whk1203/28.06.2003
Transgenial auf Deutsch
"Miss CSD Berlin 2003" verunglimpft israelische Staatsflagge als "Scheißfahne"
Auf dem "alternativen" CSD in Berlin-Kreuzberg kam es am heutigen Tage zu verbalen Attacken seitens der Veranstalter gegen TeilnehmerInnen, die sich mit Israel solidarisierten. Dazu erklärt die Berliner Regionalgruppe des whk:
Der sogenannte "Transgeniale CSD Kreuzberg", der sich in der Tradition der seit Mitte der 90er Jahre als Alternative zu den auf dem Kurfürstendamm stattfindenden, weitgehend entpolitisierten "offiziellen" Christopher Street Days sieht, präsentierte sich im Jahr 2003 deutscher als alle je durch die frühere Reichshauptstadt marschierten Kommerz-Paraden.
Noch bevor sie die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der geplanten Demonstration von Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transgenders am Hermannplatz begrüßte, schmetterte die "Miss CSD Berlin 2003", der Drag King Antonio Caputo, mehrfach Sätze wie "Nehmt die Scheißfahnen runter!" ins Mikrofon. Bei den "Scheißfahnen" handelte es sich nicht etwa um die sechsfarbige Insignie des Homo-Kommerzes (im Gegenteil schrie Caputo: "Wir wollen hier nur Regenbogenfahnen sehen!"), sondern um drei israelische Staatsflaggen. Sie wurden vom Bündnis "queer.for.israel" mitgeführt, ebenso wie Schilder "Stoppt den islamistischen Tugendterror!" und Forderungen nach dem Ende der auch behördlichen Homosexuellenverfolgung in Palästina. Das Bündnis hatte Tage zuvor einen entsprechenden Unterstützungsaufruf verbreitet.
Das whk mochte diesen Aufruf nicht unterzeichnen, da er neben wichtigen Informationen Thesen enthielt, die beim whk als zu simpel und undifferenziert angesehen werden. Wo aber, wie auf dem Kreuzberger CSD, das alte Ressentiment derart offen und dumpf zu Tage tritt, ist sofortige Solidarisierung geboten zumindest für jene, die sich der deutschen Geschichte halbwegs bewußt sind. Der als Folge des deutschen Ausrottungsversuchs gegründete jüdische Staat unterliegt derzeit einem immensen internationalen Druck und ständigen terroristischen Akten, die nur ein Ziel haben: möglichst viele Israelis zu töten, egal, ob Zivilisten oder Soldaten, Kinder oder Erwachsene, Heteros oder Homos. Ihr Existenzrecht wird heutzutage wieder offen in Frage gestellt, ebenso das ihres Staates: weil sie Juden sind.
Es ist müßig, darauf hinzuweisen, daß selbst der dümmste CSD-Veranstalter und die besoffenste CSD-Teilnehmerin wissen kann, daß Israel, bei aller notwendigen Kritik an seiner rechten Regierung, noch immer das einzige nah- und mittelöstliche Land ist, in dem Homosexualität legal und ohne Gefahr für Leib und Leben lebbar ist, ein Land, das im übrigen auch wegen ihrer abweichenden Sexualität verfolgten Palästinensern Asyl gewährt.
Dennoch stoppten die Kreuzberger CSD-Veranstalter weder den Drag King noch distanzierten sie sich von seinen Ausfällen. Vielmehr ließen sie ihn die Stimmung weiter anheizen. So bezeichnete Caputo die Leute von "queer.for.israel" als "nicht zu diesem CSD gehörig", weil sie "nationalistische Fahnen" trügen, und geiferte sie an: "Wir lassen uns von euch nicht unseren CSD versauen!" Im weiteren verschärfte er den Ton noch und sprach gegenüber mehreren hundert Menschen von "Scheißdrecksfahnen", was nach dem Verständnis des Berliner whk den Vorwurf der Volksverhetzung rechtfertigt.
Derweil kam es auf dem Hermannplatz zu heftigen Debatten mit "queer.for.israel", bei denen Israel mit dem "Dritten Reich" verglichen wurde und die zeitweise zu eskalieren drohten. Ein Unbekannter versuchte sogar, eine der Fahnen mit dem Davidstern in Brand zu setzen. Als der Umzug in Richtung Heinrichplatz startete, konnte "queer.for.israel" nur ganz am Ende mitlaufen. Nach einem tätlichen Angriff gegen ein Mitglied der Gruppe sorgte die Polizei mit rund zehn Beamten für deren Sicherheit. Das besonnene Verhalten der Beamten ist hierbei ausdrücklich zu loben, deren Einsatzleiter sich, aus welchen Motiven auch immer, weigerte, dem augenscheinlichen Wunsch der Veranstalter nach Ausschluß "queer.for.israels" von der Demonstration zu entsprechen. Auf Anfrage versicherte eine junge Beamtin einem whk-Teilnehmer: "Sie dürfen sich jetzt sicher fühlen."
Die Berliner whk-Gruppe verurteilt aufs Schärfste das Gebaren der CSD-Veranstalter um das Kulturzentrum "SO 36". Diese scheinen völlig vergessen zu haben, daß und warum frühere Alternativ-CSDs durch das einst jüdische Scheunenviertel zogen und an Gedenk-Orten stoppten, um mit Reden und Schweigeminuten an die industrielle Vernichtung der europäischen Juden zu erinnern und die Täter namhaft zu machen. Der Satz "Die Verbrechen des Nationalsozialismus dürfen nicht vergessen werden" steht sogar im diesjährigen "transgenialen Forderungskatalog". Was sie den Veranstaltern tatsächlich wert ist, hat der heutige Tag gezeigt. Man feierte weiter, als sei nichts geschehen, und "Miss CSD 2003" denunzierte "queer.for.israel" selbst noch am Ende der Veranstaltung.
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