whk2805/05.08.2005
Thüringen: Nur ein Homo gespeichert?
In der "Rosa Listen"-Affäre sperrt das Landesinnenministerium nun seine angeblich gar nicht vorhandene Homodatei / PDS-Franktion erkundigt sich auf Anregung des whk nach dem Verbleib der Homosexuellenkartei aus DDR-Zeiten
In der Berliner Zeitung vom heutigen Freitag kündigt Thüringens Innenministerium an, daß das Personenmerkmal "homosexuell" künftig in der Polizeidatenbank nicht mehr erfaßt werde. Hierzu erklärt das wissenschaftlich-humanitäre komitee (whk):
Die Verlautbarungen des Thüringer Innenministeriums in der "Rosa Listen"-Affäre bleiben in sich widersprüchlich. Während das Innenministerium noch Anfang Juni im Erfurter Landtag erklärte, in Thüringen gebe es keine Homosexuellendateien bei der Polizei, da das Personenmerkmal "homosexuell" oder entsprechende "Tatorte" in der Vergangenheit "nicht erfaßt" worden seien, kündigt die Behörde nun an, eine solche Speicherung solle ab sofort nicht mehr erfolgen. Dazu, so das Innenministerium gegenüber der "Berliner Zeitung" von heutigen Freitag, seien die entsprechenden Schlagworte im Polizeicomputer gesperrt worden.
Wie die "Berliner Zeitung" schreibt, habe Thürnigens Innenminister Karl Heinz Gasser (CDU) mit dem Maßnahmen "erste Konsequenzen" aus der Affäre gezogen immerhin fast drei Monate, nachdem die "Vereingung lesbischer und schwuler Polizeibediensteter" (VelsPol) die Homosexuellenregister aufgedeckt hatte.
Erstaunlich ist, daß das Innemninsterium mehrere Wochen benötigte, um durch einen einfachen Mausklick herauszufinden, daß bei der Landespolizei entgegen der damaligen Stellungnahme im Landtag nun offenbar doch zumindest eine Person als homosexuell erfaßt worden war. Völlig unklar ist für das whk, ob die Landesdatenschutzbehörde den Löschungsvorgang überwacht hat und ob die betreffende Person über die amtliche Löschung ihrer Daten informiert wurde. Das whk fordert die Thüringer Landesdatenschutzbehörde auf, die EDV-Systeme der Polizei umgehend auf die Löschung der Daten bzw. auf die Sperrung entsprechender Eingabemöglichkeiten hin zu überprüfen und einen diesbezüglichen Bericht vozulegen.
Noch im Juni hatte das Innenministerium in Sachen "Rosa Listen" erklärt: "Bei einem aktuellen Bestand von ca. 2,5 Mio. Vorgängen findet sich aktuell kein Vorgang, bei dem der Schlüssel 901 'Aufenthalt von Homosexuellen vergeben wurde ... Eine Speicherung von Angaben zu sexuellen Orientierungen von Personen findet nicht statt." (vgl. Pressemitteilung des whk vom 1. August 2005). Gegenüber der "Berliner Zeitung" gibt das Innenminsterium jetzt allerdings zu, die "kritisierten Schlagworte" hätten "kaum Anwendung gefunden". Es wäre interessant zu erfahren, welche zahlenmäßige Größenordnung das Innenministerium angesichts von 2,5 Mio. Vorgängen in der Polizeidatenbank mit dem Begriff "kaum" verbindet.
Unklar ist nach dem Bericht der "Berliner Zeitung", ob Thüringens Innenminister Karl Heinz Gasser (CDU) lediglich die einen Tatort beschreibende Schlüsselnummer 901 ("Aufenthalt von Homosexuellen") in der Polizeidatenbank gesperrt hat, oder ob die Sperrung auch für die Register gilt, in denen das Merkmal "Homosexueller" bzw. "Lesbierin" den Personalien von Tatverdächtigen, Opfern und Zeugen direkt zugewiesen werden kann. Auf der Internetseite des Innenministeriums fand sich dazu bis heute Mittag keine Pressemitteilung, die umfassend Auskunft gegeben hätte. Die "Berliner Zeitung" erinnert in ihrem Bericht unterdessen noch einmal daran, daß die Ermittler "mit dem Kürzel 'omosex' auch zu den Dateien gespeicherter Homosexueller gelangen" konnten. Darüber hinaus sei "in dem dazugehörigen Schreibprogramm Homosexuellen eine Täterrolle zugeschrieben" worden.
Unabhängig von den jetzigen Stellungnahmen des Innenministeriums wird sich das whk in Ostdeutschland weiter um parlamentarische Initiativen bemühen, die den Verbleib der Homosexuellenkarteien aus DDR-Zeiten aufzuklären helfen. Auf Anregung des whk hat die die PDS-Fraktion im Thüringer Landtag heute bei der Landesregierung eine parlamentarische Anfrage eingereicht, in der sie Auskunft darüber verlangt, "wo die die so genannten 'Rosa-Listen' aus DDR-Zeiten verblieben" sind. Weiter fragt die PDS-Fraktion die Erfurter Regierung, ob "es auszuschließen" sei, "daß sich in derzeitigen Datenbeständen der Polizei Thüringen, Datenbestände aus DDR-Zeiten, in denen das Personenmerkmal homosexuell zur Erfassung führte, befinden". Falls es "einen entsprechenden Datenbestand geben" sollte, will die PDS wissen, ob "mit der Löschung zu rechnen" sei "und wenn ja, wann".
Das whk wird die Entwicklungen weiter aufmerksam verfolgen.
Rückfragen: 0180/4444945