whk0598/29.11.1998
Presseerklärung
Am heutigen Sonntag entscheidet die Gemeinde Quellendorf in Sachsen-Anhalt in einem beispiellosen Akt von Frauen- und Transsexuellenfeindlichkeit darüber, ob eine Transsexuelle dort Bürgermeisterin sein darf. Das whk übergab dem Quellendorfer Gemeinderat aus diesem Anlaß 1.048 Unterschriften für den Verbleib Michaela Lindners im Amt.
Als Norbert Lindner war sie 1995 ins Amt gewählt worden. Ihre im Mai bekannt gewordene Transsexualität löste eine Welle von Haß aus, der sich in anonymen Briefen, Anrufen und Beschimpfungen äußerte. Systematisch wurde Frau Lindner in ihrer politischen Funktion demontiert.
Für das whk zeigt der "Fall Lindner", daß die "gestiegene Toleranz gegenüber sexuellen Minderheiten" und die "Gleichberechtigung" von Mann und Frau gefährliche Illusionen sind: Wird es diesseits von Bildschirmen und Umfragen konkret, bricht sich die dumpfe Volksseele ungehemmt Bahn.
Bewußt am 9. November startete das whk als Wiedergründung der weltweit ersten und von den Nazis verbotenen Homo- und Transsexuellenorganisation eine bundesweite Aktion für Lindner mit dem Ziel, 1.048 Unterschriften zu sammeln exakt so viele, wie Quellendorf Einwohner hat. Heute hat das whk dem Gemeinderat von Quellendorf diese Unterschriften in einer entsprechenden Erklärung übergeben.
Den whk-Aufruf unterschrieben außer der Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages Petra Bläss, der Publizistin Jutta Ditfurth sowie den Bundestagsabgeordneten Christina Schenk und Ulla Jelpke auch eine niederbayerische Schulklasse, die Redaktionen der überregionalen Zeitungen Freitag und Jungle World und der in Weltbühne-Tradition stehenden Zeitschrift Ossietzky. Weiter halfen lesbisch-schwule Rundfunk- und Zeitungsredaktionen in Freiburg, Köln, Duisburg und Leipzig sowie diverse Transsexuellengruppen, Frauen- und Schwulenzentren. Das whk dankt allen, die in Solidarität mit Michaela Lindner seinen Aufruf unterstützten.