whk1303/29.06.2003
Gestern in Köln: CSD-Parade "queer, links und unkommerziell"
Alternativer CSD Kölns mit großer Beteiligung/ whk-Sprecher Dirk Ruder nennt schwulen TAZ-Redakteur Jan Feddersen in seiner Grußrede einen "gewohnheitsmäßigen Rassisten"Unter reger Beteiligung aus der Szene fand gestern in Köln die CSD-Demonstration des linken Bündnisses "queergestellt" statt. Zu der Veranstaltung unter dem Motto "Für eine freie Wahl der Lebensformen" hatten die OrganisatorInnen auch den whk-Sprecher Dirk Ruder zu einem Redebeitrag eingeladen. Hierzu erklärt das whk Rheinland:
Die Parade war seit langem mal wieder "eine richtig nette Homo-Demo". Diese Ansicht vertraten einhellig Teilnehmer, Teilnehmerinnen und Medienbeobachter nach der gestrigen CSD-Parade des linken Kölner Bündnisses "queergestellt". Zum ersten Mal hatte das Bündnis unter der Devise "Selber machen!" zu einer eigenen Demo aufgerufen, die vor allem "queer, links und unkommerziell" sein sollte.
Gegen 14 Uhr hatten sich unter Aufsicht einer Hundertschaft der Kölner Polizei etwa 2.000 Leute aus dem gesamten sexualpolitischen Spektrum zur Auftaktkundgebung auf dem Heumarkt versammelt. Mit selbstgestalteten Transparenten wie "Keine Sondergesetze für Lesben und Schwule!" oder "Nieder mit dem Monogamie-Diktat" sowie sechs Paradewagen zog die bunte Demonstration durch die schwule Shoppingmeile im Belgischen Viertel, wo sie von zahlreichen überraschten Passanten freundlich beklatscht wurde. Mit einem eigenen Wagen waren etwa das traditionsreiche lesbisch-schwule "Café Rosa Mond" aus Düsseldorf vertreten, aus Köln nahmen das feministisch-antirassistische Lesbenprojekt "Kitschburg" und der schwule Sexclub "Deck 5" teil.
Begeleitet von türkischer Pop-Musik endete der Zug gegen 16 Uhr am Neptunplatz im Arbeiterstadtteil Ehrenfeld, wo die Organisatoren mit einem kleinen Kulturprogramm für einen "schönen Nachmittag" sorgten. Mit Redebeiträgen äußerten sich Aktivisten aus der Antiglobalisierungsbewegung, vor allem jedoch Vertreterinnen aus Frauen- und Lesbenzusammenhängen. Der erste männliche Redner auf der Abschlußkundgebung war auf Wunsch der OrganisatorInnen Dirk Ruder vom whk Rheinland. Ruder führte aus, was einen kommerziellen CSD von einem linken unterscheidet. Dies seien vor allem repressive Politikkonzepte, die der "Normalisierung" und "Integration" sexueller Abweichler dienten. "Wir sind heute hier, weil wir uns nicht durch die Normalisierungsmangel drehen lassen wollen, sondern will wir auf unserem Recht bestehen, anders zu sein!"
Ausführlich ging der whk-Sprecher auf die in der Szene kaum bemerkte Verschärfung des Sexualstrafrechts unter Rot-Grün ein. "Kümmert Euch um diese Gesetze und bekämpft sie, wann immer und wo immer ihr könnt", rief Ruder und grüßte von der Demo aus jene Mitstreiter für die Abschaffung des Sexualstrafrechts, die wegen einvernehmlicher und beidseitig gewollter homosexueller Kontakte als vermeintliche Kinderschänder in den Knast gekommen seien. Es gehöre zum schwulen Selbstverständnis, daß man sich mit ihnen solidarisiere
Im Zusammenhang mit dem Christopher Street Day wandte sich Ruder gegen eine linke Legendenbildung und plädierte für einen unverstellten Blick in die Geschichte. Lange bevor Transen und Schwule sich gegen Polizeiwillkür in der Kneipenszene wehrten, seien es Frauenrechtlerinnen wie die Londoner Suffragetten gewesen, die sich organisiert und für ihre Rechte gekämpft hätten. Diese Vorkämpferinnen der sexuellen Befreiung würden schwule Männer oft und gern unterschlagen.
Kritisch äußerte sich der Vertreter des whk Rheinlands zu der Frage, ob ein linker CSD sich selbst als "queer" bezeichnen müsse. "Es gab hier in Köln einmal eine Homo-Zeitung, die Queer hieß, und die stand politisch für alles andere als das, wofür die meisten von uns heute hier stehen", gab er zu bedenken. Queer sei ein Begriff, der "alles behauptet und nichts meint". Queer stehe nicht für Individualität, Widerspruch und "Selber machen!", sondern für Anpassung, Einkaufen und "Ich-bin-wie-du!", so Ruder. Deshalb solle man ihn "getrost denen überlassen, die ihn erfunden haben: den schwulen Bürgerrechtlern und ihrer komischen 'queeren' Politik."
Scharf griff Ruder rechte Propagandisten des kommerziellen CSDs an. So habe der schwule TAZ-Redakteur Jan Feddersen im offiziellen CSD-Programmheft Homosexuelle zur "Normalisierung" aufgerufen und die uneinsichtigen Kämpfer für eine staatlich unreglementierte Sexualität als "sexuelle Freischärler" bezeichnet. "Freischärler sind Freiwillenverbände in einem Krieg, jene, die auf dem Schlachtfeld die Drecksarbeit erledigen, die überzeugter morden, effektiver plündern und hemmungsloser vergewaltigen", erklärte Ruder. Damit hätten ausgerechnet schwule Bürgerrechtler ihre linken Kritiker mit "Hobbymördern" auf eine Stufe gestellt.
Da Feddersen im Zusammenhang mit der Homosexuellendiskriminierung in Ländern der sogenannten Dritten Welt auch vom "arabischen Mob" gesprochen habe, meinte Ruder, Feddersen habe "wohl nichts dagegen, wenn man ihn einen gewohnheitsmäßigen Rassisten nennt". Der Journalist habe sein schwules Coming out damit "gründlich vergeigt", und Leute wie ihn wolle man "nicht einmal im Darkroom treffen".
Das whk Rheinland beglückwünscht das Bündnis "queergestellt" zu seinem großartigen organisatorischen Erfolg und hofft auf eine Fortsetzung in den kommenden Jahren. Entgegen der Meinung vieler Kritiker hat die Demo gezeigt, daß es für Linke durchaus kein Kunststück ist, Politik und Lebensfreude zusammenzubringen. Dieses politische Ereignis hatte Geist, Witz und vor allem Charme.
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