whk0706/09.06.2006
Rückspiel: C@rechild schießt Eigentor
"Kinderschutz"-Verein C@rechild e.V. errang juristische Niederlage gegen whk / OLG Düsseldorf verteidigt Meinungs- und PressefreiheitDer Verein C@rechild aus Münster scheiterte am 10. Mai in zweiter Instanz mit dem Versuch, das whk für eine Presseerklärung vom 3. April 2004 gerichtlich abstrafen zu lassen. Zur jetzt schriftlich vorliegenden Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 31. Mai erklärt die AG Schwulenpolitik des wissenschaftlich-humanitären komitees (whk):
Einmal mehr konnten das whk und die Redaktion seiner sexualpolitischen Zeitschrift Gigi einen Versuch abwehren, sie auf juristischem Wege kaltzustellen und so kritische Stimmen zu den undemokratischen Tendenzen und Begleiterscheinungen der deutschen wie internationalen Sexual- und Strafrechtspolitik abzuwürgen.
In der dem Verfahren zugrundeliegenden Presseerklärung vom 3. April 2004 hatte das whk die mißglückte, laut OLG Düsseldorf "unstreitig von einer Sendener Pfarrgemeinde in Zusammenarbeit mit dem Kläger" (also C@rechild e.V.) angeregte Indizierung der Gigi-Ausgabe 27 wegen angeblicher Verbreitung von Kinderpornographie kommentiert.
Als "besorgniserregend" hatte das whk darin "die ungenierte Zusammenarbeit katholischer und rechter Gruppierungen bei der Anregung von Indizierungsverfahren" gewertet und gewarnt: "Nach dem Vorbild rechter Gruppierungen veröffentlicht der sogar als gemeinnützig anerkannte Verein 'C@rechild' auf seiner Internetseite schwarze Listen."
Diese politische Bewertung suchte C@rechild seit 3. Mai 2004 mittels kostenpflichtiger anwaltlicher Abmahnung sowie Forderung einer Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung zu unterbinden. Als der Förderverein des whk als Betreiber der whk-Homepage sowie Eike Stedefeldt als deren medienrechtlich Verantwortlicher den Maulkorb verweigerten, reichte C@rechild Klage ein. Die mehrminütige Sitzung der 12. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf am 19. Oktober 2005 führte zu einem am 9. November 2005 verkündeten Urteil, das die politische Einschätzung des whk zur "Schmähkritik" herabwürdigte und C@rechild kurzerhand ins Recht setzte.
Der 15. Zivilsenat des OLG Düsseldorf korrigierte diese Fehlentscheidung und wies die C@rechild-Klage ab: "Sowohl bei der Einordnung des Klägers als 'dubiose Kinderschützersekte' als auch bei der Äußerung, der Kläger handele 'nach dem Vorbild rechter Gruppierungen' handelt es sich um Meinungsäußerungen, nicht um Tatsachenbehauptungen", so die Begründung. Die Grenze zur Schmähkritik werde "entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht überschritten". Vielmehr habe "die Ablehnung der Indizierung der Zeitschrift Gigi und die Rolle des Klägers im Indizierungsverfahren im Vordergrund gestanden". Die whk-Äußerungen seien angesichts dieses Kontextes "solche im Rahmen des politischen Meinungskampfes. Denn es geht um eine die Öffentlichkeit wesentlich berührende Frage", so das Richterkollegium, "wenn thematisiert wird, ob eine bestimmte Veröffentlichung kinderpornographisch ist oder nicht und wie es zu dem Indizierungsverfahren gekommen ist. Damit ist ein Sachbezug gegeben."
Ferner berücksichtigte das OLG, "daß die Schärfe dieses Werturteils auch durch das Verhalten des Klägers, und zwar insbesondere seines Vorstandsvorsitzenden" Gabriel Gawlik "herausgefordert worden ist". Unbestritten habe dieser "auf seiner Internetseite eine Rubrik Müllhalde/Wenn defekte Personen sich äußern' unterhalten", dort das Editorial "Feindbilder" aus Gigi Nr. 29 veröffentlicht und dessen Autor Eike Stedefeldt "als eine solche defekte Person eingeordnet". Stedefeldt sei "durch Aufnahme in die Liste der unerwünschten Personen in seinem Forum abqualifiziert" und Gigi als "Schweinemagazin" bezeichnet worden, so das OLG unter Verweis auf die "verbalen Entgleisungen des Vorstandsvorsitzenden des Klägers".
Das whk nimmt das Urteil des OLG Düsseldorf abermals zum Anlaß, vor selbsternannten Kinderschützern zu warnen. Die Aufforderung, bei deren Gruppierungen sehr genau hinzusehen und hinzuhören, richtet sich vor allem an Behörden, Medien und Politiker, die einer oft an religiös-fanatische Selbstjustiz erinnernden Praxis öffentliche Reputation und Legitimation verleihen. Daß sie damit tatsächlich dem Kinderschutz dienen, ist höchst fraglich. Sicher ist hingegen, daß sie das gesellschaftliche Klima durch denunziatorischen Eifer und populistische Angstmache vergiften, sachliche Debatten verhindern und die Freiheit der Wissenschaft durch Denkverbote in Frage stellen.
Betreffend C@rechild hielte das whk beispielsweise eine klare Distanzierung des Vizekanzlers Franz Müntefering für geboten, der sich am 9. März 2005 in seiner Funktion als SPD-Vorsitzender ausgerechnet von Protagonisten dieses Vereins über "mögliche Verbesserungen eines umfassenden Schutzes von Kindern vor sexueller Gewalt berichteten" ließ, unter ihnen der erwähnte Vorstand Gabriel Gawlik, der Zitat OLG Düsseldorf "Pädophile mit Schmeißfliegen vergleicht und deren Vernichtung favorisiert".
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