whk1405/01.04.2005
ADG: "Minderheiten zementiert"
PDS-Homos schließen sich der Kritik des whk am ADG-Entwurf an / AG "queer" der PDS sieht "Fallstricke" und befürchtet "Verschlechterungen" für Lesben und Schwule
In einem redaktionellen Beitrag für das Oldenburger Szenemagazin "Rosige Zeiten" unterzieht der Sprecher der PDS-AG "queer", Ralf Buchterkirchen, den Entwurf für das geplante Antidiskriminierungsgesetz einer umfassenden Kritik. Hierzu erklärt das wissenschaftlich-humanitäre komitee (whk):
Nach reichlicher Bedenkzeit hat sich nun auch die Bundesarbeitsgemeinschaft "queer" der PDS der Kritik des whk an den vorliegenden Entwürfen für ein Antidiskriminierungsgesetz (ADG) in weiten Teilen angeschlossen. Dies geht aus einem längeren redaktionellen Beitrag hervor, den der AG-queer-Sprecher Ralf Buchterkirchen in der April-Ausgabe des nicht-kommerziellen Oldenburger Magazins "Rosige Zeiten" veröffentlicht. (Nr. 94, April/Mai 2005, S. 38f.)
In dem Beitrag "zum Stand der Antidiskriminierungsgesetzgebung des Bundes" unterzieht Buchterkirchen den vorliegenden Gesetzentwurf einer umfassenden Kritik. So erklärt der Sprecher der PDS-Homos: "Das Gesetz wird nichts bringen, eher sind noch Verschlechterungen zu erwarten." Das geplante Gesetz sei nichts als ein "zahnloser Tiger". Zudem verschleiere die derzeitige Debatte um das ADG "die wirklichen Knackpunkte" des Entwurfs.
Als "Fallstricke", die sich im rot-grünen Koalitionsentwurf des ADG "bei genauerem Hinsehen" fänden, nennt Buchterkirchen unter anderem die Beweislastverschiebung, die beispielsweise bei einer Klage gegen homophobes Mobbing am Arbeitsplatz wirkungslos sei: "Wer selber Mobbingopfer war, weiß, wie subtil und versteckt Mobbing abläuft und wie schwierig es ist, Mobbing sichtbar und greifbar zu machen."
Hart geht der PDS-Homosprecher mit der regierenden SPD ins Gericht. So habe, schreibt Buchterkirchen, ausgerechnet die Feststellung des ehemaligen SPD-Generalsekretärs Olaf Scholz, mit dem ADG sei eine Klagewelle nicht zu befürchten, den schlagenden Beweis für die Unwirksamkeit des ADG geliefert. Scholz habe sich, so Buchterkirchen, bei der Debatte des Koalitionsentwurfs im Bundestag damit gebrüstet, seit dem Jahr 2001 seien lediglich vier juristische Klagen von Frauen und Männern, die am Arbeitsplatz diskriminiert wurden, erfolgreich gewesen. "Unter diesem Blickwinkel", resümiert Buchterkirchen, "bekommt das ADG eine ganz andere Bedeutung."
Der Sprecher der PDS-Queers befürchtet in seinem Beitrag, durch das ADG würden "Minderheiten zementiert" und Diskriminierung erst "in Gesetzesform gegossen", anstatt Benachteiligungen aufzuheben, womit er den Tenor des whk in der Bewertung des Gesetzentwurfs aufgreift. Zwar betont Buchterkirchen im Unterschied zum whk, ein "wirksames" ADG "im Rahmen des vorhandenen gesellschaftlichen Systems" könne Lesben und Schwulen möglicherweise helfen, Diskriminierungen abzubauen. Mit dem vorliegenden ADG-Entwurf würden indes neue Benachteiligungen erst aufgebaut. Als ein Beispiel für "Verschlechterungen", die erst durch das ADG zustände kämen, nennt Buchterkirchen den Paragraphen 21 des Entwurfs, der es Versicherungen "erstmals ausdrücklich erlaubt, bei unterschiedlicher Gefahrenprognose' Menschen unterschiedlich zu behandeln." Ein weiterer Kritikpunkt seinen "die durchgehend schwammigen Formulierungen, die breiten Spielraum für Auslegungen lassen".
Mit seiner Einschätzung folgt Buchterkirchen in wesentlichen Details der Kritik, die das whk seit Jahresanfang bereits mehrfach und zuletzt in einem Schwerpunkt seines sexualpolitischen Magazins "Gigi" öffentlich geäußert hat. Nach Ansicht des whk grenzt es fast an ein verspätetes Osterwunder, daß bei den Lesben und Schwulen in der PDS offenbar doch noch Reste sexualemanzipatorischer Politik vorhanden sind.
Das whk empfiehlt dem Sprecher der AG queer der PDS, seine Erkenntnisse nun rasch bei der Parteispitze und vor allem bei den beiden PDS-Abgeordneten im Bundestag vorzutragen. Letztere scheinen nämlich von der ablehnenden Haltung ihrer rosa Genossen zum ADG-Entwurf noch nicht das geringste mitbekommen zu haben und pflegen dort Elogen auf verkappte Diskriminierungsgesetze fleißig zu applaudieren.
Rückfragen: 0162-6673642 (Dirk Ruder)