whk0601/19. 7. 2001
Innere Sicherheit: Schwuler Sex außerhalb des Ehebetts bald wieder strafbar
In Heidelberg werden Cruiser künftig als "Exhibitionisten"und "Spanner" bestraft / whk: Baden-Württemberg ist Spitzenreiter bei Aktionen gegen Schwulentreffpunkte
Nach einem Bericht in der heutigen Südwest Presse will die Heidelberger Polizei verstärkt gegen "Spanner und Exhibitionisten" vorgehen, die angeblich immer "dreister und gefährlicher" agierten. Kern der für den gesamten Rhein-Neckar-Raum geplanten Maßnahmen sind nach Angaben des Leiters der Kriminalinspektion Heidelberg, Heinz Gräter, u.a. "computergestützte Fahndungsmethoden sowie die Ausweitung von Personenkontrollen in besonders gefährdeten Bereichen". Die Behörde hofft, die ersten von etwa 60-80 mutmaßlichen Tätern "schon bald" festnehmen zu können. Dazu erklärt die AG Schwulenpolitik des whk:
Die angekündigten Maßnahmen stehen sittenpolizeilicher Verfolgung in den 50er und 60er Jahren in nichts nach. Nur sieben Jahre nach Abschaffung des Paragraphen 175 soll schwule Sexualität damit faktisch wieder strafbar und kriminell werden. Das "Präventionskonzept" der für ihre Aktionen gegen Schwulentreffpunkte berüchtigten Heidelberger Polizei sieht zur Bekämpfung des "Spannerunwesens" beispielsweise vor:
1. flächendeckenden Einsatz von sogenannten "Spanner-Streifen" bei Einbruch der Dunkelheit
2. verdeckte Observation
3. Personenkontrollen
4. Unterstützung durch die Bevölkerung
5. Einrichtung einer "Informations-Sammelstelle" zur "Aufklärung von Strukturen".Hintergrund sind nicht etwa wie von der Behörde scheinheilig behauptet zwei Sexualmorde an Mädchen, sondern das 1997 beschlossene Polizeiprogramm Baden-Württembergs zur sogenannten Inneren Sicherheit. Deutlich intensiver als im übrigen Bundesgebiet gehen die Behörden seither im Raum Rhein-Neckar gegen traditionelle Cruising-Areas vor. Bereits im Sommer 1999 registrierte die Heidelberger Polizei mit vorbereiteten Fragebögen ("Sind sie homosexuell oder bisexuell?") das Publikum an einschlägigen Autobahnparkplätzen. Obwohl die Aktion ein Nachspiel im Landtag hatte, werden mittlerweile im gesamten Bundesland Schwulentreffpunkte überwacht und die Besucher eingeschüchtert.
Daß die Heidelberger Polizei ihren Plan just an dem Tag bekanntgab, an dem nur fünfzig Kilometer entfernt das Bundesverfassungsgericht die Eingetragene Lebenspartnerschaft passieren ließ, ist kein pikantes Detail am Rande, sondern durchaus folgerichtig: Beide Konzepte atmen den selben repressiven Geist.
Das whk ruft die schwule Szene dringend auf, ihre jahrzehntelang erkämpften sexuellen Freiräume selbstbewußt und mutig zu verteidigen. Notwendig ist der rasche Aufbau einer Sammelstelle, die Berichte über polizeiliche Repression und Denunziation bundesweit dokumentiert. Vorbilder könnten das in den 80er Jahren entstandene Berliner "Razzientelefon" und die Initiative "Schwule beobachten die Polizei" sein. Das whk bietet hierzu jegliche Unterstützung und Zusammenarbeit an.