whk1205/26.03.2005
Endlich salonfähig: NPD-Kader beruft sich auf Schwules Überfalltelefon Berlin
Nazi bezeichnet rassistische Statistiken des senatsgeförderten Anti-Gewalt-Projekts MANEO in Praunheims Doku "Männer, Helden und schwule Nazis" als "aufklärend"
In dem Ende Februar auf der Berlinale angelaufenen Dokumentarfilm "Männer, Helden und schwule Nazis" bezieht sich der Dresdner NPD-Mann Alexander Schlesinger zustimmend auf die umstrittenen Statistiken des Schwulen Überfalltelefons "Maneo" in Berlin. Hierzu erklärt das wissenschaftlich-humanitäre komitee (whk):
Die zustimmenden Äußerungen des Dresdner NPD-Aktivisten Alexander Schlesinger werfen erneut ein grelles Licht auf die seit Jahren in der Lesben- und Schwulenszene umstrittene Arbeit des senatsgeförderten Schwulen Überfalltelefons MANEO in Berlin.
Nach übereinstimmenden Presseberichten bezieht sich Schlesinger in Rosa von Praunheims zur Berlinale präsentierten Dokumentarfilm "Männer, Helden und schwule Nazis" positiv auf die ausländerfeindlichen Statistiken des schwulen Anti-Gewalt-Projekts in Berlin. Im Film nach konkreten Gefahren befragt, denen schwule Männer ausgesetzt sind, zitieren Rezensenten des Films Schlesinger mit den Worten: "Fragst du beim Schwulen Überfalltelefon Berlin an, so wirst du aufgeklärt, daß Türken und Marokkaner Schwule angreifen, von Rechtsextremisten hörst du kaum." Schlesinger ist in der rechtsradikalen Szene als Ausländerfeind und Antisemit bekannt. Die NPD, deren Mitglied er ist, wird bundesweit vom Verfassungsschutz kontrolliert.
Das whk weist im Zusammenhang mit Schlesingers Äußerungen darauf hin, daß das vom Lesben- uns Schwulenverband LSVD in Köln betriebene Überfalltelefon in seinem erst vor Wochen vorgelegten Jahresbericht 2004 allen Ernstes eine präventive "Kennzeichnung" muslimischer Geschäfte vorschlug, obwohl an solchen Orten ausweislich der eigenen Statistik überhaupt keine antihomosexuelle Gewalt zu beklagen ist. Das Berliner MANEO-Projekt dramatisiert den "Ausländer"-Anteil bei den Tätern seit Jahren, indem es auch Übergriffe mitzählt, die Einwohnern Berlins etwa beim Urlaub im Ausland (!) widerfahren, wo der Anteil mutmaßlich nicht-deutscher Täter naturgemäß immer an die hundert Prozent grenzen dürfte. Es ist bestürzend, daß solche dubiosen, den sozialen Frieden gefährdenden Zahlentricks mit Geldern gefördert werden, die eigentlich der homosexuellen Emanzipation dienen sollen.
Während die Jahresberichte von MANEO in weiten Teilen der Homo-Szene und insbesondere in der Szenepresse kaum mehr auf nennenswerte Resonanz stoßen, finden sie offenbar verstärkt Anklang bei einem Publikum mit rechtsradikalem Hintergrund. Das vom angeblichen Nazi-Aussteiger und Auschwitz-Leugner Bela Ewald Althans mitherausgegebene schwule Fetischmagazin SkinMaker (sic!) hatte bereits im vergangen Jahr wohlbegründete Kritik an den windigen MANEO-Statistiken in einem Newsletter als "Amoklauf" von linken "Polit-Clowns" mit "einem übergroßen Mundwerk" gegeißelt. Hingegen hatte unlängst die vom whk herausgegebene Zeitschrift Gigi nochmals detailliert auf Fälschungen und offensichtliche Ungereimtheiten im derzeit vorliegenden MANEO-Jahresbericht 2003 aufmerksam gemacht, in denen der vermutete Ausländeranteil der Täter kunstvoll nach oben frisiert wird. Laut Gigi kann nicht einmal das von MANEO gezogene Fazit, antihomosexuelle Gewalt sei in Stadtvierteln mit hohem Migrantenanteil am höchsten, aus den MANEO-eigenen Statistiken belegt werden. (vgl. Gigi Nr. 35, S. 18f.)
Es sei weiterhin daran erinnert, daß die Siegessäule als auflagenstärkstes lesbisch-schwules Monatsmagazin Berlins seit Jahren auf den Abdruck von Meldungen des Schwulen Überfalltelefons verzichtet. Wie Siegessäule-Chefredakteurin Manuele Kay seinerzeit erklärte, sei die Veröffentlichung der sogenannten Opferberichte des Überfalltelefons eingestellt worden, "weil es in ihnen immer öfter zu einer Einteilung der Täter nach ihrer (vermuteten whk) Herkunft kam."
Für das whk bestätigt sich mit den Äußerungen Schlesingers ein weiteres Mal, welch fragwürdige Rolle die einst als Infotelefone gegen staatliche Repression entstandenen schwulen Antigewalt-Projekte inzwischen spielen. Derzeit sieht es so aus, als ob die Schwulen Überfalltelefone gewollt oder ungewollt eine nicht zu unterschätzende Scharnierfunktion zwischen wertkonservativen, ausländerfeindlichen und offen rechtsextremen und damit demokratiefeindlichen Strömungen inner- und außerhalb der Homoszene erfüllen.
Das whk fordert die Schwulen Überfalltelefone auf, nach mehr als zehn Jahren atemberaubender Zahlenklauberei endlich seriöse und vor allem kriminalwissenschaftlich nachvollziehbare und vergleichbare Statistiken über das tatsächliche Ausmaß von Gewalt gegen schwule Männer vorzulegen auch und insbesondere über rechtsextrem motivierte Angriffe auf Schwule mit Migrantionshintergrund. Andernfalls bleibt zu befürchten, daß die zunehmend ausländerfeindlich agierenden Schwulen Überfalltelefone bald selbst ein Fall für den Verfassungsschutz werden.
Rückfragen: 0162/66 73 642 (Dirk Ruder)