whk0801/5. 9. 2001
Ba-Wü: Schwule für zehn Jahre in Sexverbrecher-Datei?
whk warnt vor Rosa Listen und Kriminalisierung
Am 31. August gab der baden-württembergische Innenminister Thomas Schäuble (CDU) nach Presse-berichten eine Anweisung an die Polizeidienststellen des Landes bekannt, nach der künftig auch soge-nannte einfache Sexualtäter in einer speziellen Langzeitdatei für zehn Jahre gespeichert werden sollen. Hierzu erklärt die AG Schwulenpolitik des whk:
Endlich läßt Innenminister Schäuble die Katze aus dem Sack: Ab sofort sollen in Baden-Württemberg nicht nur tatsächliche Sexualstraftaten wie Vergewaltigung und Kindesmißbrauch sanktioniert werden, sondern auch vermeintliche, sofern ihnen eine "sexuelle Motivation" unterstellt werden kann. Erstmals seit Ende des "Dritten Reiches" wird damit in Deutschland wieder Sex ohne Sex strafrechtlich geahndet.
Mit seiner Anweisung an die Polizeien steht damit ab sofort praktisch auch jegliche schwule Sexualität außerhalb des Schlafzimmers wieder unter Strafe. Cruiser, die an öffentlichen Plätzen einvernehmlichen Sex suchen, müssen künftig damit rechnen, in Rosa Listen registriert zu werden. Die Begrün-dung, man wolle mit der neuen Regelung "Spanner" und "Exhibitionisten" abschrecken, paßt dabei auffällig gut zu den vielfältigen Aktionen, mit denen die Polizei in den letzten Monaten rechtswidrig gegen traditionelle Schwulentreffpunkte vor allem an Autobahnparkplätzen und in Parks vorging. Das whk machte erst am 19. Juli in einer Presse-erklärung auf die Absichten der Polizei in Heidelberg aufmerksam.
Schäubles Maßnahmen werden kaum einen Kindesmörder von seinem Tun abhalten, dafür aber sind sie bestens geeignet, der polizeilich schon immer ungeliebten Cruising-Kultur endlich den Todesstoß zu versetzen:
1. Schwule Cruiser können als "Spanner" und "Exhibitionisten" gespeichert werden, wenn sie zusätzlich ein "Hilfsdelikt" wie Hausfriedensbruch durch Betreten eines fremden Grundstücks begangen haben. Dies trifft in der Regel beim Cruising auf Klappen und Autobahnparkplätzen zu.
2. Da bei den "einfachen Straftaten" auch die "verbalerotische Belästigung" strafbar ist, kann als Sex-verbrecher registriert werden, wer als Mann einen anderen Mann in eindeutiger Absicht anspricht und dieser sich dadurch belästigt fühlt.
Mit dieser Regelung die der berüchtigten britischen Clause 28 in nichts nachsteht sind auch der Denunziation und dem Einsatz von Zivilpolizisten als agents provocateurs Tür und Tor geöffnet. Nach Innenminister Schäubles Worten soll die Bevölkerung mit diesen Maßnahmen besser vor "Wieder-holungstätern" geschützt werden. Dazu gehörten im staatlichen Verständnis stets die Homosexuellen.
Wir fordern Cruiser auf, sich von dieser Verschärfung des Polizeirechts nicht einschüchtern zu lassen und mutig ihre erkämpften Orte zu verteidigen. Es kommt jetzt darauf an, Widerstand und Öffentlichkeit gegen unsere neuerliche Kriminalisierung zu organisieren. Für eine monatliche Dokumentation bittet das whk schwule Cruiser, Beobachtungen im Zusammenhang mit polizeilichen Aktivitäten auch anonym an die Redaktion der sexualpolitischen Zeitschrift Gigi unter redaktion@gigi-online.de zu mailen.