebenslügen'." Einer solchen Generalisierung und pauschalen Abwertung wohne nach Einschätzung des whk "ein hohes Verhetzungspotential" inne.
Ferner machen die whk-Gruppen darauf aufmerksam, daß Manfred Karremanns "investigative" Recherchen "in der Pädophilen-Szene" und "ihre in Schrift- und Bildsprache in hohem Maße demagogische Aufbereitung für die von der Skandalisierung lebende Illustrierte Stern nicht nur den ethischen Prinzipien eines seriösen Journalismus widersprechen, sondern auch den Rechtsstaat aushebeln". Dies habe bereits Anfang 2004 eine ausführliche Analyse von Reinhard Mokros nachgewiesen, eines Polizeidirektors und Dozenten für künftige Polizeikommissare an der Duisburger Fachhochschule für öffentliche Verwaltung. Karremanns Aktivitäten stellten demnach "eine Gefahr für den rechtsstaatlichen Strafprozeß" dar.
Laut Selbstdarstellung habe die Urania Berlin e.V. die Aufgabe, "wissenschaftliche Bildung für alle Bürger zu vermitteln", wobei sie sich auf eine bis auf den großen Humanisten Alexander von Humboldt zurückgehende Tradition beruft. "An diesem Anspruch gemessen hat die geplante Veranstaltung nichts unter dem Dach der Urania Berlin e.V. zu suchen", resümiert das whk. "Vorurteilsbeladene Propaganda auf Kosten wegen ihres Seins und nicht wegen ihres Tuns oder Lassens pauschal und als Gruppe kriminalisierter Menschen, Massen-Hysterisierung, Schwarz-Weiß-Malerei und Ignoranz sind ebenso wie eine zweckdienliche Schwammigkeit der Termini das Gegenteil von Wissenschaftlichkeit."