whkSüdbaden0300/19. 07. 2000
Rechte Hetze via Post und Presse
Am Samstag, den 15.7.2000, fand auf dem Freiburger Augustinerplatz eine Kundgebung der religiös-fundamentalistischen "Christliche Mitte für ein Deutschland nach Gottes Geboten" statt. Drei Tage zuvor ließen diese ein Hetzblatt übelsten Inhalts an die Freiburger Haushalte zustellen. In dem "NEIN zur Homosexualität" betitelten Flugblatt werden Homosexuelle u.a. als minderwertig, krank und nicht tolerierbar eingestuft. Es wird indirekt zur Aktion gegen diese Bevölkerungsgruppe aufgerufen.
Trotz des Protestes einzelner Mitarbeiter ließen die Verantwortlichen der Deutschen Post AG das Pamphlet inhaltlich für unbedenklich erklären und ordneten dessen Verteilung als offene Wurfsendung an. Gegen die Hersteller des Flugblattes sind mehrere Strafanzeigen wegen Volksverhetzung gestellt auch bereits hier in Freiburg.
Fast zeitgleich schaltete der Freiburger Stadtkurier eine ganzseitige Anzeige "Die Wahrheit über das Sudelstück" in der gleichfalls neben antihomosexueller Stimmungsmache auch wieder für die Teilnahme an der Kundgebung s.o. der 'Christlichen Mitte' geworben wurde. Für das Pamphlet zeichnete diesmal die Führerriege einer Organisation "Die Konservativen e.V." verantwortlich und stellte sich unverfroren selbstbewußt mit Foto und Namen zur Schau. Es sind außer Aktivisten der christlichen Mitte bundesweit bekannte Personen aus dem extrem rechten Spektrum dabei.
In beiden Fällen ist für uns, die Unterzeichnenden, die Grenze der Zumutbarkeit eindeutig überschritten.
Wir fordern die Deutsche Post AG auf, sich bei den FreiburgerInnen für die Verletzung ihrer BürgerInnenrechte durch die Werbung für faschistoide Inhalte zu entschuldigen. Wir fordern sie weiter dazu auf, die Androhung arbeitsrechtlicher Schritte gegen diejenigen MitarbeiterInnen wieder aufzuheben, die sich der Anordnung zur Verteilung der Hetzblätter widersetzten. Wir bestehen darauf, daß das Ansehen der betroffenen MitarbeiterInnen eine völlige Rehabilitierung erfährt. Es kann nicht angehen, daß Zivilcourage mit Strafen geahndet wird. Das Bestehen auf Ordnungsformalismus in Verbindung mit Obrigkeitshörigkeit hat in der deutschen Geschichte schon mehr als einmal bewirkt, daß Widerstand gegen rechtsextreme Übergriffe im Keim erstickt wurde.
Wir fordern die Freiburger Bürgerschaft auf, den Freiburger Stadtkurier so lange zu boykottieren, bis mindestens eine öffentliche Entschuldigung der verantwortlichen Macher an die Adresse der betroffenen Minderheiten ergangen ist.
Wir apellieren an die Freiburger Medien, rechtsextremer und volksverhetzender Propaganda keinen Raum zu geben. Wir fordern darüber hinaus dazu auf, die öffentliche Meinung nicht gegen den "linken" Widerstand zu lenken, während gleichzeitig die Bedrohung von rechts wächst. Es ist offensichtlich, daß eine extreme Rechte nun auch hier in Freiburg den Versuch unternimmt, eine durch Kirchen und konservative Politiker bereitete minderheitenfeindliche Stimmung innerhalb eines Teiles der Bürgerschaft auszunutzen und den Konflikt um das Theaterstück 'Corpus Christi' für seine Zwecke zu instrumentalisieren.
Uli Geusen
Im Auftrag von Rosa Hilfe Freiburg e.V., AIDS- Hilfe Freiburg e.V. und Wissenschaftlich-humanitäres Komitee (whk) Regionalgruppe SüdbadenZur Kenntnisnahme an: die Fraktionen im Freiburger Rathaus, die Freiburger schwulen, lesbischen, transsexuellen Gruppen und Organsiationen, die UnterzeichnerInnen der Tübinger-Freiburger Resolution zum Konflikt um 'Corpus Christi'