whk0902/16.09 2002
Wahlkampf: Kein Platz für Inserate mit Kritik an Rot-Grün
BOX und gip verweigern Druck bezahlter Anzeigen für alternative Wahlparty von Berliner Schwulenberatung und Gigi
Am 22. September geben die Berliner Schwulenberatung und die Redaktion der vom whk herausgegebenen Zeitschrift Gigi eine alternative Wahlparty. Entsprechende Werbung dafür in homosexuellen Anzeigenblättern zu plazieren, erwies sich jedoch als unmöglich. Dazu erklärt die AG Schwulenpolitik des whk:
Die Gigi-Redaktion und die Berliner Schwulenberatung vereinbarten Ende August eine gemeinsame Wahlparty unter dem Titel "Gebt uns vier Jahre Zeit!". Die Gigi-Redaktion übernahm es, das Event mit halbseitigen Vierfarbanzeigen in den zur Monatsmitte erscheinenden Homo-Anzeigenblättern Großstadt im Profil (gip) sowie BOX zu bewerben. Aber offenbar mißfielen dort Auftraggeber bzw. Inhalt. Der gip-Verleger Jürgen Bieniek ließ am 5. September auf telefonische Nachfrage hin wissen, er sei an Gigi-Anzeigen nicht interessiert. Die Berliner BOX-Ausgabe für Oktober hingegen erschien am 13. September ohne die Anzeige, obwohl der Preis für das Anzeigenkontingent bereits vorab beglichen worden und die Schaltung Teil einer Gigi-Anzeigenserie war. Eine Information an den Auftraggeber war nicht erfolgt.
Für das whk ist die Zurückweisung der Inserate klar politisch motiviert, denn sie widerspricht angesichts oft beklagter Umsatzeinbrüche im Anzeigengeschäft jeder kommerziellen Vernunft. Indes entspricht sie der politischen Logik: Wer selbstbewußt die Skandale von Rot-Grün thematisiert etwa die Nichtentschädigung von Rosa-Winkel-Häftlingen, die Verschlechterung der Rentensituation für Menschen mit HIV und AIDS, die Verweigerung der Rehabilitierung von Opfern des von den Nazis übernommenen §175 in der BRD bis 1969 , gehört nicht mehr zur "Community".
Daß diese wunderbare "Community" unter SPD und Grünen inhaltlich wie ökonomisch mehr denn je am Staatstropf hängt und damit jeden eigenständigen politischen Anspruch verloren hat, läßt sie inzwischen nicht mal mehr vor der Ausgrenzung so renommierter Projekte wie der Schwulenberatung oder der 2001 als beste Lesben- und Schwulenzeitung in Deutschland geehrten Gigi zurückschrecken. So erweist sich das allgegenwärtige Geschwafel von Vielfalt und Toleranz in der Lesben- und Schwulenszene abermals als obrigkeitsgefällige Lüge. Es gibt keine Solidarität mehr in dieser Szene, nur noch Interessen.