whk0705/27.02.2005
Antidiskriminierungsgesetz ganz auf den Hund(t) gekommen
Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt wettert gegen "Übererfüllung" beim ADG / Homo-Portal Queer.de entdeckt "sinnvollen" ADG-Einsatz beim Hundekauf
Zur anhaltenden Debatte um das von der Bundesregierung geplante Antidiskriminierungsgesetz (ADG) erklärt das wissenschaftlich-humanitäre komitee (whk):
Wohl selten ist ein rot-grünes Vorhaben so schnell Makulatur geworden, wie der Koalitionsentwurf für ein bundesweites Antidiskriminierungsgsetz (ADG). Nur wenige Wochen, nachdem der Entwurf vom 16. Dezember 2004 bekannt wurde, schießt es nun der Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt endgültig sturmreif. Der Bundesrat hatte den Entwurf bereits am 18. Februar per Entschließungsantrag zurückgewiesen.
Nach einem heute von verschiedenen Tageszeitungen verbreiteten Bericht der Presseagentur dpa habe Hundt bereits am Donnerstag in Berlin den vorliegenden Gesetzentwurf "heftig" kritisiert und die Bundesregierung nachdrücklich aufgefordert, den Entwurf komplett zurückzunehmen. Wörtlich soll Hundt erklärt haben: "Ich fordere den Gesetzgeber dringend auf, sich darauf zu beschränken, die EU-Richtlinien umzusetzen und nicht erneut Übererfüllung zu betreiben." Nach Hundt sei das Gesetz "gut gemeint, aber nicht gut gemacht", da es mehr Bürokratie schaffe und die Arbeitgeber "übermäßig" belaste. Die PDS-Tageszeitung Neues Deutschland kommentierte Hundts Statement heute unter der saloppen Schlagzeile "Bosse lehnen Gesetz gegen Diskriminierung ab".
Nach der Pleiteaktion namens Homo-Ehe von seinen Verfechtern vollmundig als "weiteres großes Reformprojekt" annonciert, dürfte sich ein über EU-Standards deutlich hinausgehendes bundesdeutsches ADG in der vorliegenden Form damit weitgehend erledigt haben. Auch diesmal wird es die Bundesregierung nicht wagen, gegen den erklärten Willen der wahren "Bosse" in diesem Land ein Gesetz zu verabschieden, das Unternehmerkreisen partout nicht in den Kram paßt. Sah der Koalitionsentwurf ohnehin schon etliche Bereiche vor, in denen etwa die Diskriminierung Homosexueller beispielsweise im Versicherungswesen mit Verweis auf Wirtschaftsinteressen ausdrücklich weiterhin erlaubt sein sollte, wird das Vorhaben jetzt auf Unternehmerwunsch noch einmal deutlich abgespeckt werden müssen. Am Ende dürften vom rot-grünen ADG-Braten für Schwule und Lesben allenfalls ein paar magere Knöchelchen abfallen.
Immerhin scheint in der Lesben- und Schwulenszene der Glaube an die vielgepriesene Wunderkraft eines ADG bereits deutlich abzunehmen. So will das Kölner Internetportal Queer.de einer aktuellen Meldung zufolge einen "sinnvollen Einsatz eines Anti-Diskriminierungsgesetzes" allenfalls noch beim Hundekauf erkennen.
Wie Queer.de unter Berufung auf dpa berichtet, komme in Schweden möglicherweise eine Hundezüchterin vor Gericht, weil sei einem lesbischen Paar nicht den ins Auge gefaßten Welpen verkaufen will. Der staatliche "Ombudsmann gegen Diskriminierung wegen sexueller Neigungen" prüfe derzeit eine entsprechende Anzeige. Laut Queer.de hatten "die als Paar zusammenlebenden Frauen" der Züchterin Interesse am Kauf eines im Internet angebotenen Golden-Retrievers bekundet und zunächst eine Zusage erhalten. "Als die Züchterin gewahr wurde, daß sie ihren Welpen einem homosexuellen Paar übergeben sollte, änderte sie ihre Meinung sofort und endgültig", so Queer.de unterm unzulässig verallgemeinernden Titel "Kein Hund für Lesben".
Daß der Vorfall beim Homo-Portal sogleich zum "Paradebeispiel" für ein ADG avancierte, zeigt nach Ansicht des whk, wie sich in der Antidiskriminierungsdebatte insbesondere in der bürgerlichen Homoszene Halbwissen mit skurrilem Wunderglauben an eine per Gesetz diskriminierungsfreie Welt paart. Zudem wird unter einem ADG nicht einmal ein staatlicher Antidiskriminierungs-Ombudsmann die Herausgabe von Welpen an lesbische Hundemuttis erzwingen können.
Vielmehr zeigt der Vorfall recht anschaulich, daß ein Antidiskriminierungsgesetz gerade im vielfach von irrationalen Ängsten und Vorurteilen überformten Alltagsbereich kaum wirksam werden kann. Hier sind wie eh und je lesbisch-schwules Selbstbewußtsein, Emanzipation und Aufklärung gefragt. Das whk empfiehlt daher, vor dem Kauf eines rosa Hundekörbchens erst einmal einen Blick in die heute erschienene Ausgabe der sexualpolitischen whk-Zeitschrift Gigi zu werfen, die eine fundierte Kritik am ADG formuliert und dabei vor allem auf Gefahren und Fallstricke hinweist.
Rückfragen: 0162/6673642 (Dirk Ruder)