whk0702/07.07 2002
Europride Köln: Pressefreiheit endet bei Fischer-Rede
Beim Abfeiern der grünen Parteispitze auf dem Heumarkt lassen Veranstalter kritische Journalisten aus dem Pressebereich entfernen
Als Höhepunkt des Europride 2002 gab sich am heutigen Nachmittag die Partei Bündnis 90/Die Grünen die Ehre eines entlarvenden Wahlkampfauftritts. Das zu einem erheblichen Teil erkennbar alkoholisierte Publikum wurde von der Bühne zu Jubelchören auf die grüne Partei- und Staatsführung und ihre "Gleichstellungspolitik" anmiert. Deren Demokratieverständnis erwies sich jedoch im nur der Medienöffentlichkeit zugänglichen Pressebereich unmittelbar vor der Bühne auf dem Kölner Heumarkt:
Gegen 17 Uhr hatte Bundesaußenminister Dr. Joseph Fischer seine Wahlkampfrede begonnen. Die akkreditierten Medienvertreter waren von der Veranstaltungsleitung in einen abgeschlossenen Bereich zwischen Bühne und Publikum eingewiesen worden. Während Fischer seiner Partei Verdienste um die "Gleichberechtigung" von Homosexuellen bescheinigte, erhob sich lautstarker Protest zahlreicher Kundgebungsteilnehmer. Als Eike Stedefeldt vom sexualpolitischen Magazin Gigi versuchte, Quelle und Ausmaß des Pfeifkonzerts in Augenschein zu nehmen, indem er auf eines der offenkundig dafür vorgesehenen Podeste trat, wurde er von Sicherheitsleuten daran gehindert mit der Behauptung, er habe die Absperrung zum Publikum (und nicht etwa zur Bühne) überspringen wollen. Gleichzeitig wurden die ebenfalls akkreditierten Claas Sudbrake (Radio Dreyeckland, Freiburg), Dirk Ruder (Pink Channel, Duisburg) und Markus Bernhardt (Tageszeitung Junge Welt, Berlin) erneut zum Nachweis ihrer bis dahin wiederholt überprüften Europride-Presseausweise aufgefordert. Die Anweisung hierzu erging klar erkennbar von der Bühne herab durch Volker Beck, den rechtspolitischen Sprecher der grünen Bundestagsfraktion und Bundessprecher des mitorganisierenden Lesben- und Schwulenverbandes in Deutschland (LSVD), der unmittelbar neben dem Außenminister agierte. Ebenfalls auf der Bühne standen im Dirndl Claudia Roth, grüne Parteivorsitzende und LSVD-Mitglied, sowie Kerstin Müller, die grüne Fraktionsvorsitzende im Bundestag.
Nachdem Stedefeldts Tasche und Jacke durchsucht worden waren, wurden alle vier Journalisten auf Anweisung Jörg Ebels von der grünen Bundes-AG Schwulenpolitik aufgefordert, umgehend den Medienbereich zu verlassen. Als sie auf ihre gültigen Akkreditierungen verwiesen, behauptete Ebel, für diesen Bereich seien keine Printmedien zugelassen. Daraufhin setzten Security-Kräfte, darunter ein Mann mit BKA-Abzeichen, die Entfernung aller vier durch, obwohl zwei von ihnen für den Rundfunk dort waren. Verbleiben durften hingegen andere Printjournalisten, allen voran Christian Scheuß, Chefredakteur der größten, angeblich unabhängigen deutschen Lesben- und Schwulenzeitung Queer (Köln), an der die Partei Bündnis 90/Die Grünen via Ökofonds ebenso beträchtliche Aktienanteile hält wie Volker Beck und der LSVD.
Pikanterweise handelt es sich bei den an der Berichterstattung Gehinderten durchweg um Personen, die derzeit zu Finanzskandalen der grünen Partei und des LSVD, deren personeller Verflechtung und ihren finanziellen Beteiligungen an Medienunternehmen recherchieren. Bereits am Sonnabend hatten sowohl Volker Beck als auch eine grüne Pressesprecherin versucht, einen am Sonntagabend ausgestrahlten kritischen Beitrag des ZDF-heute-journals zum heftig umstrittenen Gesetz über die Gründung einer Magnus-Hirschfeld-Stiftung zu verhindern, was den Kameramann des ZDF-Teams zur Bemerkung hinriß, derlei habe er zuletzt unter Breschnew erlebt.
Nicht zuletzt arbeiten alle vier des Platzes Verwiesenen unter anderem für das wegen seiner kritischen Berichterstattung mit dem Felix-Rexhausen-Medienpreis als "beste Zeitschrift aus dem lesbisch-schwulen Bereich" ausgezeichnete und vom whk edierte Magazin Gigi. Für das whk beweist der heutige Vorfall, daß dem grünen Homo-Filz das Wasser bis zum Hals steht. Zwei Monate vor der Bundestagswahl kann das aber keinen wirklichen Journalisten mehr einschüchtern.