whk1802/19.12.2002
Rot-Rot deckt Verhöhnung von Nazi-Opfern
whk: Berliner Senat und Bezirk bringen Projekt "Stolpersteine" in Verruf
Am 6. April 2002 teilte das whk der Leiterin des Heimatmuseums Friedrichshain-Kreuzberg mit, es wolle die Patenschaft für einen Stolperstein zum Gedenken an ein Opfer des § 175 RStGB übernehmen. Dieser Stein konnte aufgrund des respektlosen Verwaltungshandelns bis heute nicht eingeweiht werden. Hierzu erklärt die Regionalgruppe Berlin des whk:
Im Projekt "Stolpersteine" des Kölner Künstlers Gunter Demnig werden vor den letzten Wohnadressen deportierter und ermordeter NS-Opfer Messingplatten mit deren Lebensdaten in den Gehweg eingelassen. Noch im April behauptete die Museumsleiterin Heike Naumann, es seien keine Adressen von homosexuellen Opfern bekannt; diese müßten erst recherchiert werden. Tatsächlich hatte aber bereits geraume Zeit zuvor das Schwule Museum Berlin dem Heimatmuseum eine ganze Liste mit Namen und Adressen zur Verfügung gestellt. Damit konfrontiert, erklärte Frau Naumann, jene Listen seien unvollständig bzw. nicht auf dem neu-esten Forschungsstand und müßten durch die ABM-Kraft Jens Dobler erst nachrecherchiert werden. Dennoch lieferte sie mit gleicher Post Angaben zu einem homosexuellen "Opfer", dessen Personalie es jedoch gleichzeitig als Täter entlarvte: Fritz Dubinski war Wachmann in einem Zwangsarbeiterlager im Grunewald gewesen. Auf diesen Skandal angesprochen, räumte Naumann ein, die Zuarbeit des Nicht-Historikers Dobler also der zwecks "neuestem Forschungsstand" eingestellten ABM-Kraft nicht geprüft zu haben.
Erst auf Nachfrage wurde dem whk Mitte Mai eine weitere Opfer-Personalie vorgelegt. Das whk ließ sie von einem sachkundigen Historiker in Hannover prüfen und erteilte daraufhin Mitte Juni den Auftrag zur Anferti-gung des Stolpersteins für Richard Miersch. Nach monatelangem Stillschweigen sah sich das whk Mitte Sep-tember gezwungen, abermals den Sachstand zu erfragen und erfuhr zu seinem Entsetzen, daß der Stolper-stein längst gesetzt worden war absprachewidrig in Abwesenheit seines Stifters.
Um diesem unwürdigen Treiben ein Ende zu bereiten, reichte das whk über Kultursenator Dr. Thomas Flierl (PDS) Dienst- und Fachaufsichtsbeschwerde gegen die Museumsleiterin ein. In ihrer Reaktion verniedlichte die zuständige Bürgermeisterin des Bezirks Friedrichshain-Kreuzberg, Cornelia Reinauer (PDS), den Skandal und deckte mit Begriffen wie "Irritationen" und "Mißverständnissen" die Inkompetenz der ihr unterstehenden Kräfte Naumann und Dobler. Dreist bagatellisierte sie die Tatsache, daß dem whk ein Nazitäter als Naziopfer untergejubelt werden sollte, als "nicht unumstrittenen Vorschlag". Die darauf erfolgte Einreichung einer Dienstaufsichtsbeschwerde gegen Reinauer beim nach Selbstdarstellung schwulen Regierenden Bürgermeister von Berlin, Klaus Wowereit (SPD), erbrachte trotz angemessener Fristsetzung bisher keine akzeptable Klärung, geschweige denn personelle Konsequenzen.
Für das whk illustriert der fortgesetzte Affront der Friedrichshain-Kreuzberger Bezirks- und der Berliner Lan-desregierung auf erschreckende Weise die Geschichtsvergessenheit beim Rechtsnachfolger des "Dritten Reiches" und die mangelnde Sensibilität gegenüber seinen NS-Opfern. Das whk distanziert sich nicht vom Gedenken an Richard Miersch und wird seinen Gedenkstein zu gegebener Zeit selbst einweihen. Es distanziert sich jedoch ausdrücklich von jenen, die den Ruf des Projekts "Stolpersteine" derart leichtfertig beschädigten. Wer sich ernsthaft dem Andenken der NS-Opfer verpflichtet fühlt, sollte sich besser seriöse Partner suchen.