whk3005/13.08.2005
Stadt Düsseldorf: Kampf gegen "offen onanierende Personengruppen" und "Oralsex" geht weiter
Ordnungsamt will Kontrollen auf öffentlichen Toiletten und im Hofgarten aus "Sicherheitsgründen" fortsetzen / Stadtverwaltung charakterisiert traditionelle Homosexuellentreffpunkte als "nicht legal" und "störend"
In einem Schreiben an die whk-Zeitschrift "Gigi" rechtfertigt die Düsseldorfer Stadtveraltung Kontrollen des städtischen Ordnungs- und Servicedienstes (OSD) an traditionellen Schwulentreffpunkten und Bußgelder für schwulen Sex als notwendig. Hierzu erklärt das whk:
Die Düsseldorfer Stadtverwaltung sieht traditionelle Schwulentreffpunkte im Stadtzentrum als "nicht legal" und "störend" an und will deshalb auch weiterhin mit Kontrollen gegen sie vorgehen. Dies geht aus einem Brief der Stadtverwaltung an die whk-Zeitschrift Gigi hervor, der der AG Schwulenpolitik des whk vorliegt. In dem zweiseitigen Antwortschreiben auf eine entsprechene Gigi-Anfrage vom Jahresbeginn heißt es, die Kontrollen des städtischen Ordnungs- und Servicedienstes (OSD) seien aus Gründen der Sauberkeit und des Jugendschutzes notwendig. So habe der OSD bei seinen Kontrollen auf öffentlichen Toiletten unter anderem "zweckwidrige Nutzungen" wie "die für jedermann wahrnehmbare Vorname sexueller Handlungen an sich oder anderen Personen" festgestellt. Aufgrund "entsprechend festgestellter Verstöße" seien daher bis Ende Mai 2005 insgesamt 125 Bußgeldverfahren eingeleitet worden.
Wegen der ungewöhnlich saftigen "Klappenknöllchen" in Höhe von mehr als 250 Euro und dem Einsatz städtischer Beamter an Schwulentreffpunkten war die Stadt in der letzten Zeit wiederholt in die Kritik vin Medien und Schwulengruppen geraten. Für Unruhe hatte in der Schwulenszene gesorgt, daß die Stadtverwaltung einem privaten Fernsehsender erlaubte, die Toilettenkontrollen für eine Doku-Soap zu filmen. In der schließlich ausgetrahlten Sendung war zu sehen, zwei OSD-Beamte die seit Jahrzehnten für anonymen schwulen Sex genutzte Toilettenanlage am Graf-Adolf-Platz erst verdeckt beobachteten und dann mit homophoben Sprüchen zum Einsatz schritten. Dabei wurde dem Fersehpublikum minutenlang auch ein bei der ahnungslosen Anmache des OSD-Beamten "ertappter" Mann vorgeführt, dem die OSD-Beamten mit siegreicher Geste einen Bußgeldbescheid ausstellten. Das whk hatte die skandalösen OSD-Aktionen vor zwei Jahren öffentlich gemacht. (vgl. Pressemitteilung des whk vom 20. Juni 2003)
Wie der Leiter des Düsseldorfer Presseamtes, Kai Schuhmacher, der Gigi-Redaktion mit Schreiben vom 31. Mai 2005 mitteilt, würden "aus leider gegebenem Anlaß" neben "Straßen und Anlagen" auch öffentliche Toilettenalagen "regelmäßig von den Mitarbeitern des ODS überprüft". Grund dafür seien Beschwerden von Bürgerinnen, die sich "in ihrer Sicherheit bedroht" fühlten. Nutzern von öffentlichen Toiletten sei "weder die unfreiwillige Teilhabe (sic! whk) an Drogenmißbrauch noch der Anblick von offen onanierenden oder Oralsex betreibenden Personen oder gar Personengruppen zuzumuten". Mit "diesen Handlungen" seien "zum Teil massive Verschmutzungen der Anlagen verbunden ... Blutspritzer, Blutlachen, hinterlassenes Spritzbesteck, gebrauchte Präservative und Spermarückstände auf WC-Sitzen, Türen, Wänden und den Böden" machten "die zweckmäßige Nutzung dieser Anlagen zu einem äußerst unerfreulichen 'Erlebnis'", so die Stadtverwaltung.
Weiter heißt es in dem Schreiben: "In diesem Zusammenhang ist insbesondere zu beachten, daß sich ein Großteil der unbedarften Nutzer von öffentlichen Toilettenanlagen aus Besuchern und Gästen unserer Stadt rekrutiert, die sich in Düsseldorf wohl und sicher fühlen wollen. Diesem Ziel steht allerdings gegenüber, daß selbst Angehörige von Randgruppen (wer auch immer damit gemeint sein soll whk) und ertappte Wildpinkler (gemeint sind Personen, die "wild" in die Botanik oder an Hauswände pinkeln whk) darüber beklagen, daß zahlreiche Toilettenanlagen wegen dieser Störungen nicht mehr genutzt werden können." Die Kontrollen seien "darüber hinaus auch aus Gründen des Jugendschutzes notwendig, da auch minderjährige Personen auch ohne Begleitung von Erziehungsberechtigten die Einrichtungen ungestört nutzen sollen".
Demnach geht die Stadtverwaltung ernsthaft davon aus, daß Homosexuelle auf den öffentlichen Toiletten Düsseldorfs aus purer Geilheit nicht nur Beamte des OSD, sondern sogar Kinder anfallen. Das whk verwahrt sich schärfstens gegen jegliche Unterstellung, die lustvollen anonymen Sex zwischen Männern in die Nähe von Kindesmißbrauch oder anderen Sexualstraftaten rückt. Das whk rät den OSD-Chefs dringend, vor weiteren Toilettenkontrollen unbedingt Laud Humphreys bahnbrechende soziologische Studie "Klappen-Sexualität. Homosexuelle Kontakte in der Öffentlichkeit" von 1974 zu lesen, in der seit über 30 Jahren alles steht, was hetero- wie homosexuelle Experten über schwulen Sex auf öffentlichen Toiletten wissen müssen. Ein bißchen Fachwissen kann auch den OSD-Beamten nicht schaden, bevor sie auf die Pirsch gehen.
Bedenklich erscheint dem whk, daß die Stadt Düsseldorf offenbar nicht bereit ist, zum Teil seit mehr als hundert Jahren bestehende und in bei männerliebenden Männern bis heute äußerst beliebten Sextreffpunkte als großstädtische Realität und Ausdruck urbaner Lebenskultur anzuerkennen. Als sei ihr Name Programm, läßt die Stadt in ihrem Schreiben wissen: "Es mag zutreffen, daß sich einige öffentliche Toilettenanlagen oder Parkanlagen wie der Hofgarten in der Vergangenheit als Treffpunkte der Homosexuellenszene entwickelt haben und von diesem Personenkreis vermehrt frequentiert werden. Diese Entwicklung kann aber im Interesse der Allgemeinheit weder die Legalisierung der beschriebenen störenden Verhaltensweisen noch eine faktische Einschränkung der ordnungsbehördlich notwendigen Kontrollen zur Folge haben. Die eingesetzten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des OSD nehmen ihre Kontrollaufgaben ... sowohl in Dienstkleidung als auch in zivil und unabhängig von Kontrollen durch die Polizei (!) wahr. Es besteht hier weder ein reichtlicher noch ein sonstiger nachvollziehbarer Anlaß, die z.T. zivil durchgeführten Kontrollen der Toilettenanlagen in Frage zu stellen.""
Das whk macht die Verwaltung der nordrhein-westfälischen Landeshauptstadt darauf aufmerksam, daß weder Schwulentreffpunkte noch homosexueller Sex einer "Legalisierung" bedürfen, da bislang weder das eine noch das andere illegal ist. Nach Ansicht des whk wäre es schön, wenn Düsseldorf als weltoffene Kommune in Zukunft wieder ein etwas entspannteres Verhältnis zu Fragen dieser Art an den Tag legen könnte. Schwulentreffpunkte gibt es in jeder größeren Metropole auf diesem Planeten. Möglicherweise kommen Besucher und Gäste gerade wegen solcher gutfrequentierten Örtlichkeiten, der dort stattfindenen "Verhaltensweisen" oder noch ganz anderer erotischer Highlights nach Düsseldorf.
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