whk0307/19.03.2007
Raus, bevor es kommt!
Barebacking im Bundestag: whk warnt vor weiterer Kriminalisierung einvernehmlicher Sexualität unter dem Deckmantel des Gesundheitsschutzes
Am kommenden Freitag wird der Deutsche Bundestag in letzter Lesung über den Antrag der Koalitionsfraktionen über "Maßnahmen zur Bekämpfung von HIV/AIDS in Deutschland" entscheiden. Hierzu erklärt die AG Schwulenpolitik des whk:
Schon der Titel des unter sexuell aktiven Menschen jedweder sexueller Neigung zumeist gar nicht bekannten Antrages vom 29. November 2006 (BT-Drucksache 16/3615) ist grob irreführend. Sein Inhalt zeigt überdeutlich, daß es keineswegs um "Maßnahmen zur Bekämpfung von HIV/AIDS in Deutschland" geht, sondern einmal mehr um Maßnahmen zur Bekämpfung von Menschen mit HIV oder AIDS sowie ihrer Subkulturen.
So wird in Ziffer 6 des Antrages die Bundesregierung von den Regierungsparteien aufgefordert, "gemeinsam mit den Ländern und Verbänden bundesweit im Rahmen einer Selbstverpflichtung der Anbieter von Orten sexueller Begegnung auf Präventionsmaßnahmen hinzuwirken, die u. a. den vollständigen Verzicht auf Werbung und Unterstützung für ungeschützten Geschlechtsverkehr beinhalten sollte."
Zahlreiche schwule Wirte haben eine solche Selbstverpflichtung mit den AIDS-Hilfen längst umgesetzt, was nicht nur außerhalb der Schwulenszene durch breite Medienberichterstattung hinlänglich bekannt ist, sondern nachweislich das Ansteigen der Zahl von HIV-Neuinfektionen nicht verhindert hat. Darum kann es also nicht gehen. Statt dessen heißt es weiter: "Nach zwei Jahren soll die Bundesregierung über den Stand der Umsetzung berichten und ggf. Vorschläge für eine rechtliche Regelung unterbreiten." Somit geht es also darum, auch in Deutschland vermehrt mit juristischen Mitteln gegen HIV-Positive und AIDS-Kranke und deren konkretes, bisher vom Staat nicht kontrollierbares Sexualleben vorzugehen. Nur deshalb wird die Regierung in Ziffer 7 aufgefordert "zu prüfen, ob die Erfahrungen in Österreich und der Schweiz mit der Verschärfung des Strafrechts bezüglich der fahrlässigen Gefährdung der Verbreitung einer sexuell übertragbaren Krankheit eine handhabbare Regelung zur Eindämmung der kommerziellen Angebote von ungeschütztem Sex darstellen". Aber auch das ist völlig unsinnig, da es längst ausreichend Rechtsnormen im Strafgesetzbuch und höchstrichterliche Urteile hierzu gibt, insbesondere durch den Bundesgerichtshof ergangene.
Aus diesen Gründen fordert das whk die Abgeordneten auf, der Beschlußempfehlung des federführenden Bundestagsausschusses für Gesundheit vom 19. Januar 2007 (BT-Drs. 16/4111) nicht zu folgen, sondern bei einer Annahme der Drucksache 16/3615 die Ziffern 6 und 7 auf jeden Fall zu streichen. Den grundsätzlichen Unterschied zwischen "unsafem Sex" und "Barebacking" bewußt ignorierend, bergen diese nicht nur die Gefahr einer Kriminalisierung selbstbestimmter, eigenverantwortlicher und risikobewußter Sexualität von HIV-Positiven, sondern der Allgemeinheit. Nicht nur sogenannte Barebacker verbitten sich mit Recht, daß fremde, ahnungslose Leute in ihrem Wald pfeifen: Der Staat hat auch weiterhin schlichtweg nichts in den Betten des Souveräns zu suchen.