Die Vorgeschichte des neuen whk
Der Gründung des neuen wissenschaftlich-humanitären komitees gingen verschiedene Ereignisse voraus, die hier, wenn schon nicht vollständig dokumentiert, so doch zumindest eingehender erwähnt werden sollen.
Ausgangslage
Seit Beginn der 90er Jahre war eine spürbare Erlahmung der sogenannten Zweiten Deutschen Schwulenbewegung oder dessen, was davon übrig geblieben war, eingetreten. Der emanzipatorische Grundgedanke war in den Hintergrund gedrängt worden, die Zeichen der Zeit standen besonders nach der Einverleibung der DDR in die BRD und der Paralysierung des verbliebenen linken Restpotentials auch in der Schwulen- und Lesbenszene auf weitgehende Anpassung ans repressive Umfeld. Organisatorischer Ausdruck dessen waren die Genese und der Aufstieg stramm konservativer Homo-Bürgerrechtsvereine wie des (Lesben- und) Schwulenverbandes in Deutschland (LSVD), des Bundesarbeitskreises Schwuler Soldaten (BASS) oder des Völklinger Kreises (VK), des schwulen Klubs der Besserverdienenden. Parallel gingen die letzten verbliebenen eher links orientierten Homo-Gruppen ein, so Anfang der 90er Jahre die Demokratische Lesben- und Schwulen-Initiative (DeLSI) oder 1996 der Bundesverband Homosexualität (BVH). Andere legten jede Aufmüpfigkeit ab und/oder schlossen sich dem (L)SVD an, der letztlich sogar die Gründung einer CDU-Homo-Gruppe (LSU) aktiv unterstützte. Die Schwulenpolitik war im Zuge einer scheinbaren Liberalisierung vom Rand in die Mitte der Gesellschaft geholt, diszipliniert und staatstreu ausgeformt worden. Sie war, nicht zuletzt als Verdienst der nach Regierungsfähigkeit strebenden Bündnis 90/Die Grünen, nun fester Bestandteil der geschlossenen Parteiveranstaltung Deutschland.
Reste von Gesellschaftskritik
Freilich regte sich noch Kritik. Es gab alternative Polit-CSDs in einigen Großstädten. 1997 legte der Hamburger Journalist Werner Hinzpeter seine Streitschrift "Schöne schwule Welt" vor mit der gewagten Grundthese, die Schwulen in Deutschland hätten den Hauptgewinn gezogen, sie wüßten es nur noch nicht. Deshalb sei etwa der Kampf für die Homo-Ehe völlig absurd, diese Institution sei längst überholt. Hinzpeters scharf formulierte, jedoch im Kern bürgerliche Analyse krankte vor allem am völligen Fehlen politökonomischer Grundkenntnisse des Kapitalismus und auch einer feministischen Sichtweise. Parallel arbeitete der Berliner Publizist Eike Stedefeldt an seinem Buch "Schwule Macht" über den Rechtsruck der deutschen Schwulenbewegung nach 1989/90. Seine Recherchen resümierten die Entwicklung der vorangegangenen Dekade unter marxistisch-antipatriarchalem Blickwinkel. Sie veranschaulichten den Status quo und zeigten letztlich auch das politische Vakuum im linken Spektrum der Szene auf.
Beck ab!
Um Stedefeldt sowie das frühere Vorstandsmitglied des BVH und langjährigen Schwulenaktivisten Jürgen Nehm fand sich im Herbst 1997 ein Kreis von zumeist jungen Leuten zusammen, die dem nicht mehr tatenlos zusehen wollten. Sie beschlossen, ein altes, das politische Handeln lähmendes Tabu anzutasten: die Protagonisten des Homo-Konservatismus nicht anonym, sondern auch unmittelbar als solche zu benennen, ihre persönlichen Machtinteressen als Triebkraft einzubeziehen und politisch anzugreifen und damit den Community-Mythos zu entzaubern. Der Zeitpunkt war dafür bestens geeignet, denn der Bundestagswahlkampf 1998 hatte eben begonnen, und einer der Spitzenkräfte der Partei Bündnis 90/Die Grünen schickte sich nach 1990 und 1994 abermals an, als "Musterschwuler der Nation" den Bundestag zu entern. Resultat waren die Gründung und der Aufruf zur Unterstützung der Initiative Beck ab!, die mit einem gegen den Wiedereinzug des Abgeordneten Volker Beck (Köln) in den Deutschen Bundestag mobilisierte.
Wir dokumentieren die zwischen Anfang Oktober 1997 bis Anfang Oktober 1998 entstandene sechsteilige
und empfehlen, die damaligen Erkenntnisse und Prognosen hinsichtlich Herrn Beck mit seiner Politik seit 1998 sowie dem aktuellen Zustand abzugleichen. Es ist wieder Wahljahr, und Beck tritt diesmal auf Platz 4 der NRW-Landesliste zwecks Wiederwahl an.
Bündnis Verkehrte Wahlprüfsteine
Doch es gab noch eine weitere linke Initiative zur Bundestagswahl 1998, das Bündnis Verkehrte Wahlprüfsteine. Solche "Wahlpfrüfsteine" waren in sozialen Bewegungen bis in die späten 80er Jahre hinein üblich, um die Wählbarkeit von Parteien hinsichtlich bestimmter Inhalte zu ermitteln, so auch in der Schwulenszene. Doch auch hier hatte sich im rechten Spektrum der Szene ein neuer Mechanismus herausgebildet: Treue Homo-Parteisoldaten stellten den Fragenkatalog des von ihnen dominierten "unabhängigen" Verbandes nach den Wahlprogrammen ihrer Partei zusammen. Der (L)SVD galt deshalb bereits Mitte der 90er Jahre als Vorfeldorganisation der Grünen und kreierte nun Wahlpfüfsteine, die strikt auf Rot-Grün verwiesen. Das "Bündnis Verkehrte Wahlprüfsteine" durchbrach dies mit einem unabhängigen eigenen Katalog, der das schwul-lesbische Ghetto klar hinter sich ließ. Diesen und die Reaktionen der Parteien darauf dokumentieren wir
hier.