whk0803/11.05.2003
Muttertag für Tante Magnesia
Die Magnus-Hirschfeld-Gesellschaft ehrt ihr Idol mit Links zu antisemitischer Website / Berliner whk sieht dringenden Erklärungsbedarf
An diesem Sonntag beginnt die vom Moses-Mendelssohn-Zentrum für europäisch-jüdische Studien (MMZ) an der Universität Potsdam und der Magnus-Hirschfeld-Gesellschaft (MHG) in Berlin gemeinsam organisierte dreitägige internationale Tagung "Der Sexualreformer Hirschfeld. Ein Leben im Spannungsfeld von Wissenschaft, Politik und Gesellschaft". In diversen Vorträgen wird dabei auch der jüdische Hintergrund Hirschfelds thematisiert. Um so bedenklicher sind aktuelle Informationen über Verbindungen der MHG zu antisemitischen Strukturen. Hierzu erklärt die Berliner Regionalgruppe des whk:
Nach einer heute an die Presse verteilten Information des Berliner Instituts für Faschismus-Forschung und Antifaschistische Aktion (BIFFF e.V.) kooperiert die Magnus-Hirschfeld-Gesellschaft bei der Erforschung der Geschichte des Instituts für Sexualwissenschaft mit Partnern, die rechtsextremes Gedankengut propagieren. Die MHG sei eng mit der "Gesellschaft für Allgemeine und Integrative Psychotherapie - Deutschland" (SGIPT) verbunden, einer "Gruppe von extremen Antisemiten aus Süddeutschland", die laut MHG "wertvolle Arbeit zur Erforschung des Hirschfeld-Instituts geleistet habe".
Auf der Internetseite der SGIPT sei vom "Weltjudentum" die Rede, das "die Deutschen 'konditioniert' habe, damit diese wegen des Holocaust immer weiter Geld an Israel bezahlen müßten, und 'Israel, Juden und Weltjudentum' verhinderten einen 'angemessenen Umgang mit dem Holocaust' durch die 'antisemitische Keule'", "'interessierte Juden' seien wegen ihres angeblichen Geldinteresses 'schuld' am heutigen Antisemitismus und Außenminister Fischer sei 'korrumpiert' und 'als echter Friedensvermittler im Nahen Osten disqualifiziert', weil er die Ehrendoktorwürde der Universität Haifa angenommen habe".
"Die SGIPT-Website tarnt sich als scheinbar psychotherapeutisch orientiert, doch die meisten aktuellen Texte beziehen sich auf aktuelle Politik. Bei genauem Hinsehen erscheint die Website als intelligent getarnte rechtsextreme Propaganda", analysiert das BIFFF. Die SGIPT zitiere auch "die neofaschistische Ideologin Sigrid Hunke aus dem neurechten 'Thule-Seminar' als eine ihrer Quellen". All dies könne man lesen, "wenn man der Link-Empfehlung der MHG zur SGIPT folgt". Diese Links tauchen gleich mehrfach auf der Website der Magnus-Hirschfeld-Gesellschaft auf. Ferner wurden sie in die von der MHG via Internet und Buchhandel vertriebene CD-ROM zu Hirschfelds Institut für Sexualwissenschaft eingefügt mit dem Hinweis, dort seien "weiterführende" Informationen zu den Forschungen der MHG über das IfSw zu finden.
Das whk, das die Existenz dieser Links überprüft hat, erinnert daran, daß die Magnus-Hirschfeld-Gesellschaft für sich reklamiert, eine Interessenvertretung vor allem homosexueller NS-Opfer zu sein, insbesondere hinsichtlich deren Entschädigung. Unter ihrer Führung mündete dies in die Initiative für eine per Bundesgesetz zu errichtende Magnus-Hirschfeld-Stiftung. In dieser mit 15 Millionen Euro ausgestatteten Stiftung würden die legitimen Entschädigungsansprüche der individuellen Opfer kollektiviert zugunsten heutiger bürgerlicher Homosexuellenvereine, die außer der sexuellen Präferenz ihrer Mitglieder personell und organisatorisch nichts mit den tatsächlichen NS-Opfern verbindet. Von dieser inzwischen postumen zweiten Enteignung würde auch die MHG profitieren, die überdies im Kuratorium der Stiftung vertreten sein soll.
Vor diesem Hintergrund werfen die jetzt bekannt gewordenen Fakten abermals Fragen nach der Seriosität der Magnus-Hirschfeld-Gesellschaft auf. Ausgehend davon, daß der Inhalt zu verlinkender Seiten vorher einer eingehenden Prüfung unterzogen wird, weil sie ggf. strafrechtliche Konsequenzen hat, sollte der MHG-Vorstand umgehend erklären, wie es zu der Vernetzung zum Antisemitismus kam. Sollte der Inhalt der empfohlenen Seiten von der MHG als unbedenklich oder zu vernachlässigen eingeordnet worden sein, so käme dies, vor allem angesichts der von ihr medienwirksam in Anspruch genommenen NS-Opfer, der fachlichen, politischen und moralischen Bankrotterklärung der MHG gleich.
Rückfragen: 0180/4444945
BIFFF-Flugblatt (PDF)