whk0303/29.01.2003
Kritik am Verdienstorden für "Ratten-Dörner" ist Majestätsbeleidigung
Raus Ordenskanzlei bestätigt: Auszeichnung war kein Unfall
Nach Protesten von Lesben- und Schwulengruppen hat die Ordenskanzlei des Bundespräsidialamts die Auszeichnung des ehemaligen Charité-Endokrinologen Günter Dörner im letzten Herbst als "sorgfältig geprüft" gerechtfertigt. Die Proteste grenzten im Hinblick auf den Bundespräsidenten und seine Verantwortung an "Diffamie". Hierzu erklärt die AG Schwulenpolitik des whk:
Jetzt ist die Ratte aus dem Sack: Die umstrittene Verleihung des Bundesverdienstkreuzes an den Berliner Endokrinologen Günter Dörner war kein Versehen, sondern Absicht. In einem dem whk vorliegenden Antwortschreiben des Bundespräsidialamtes an die Düsseldorfer Frauenberatungsstelle rechtfertigt die zuständige Ordenskanzlei sie sogar als das Ergebnis gründlicher Nachforschungen.
In dem Schreiben vom 23. Januar 2003 heißt es, jeder Ordensverleihung gehe ein "sorgfältiges und daher auch langwieriges Prüfverfahren voran. Im Zuge dessen ist vor der Verleihung nichts bekannt geworden, was die vorgebrachten Anschuldigungen in irgend einer Form stützen würde". Damit erklärt die Ordenskanzlei unumwunden, daß für sie das tatsächliche Wirken und vor allem die katastrophale Wirkung der Tätgkeit eines Auszuzeichnenden für irrelevant hält.
Die Ehrung des ehemaligen DDR-Hormonforschers am "Tag der deutschen Einheit" 2002 "für seine Verdienste als Arzt und Wissenschaftler" präzisiert das Bundesordensamt den "sehr geehrten Mitarbeitern [sic!] der Frauenberatungsstelle" Düsseldorfs damit, daß das von Dörner als Endokrinologe begründete Gebiet der funktionellen Teratologie "auch international in viele Forschungsbereiche der Embryologie, Teratologie, Frauenheilkunde und Pädiatrie hineingewirkt und erheblich zu dem heutigen Wissens- und Behandlungsstand ... beigetragen" habe. Demnach wurden also Dörners dubiose Experimente zur heterosexuellen "Regelanfrage im Mutterleib" unter anderem wegen der Fortschritte im Bereich der "Frauenheilkunde" gewürdigt. Doch diese stand ebenso wenig im Zentrum von Dörners Forschungen wie die "diabetische Stoffwechsellage, Schildrüsenfunktionsstörungen, Umweltschadstoffe, bakterielle und viröse Infektionen, aber auch psychosoziale Bindungen, denen der vorgeburtliche Organismus oder der Organismus nach der Geburt ausgesetzt ist", die das Amt wahlweise als Verdienste anbietet. All das waren legitimierende Nebenschauplätze.
Adressaten mit offenkundig gestörten psychosozialen Bindungen teilt die Ordenskanzlei indes gleichermaßen tröstend und warnend mit, Dörners Forschungen stellten "nur einen kleinen Ausschnitt aus diesem Gebiet dar. Die Tätigkeit von Herrn Professor Dörner auf dieses Feld einzuengen, wie es die Autoren der über das Internet verbreiteten Musterbriefe tun, wird seinen Verdiensten nicht gerecht." Einmal in Fahrt, setzt die Ordenskanzlei dann noch eins drauf und beschuldigt nunmehr die ihr Existenzrecht als Homosexuelle Verteidigenden der Diffamierung des Bundespräsidenten. Wörtlich heißt es in dem von Franz Wessendorf gezeichneten Schreiben, es sei "unsachlich und grenzt angesichts des bisherigen Wirkens des Bundespräsidenten an Diffamie", die "Anschuldigungen" gegen Dörner "mittelbar auch auf den Bundespräsidenten" zu erstrecken.
Auffällig ist, daß sich in den letzten Monaten derlei kaltschnäuzige Antworten von Bundesbehörden auf Kritik aus der Homo-Szene häufen. Das rückt für das whk weniger ein abgestimmtes Vorgehen in den Bereich des Möglichen als vielmehr eine grundsätzlich veränderte, rückwärtsgewandte Attitüde der Obrigkeit gegenüber nicht-reproduktiven Sexualitäten sowie explizit Homosexuellen, die sich nicht jede staatliche Provokation gefallen lassen.
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