whkSüdbaden0400/18. 10. 2000
Freiburg-Isfahan: Straßenbahn zum Schafott
Zum Beschluß des Freiburger Gemeinderates vom 17. 10. 2000, eine Städtepartnerschaft mit der iranischen Stadt Isfahan einzugehen, erklärt der Sprecher der Regionalgruppe Südbaden des wissenschaftlich-humanitären komitees (whk) Claas Sudbrake:
Als ein "Zeichen unseres Willens nach Frieden und Verständigung mit Ländern [...], die eine schwierige Phase haben", betrachtet der Freiburger OB Rolf Böhme (SPD) die Städtepartnerschaft mit Isfahan. Was Böhme als "schwierige Phase" des Irans verklausuliert, sind auch nach über dreijähriger Amtszeit des "Reformers" Chatami anhaltende massive Verletzungen internationaler Menschenrechtsabkommen. Darüber liefern beispielsweise die folgenden Zitate Auskunft, die einem Buch der AG "Homosexualität" der deutschen Sektion von amnesty international entnommen sind:
"Im Iran gilt Islamisches Recht, wonach Homosexualität eine der Straftaten ist, die gegen den Willen Allahs verstossen. Demnach unterliegen hodoud-Delikte göttlicher Strafe, was hier obligatorisch die Todesstrafe bedeutet. Auch eine lesbische Beziehung kann eine Frau das Leben kosten: Wer viermal der Straftat mosahegeh schuldig gesprochen wird, erhält die Todesstrafe. 108 Peitschenschläge pro Person ist das Strafmass, das bei den ersten drei Schuldsprüchen verhängt wird. Eine lesbische Handlung muss bewiesen werden, und zwar durch das Zeugnis qassameh von 'vier rechtschaffenen Männern, die es gesehen haben mögen'."
"'Für männliche und weibliche Homosexuelle hat der Islam die strengsten Strafen vorgeschrieben. [...] Nachdem auf Basis der Shari'a der Beweis erbracht wurde, sollen sie ihn (oder sie) ergreifen, sie sollen dafür sorgen, dass er stehenbleibt, sie sollen ihn mit einem Schwert entzweispalten, sie sollen ihn enthaupten oder seinen Körper von seinem Kopf abtrennen. [...] Er wird hinfallen. [...] Wenn er tot ist, sollen sie Holz bringen, einen Scheiterhaufen bauen, die Leiche darauf tun, sie in Brand stecken und sie verbrennen, oder sie soll zu einem Berg gebracht und hinuntergeworfen werden. Danach sollen die Leichenteile eingesammelt und verbrannt werden. Oder sie sollen ein Loch graben und ein Feuer in dieser Grube entzünden und ihn bei lebendigem Leibe ins Feuer werfen. Für andere Delikte haben wir solche Strafen nicht.' (Ayatollah Musava-Ardebili, Universität Teheran 1990.)"
"In der südiranischen Stadt Kerman wurde im Juli 1980 ein 38jähriger Ehemann und Vater von sechs Kindern durch Steinigung getötet. Als Gründe wurden Homosexualität und Ehebruch genannt. Allein 1995 wurden im Iran mindestens 50 Personen hingerichtet. Unklar ist, wie viele dieser Hinrichtungen Strafen für Homosexualität waren. Von Mehdi Barazandeh, einem Derwisch und Mystiker, hiess es jedoch im November 1995, er sei in Hamadan wegen Ehebruchs und Sodomie zu Tode gesteinigt worden."
[Alle Zitate aus: "Das Schweigen brechen. Menschenrechtsverletzungen aufgrund sexueller Orientierung", Hrsg. W. Dinkelberg, E. Gundermann, K. Hanenkamp, C. Koltzenburg, Querverlag Berlin 1999.]
Auch in Isfahan, "einer der schönsten Städte des Orients" (CDU-Stadtrat Conrad Schröder), finden regelmässig öffentliche Hinrichtungen statt. Zu diesen, wenn es nach dem Willen des Freiburger Gemeinderates mitsamt seines wirtschaftsstarken Appendix geht, können Isfahanis dann auch schon bald mit einer Freiburger Straßenbahn fahren, möglicherweise sogar mit einer solarbetriebenen. Da hilft Freiburg gern und rühmt sich seiner Vorreiterstellung als erste deutsche Stadt mit einer iranischen Partnerschaft. Ein Pilotprojekt ist das ganz gewiß: So dumm, sämtliche Menschenrechtsorganisationen mit Füssen zu treten, war bis jetzt noch keine andere deutsche Stadt.
Glaubt der Gemeinderat in seiner Hybris ernsthaft, durch eine Städtepartnerschaft auf kommunaler Ebene in einen "kritischen Dialog" eintreten zu können, an dessen Ende die Reform des Islamischen Strafrechts steht? Nachdem die Menschenrechtssituation bei der Sitzung nur eine untergeordnete, nie aber entscheidende Rolle gespielt hat, ist allerdings fraglich, ob der Gemeinderat daran überhaupt interessiert ist. Wer ausschliesslich wirtschaftliche Interessen, und das geplante Besuchsprogramm der Delegation aus Isfahan ist ein Beleg dafür, zum Maßstab des Handelns macht und diesen sämtliche ethischen Grundsätze zum Frass vorwirft, verdient nichts als unsere Verachtung.
Das whk fordert deshalb die Stadt Freiburg und ihren Gemeinderat auf, ihre Entscheidung zu revidieren, die Kontakte zu Isfahan unverzüglich und kompromisslos abzubrechen, und stattdessen darauf hinzuwirken, dass Iranerinnen und Iranern, die vor dem menschenfeindlichen System geflohen sind, ein dauerhaftes Bleiberecht garantiert wird.
Darin läge dann auch für die Gemeinderäte eine echte Chance, "eine differenziertere Anschauung des Irans" (Junges Freiburg/Grüne-Stadträtin Maria Viethen) zu bekommen, und zwar direkt vor der eigenen Haustür eine Städtepartnerschaft ist dazu nicht notwendig. Und wer den Austauch mit fremden Kulturen wirklich will, dem schlägt das whk vor, sich zur Abwechslung einfach mal mit seinen ausländischen Mitbürgern und Mitbürgerinnen auseinanderzusetzen.