whk0405/21.01.2005 Start
Erst jubeln, dann lesen?
whk erstaunt über Applaus des Lesben- und Schwulenverbandes für Antidiskriminierungsgesetz
Mit einer Presseerklärung hat der Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD) das heute vom Bundestag in erster Lesung beratene Antidiskriminierungsgesetz der Koalition abgefeiert. Dazu erklärt das whk:
Die Erklärung des LSVD-Sprechers Philipp Braun legt den Verdacht eingehender Nichtbefassung mit dem tatsächlichen Gesetzestext sowie politischer Naivität nahe. Der Entwurf, behauptet Braun, biete "einen umfassenden Diskriminierungsschutz und wird zum Abbau der Benachteiligung von Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transgendern beitragen". Offenbar sind den traditionell partei- und koalitionsnahen LSVD-Vorständen die Schlupflöcher entgangen, welche die Autoren des Entwurfs genau dort für Diskriminierungen gelassen haben, wo ein Benachteiligungsabbau das Gewinnstreben vor allem großer Unternehmen beeinträchtigt.
Wenn der Homo-Verein "Unverständnis" äußert hinsichtlich der "Kritik von Wirtschaftsverbänden, die das Gesetz als Einschränkung der unternehmerischen Freiheit brandmarken", so ist das leider wörtlich zu nehmen. Der LSVD hat nicht verstanden, daß eine Zurückweisung der "Einschränkung der unternehmerischen Freiheit" keineswegs dasselbe ist, wie "auf einem Recht auf Diskriminierung zu bestehen". Angesichts solcher semantischer Schwächen verwundert auch das fehlende Verständnis dafür nicht, daß Kapitalvertreter exakt ihre Pflicht im Sinne der Erlangung von Maximalprofit tun, wenn sie einen Grundpfeiler des marktwirtschaftlichen Systems verteidigen, nämlich die Vertragsfreiheit. Der LSVD wird sich wohl oder übel entscheiden müssen, ob er nun das kapitalistische System erhalten oder aber Gleichheit durchsetzen will. Beides zusammen geht logischerweise nicht.
Wenn Braun verkündet: "Vor allem im Arbeitsrecht wird das Antidiskriminierungsgesetz besseren Schutz bieten. Künftig ist es ausdrücklich verboten, Arbeitnehmer aufgrund ihrer sexuellen Identität zu benachteiligen. Auch im Bewerbungsverfahren darf es nun keine Diskriminierung mehr geben. Bei Einstellungen sollen allein Qualifikation und Leistung zählen", dann rangiert das hart an der intellektuellen Schmerzgrenze. Dieses Gesetz wird mitnichten die erste und wichtigste Antidiskriminierungs-Forderung der Frauenbewegung, nämlich gleichen Lohn für gleiche Arbeit, befördern. Es wird, im Gegenteil, eher dazu führen, daß Frauen der Zugang zu qualifizierten Arbeitsplätzen erschwert und die sinnvolle Frauenbevorzugung bei Stellenausschreibungen hintertrieben bzw. ausgehebelt wird. Das vom LSVD bejubelte Diskriminierungsverbot gilt nämlich auch für Männer, und wenn es eines nicht brechen wird, dann deren durchs Geschlecht legitimierte Macht.
Ganz schlimm wird es schließlich, wenn der LSVD ausgerechnet Nichtdiskriminierung bei Versicherungsverträgen bejubelt: "Bislang wird schwulen Männern oft pauschal der Abschluß einer privaten Lebens- oder Krankenversicherung verweigert. Damit ist nun Schluß. Das neue Gesetz verbietet künftig eine solche Benachteiligung allein aufgrund der sexuellen Identität." Als hätten die rot-grünen Gesetzentwerfer in § 21 (5) den Unternehmen mit dem Freibrief "versicherungsmathematische Risikobewertung" (sprich: dem Risiko einer Infektion mit sexuell übertragbaren Krankheiten) nicht unverhohlen die Erlaubnis erteilt, schwule Männer beim Versicherungsabschluß zu benachteiligen.
Das whk als in der Lesben- und Schwulenszene entstandene sexualpolitische Assoziation rät dem selbsternannten Marktführer in Sachen Homo-Politik dringend, endlich seine ideologischen Scheuklappen abzulegen, bei Gesetzesvorhaben nicht nur die Überschriften, sondern auch das Kleingedruckte zu lesen und das Ansehen von Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transgendern nicht länger durch Faktenscheu und politischen Opportunismus zu diskreditieren.
Eine eingehendere Kritik des Entwurfs finden Sie in Form der Presseerklärung vom 17. Januar 2005