whk0300/10. 3. 2000
Magnus Hirschfeld als Hure des homophilen Bürgerrechts
Derzeit findet in Berlin auf Initiative des Ventura Filmverleihs eine Magnus-Hirschfeld-Woche zur Promotion des neuen Rosa-von-Praunheim-Films statt. Obwohl der Name des bedeutenden Sexualwissenschaftlers untrennbar mit dem von ihm gegründeten Wissenschaftlich-humanitären Komitee (WhK) verbunden ist, wurde das 1998 neu gegründete whk von den Veranstaltern offenbar bewußt ausgegrenzt.
Nachdem das whk aus der Presse von der Magnus-Hirschfeld-Woche erfahren hatte, erging eine Anfrage an die Veranstalter, warum es weder informiert noch einbezogen wurde. Schließlich stehe es von seiner gesamten Konzeption her in der Tradition des historischen WhK und lasse dies in eine zeitgemäße sexualemanzipatorische Arbeit münden (z.B. Kritik der Reproduktionsmedizin, Lebensformenpolitik, Geschlechterdemokratie, Rechte Trans- und Intersexueller). Bundesweit bekannt, arbeite es mit vielen Szenebetrieben und -vereinen zusammen.
Mit Schreiben vom 7. März rechtfertigte die Pressesprecherin der Magnus-Hirschfeld-Woche, Andrea Winter, den Vorgang damit, daß "kein Vertreter das whk vorgeschlagen hat". "Von Ausgrenzung kann daher keine Rede sein", so Winter. Das Gegenteil ergab eine Nachfrage beim mitveranstaltenden Szenekalender SIEGESSÄULE am 10. März. Laut Geschäftsführer Bernd Offermann liege der Ausschluß des whk daran, "wie ihr euch in der Szene darstellt". Offermann zitierte in diesem Zusammenhang den Sprecher des staatstragenden Lesben- und Schwulenverbandes in Deutschland (LSVD) Volker Beck (MdB). Dieser habe auf einer Podiumsdiskussion zur Rehabilitation homosexueller NS-Opfer am 9. März in der SPD-Zentrale vom whk als "sogenanntem" gesprochen, "dem wir das Recht absprechen, sich so zu nennen".
Offenbar kommen weder die etablierte Homowirtschaft noch die arrivierte schwul-lesbische Politikerkaste mit fundierter Kritik an ihrer stramm konservativen Identitätspolitik zurecht, von der sich das whk ganz im Sinne Hirschfelds distanziert. Sie sind sich indes ihrer Macht anscheinend derart unsicher, daß ihnen nichts zu peinlich ist: Eine Magnus-Hirschfeld-Woche zu organisieren und freimütig zu bekennen, niemandem sei dabei das wissenschaftlich-humanitäre komitee in den Sinn gekommen, ist schlicht grotesk und disqualifiziert sämtliche daran Beteiligten.
Doch viel mehr als ein intellektuelles Armutszeugnis und Eingeständnis undemokratischer Gesinnung sieht das whk darin eine Beleidigung Magnus Hirschfelds: Reduziert auf seinen Namen, zur WerbeIkone herabgewürdigt und um das beraubt, was seine wissenschaftliche und politische Leistung ausmachte, wird er nunmehr zur Hure des homophilen Bürgerrechts degradiert.