whk0298/4.11.1998
Presseerklärung
Am 23. Oktober endete ein vom ARD-Tagesschau-Sprecher Jens Riewa beim Hamburger Landgericht angestrengtes Verfahren gegen den Foerster Verlag mit einem Vergleich über 15.000 Mark. Riewa hatte Schmerzensgeld gefordert, weil ihn das in dem Frankfurter Verlag erscheinende Schwulenmagazin Adam als "schwulen Moderator" bezeichnet und damit angeblich seine Persönlichkeitsrechte verletzt hatte. Riewa hat ebenso den Berliner Querverlag auf Schadenersatz bzw. Schmerzensgeld in Höhe von 50.000 Mark verklagt. Dieser hatte im Herbst 1997 das Lexikon Out! 500 berühmte Lesben, Schwule & Bisexuelle von Karen-Susan Fessel und Axel Schock herausgebracht, worin Riewa am Rande ebenfalls als schwul bezeichnet wurde.
Das wissenschaftlich-humanitäre komitee interessiert nicht, ob Riewa mit Männern, Frauen, zu fünft oder gar nicht ins Bett geht. Was das whk als Vertretung sexueller Minderheiten umtreibt, ist die gesellschaftliche Dimension des Vorgangs. Die Klage ist in unseren Augen stark von ökonomischen Motiven geprägt und zeugt von erheblicher Bigotterie des Klägers und seiner Vertreter.
Vor allem aber erschüttert uns das verheerende politische Signal, das vom Verfahren an sich und mehr noch von der vom Gericht bereits mündlich angekündigten Entscheidung ausgeht, wonach am 13. November der Querverlag zu 25.000 DM Schadensersatz verurteilt werden wird. Die Bundesrepublik Deutschland als Rechtsnachfolgerin des "Dritten Reichs" verweigerte bis Mitte 1998 jede Entschädigungszahlung an nach den von den Nazis verschärften §§175/175a Verurteilte, in Zuchthäuser und Konzentrationslager Geworfene. Sie seien, so die bis vor kurzem gültige BRD-Rechtsauffassung, keine Opfer typischen NS-Unrechts gewesen.
Als Wiedergründung der von den Nazis verbotenen und enteigneten ersten Homosexuellenorganisation der Welt fragt das whk, in welche Tradition sich eine Justiz objektiv stellt, die diese, ihre eigene Geschichte ignoriert und Urteile wie in der Sache Riewa/Querverlag in Erwägung zieht. Für das whk ist dies somit alles andere als ein normaler Rechtsstreit, sondern einer, der klar vom homophoben Moment getragen wird.
In diesem Sinne fordert das whk die Abweisung der Klage bzw. die unverzügliche Einstellung des Verfahrens. Schwulsein ist nur vor dem "gesunden Volksempfinden" einer homphoben Gesellschaft ein Makel. Genau diese Gesellschaft aber fixiert das Hamburger Landgericht, indem es sich willig und ohne Not vor dem "gesunden Volksempfinden" verneigt.
Das whk erklärt sich solidarisch mit den beiden Verlagen. Den Norddeutschen Rundfunk als Arbeitgeber Riewas fordert das whk zu personellen Konsequenzen auf. Einer Öffentlich-rechtlichen Sendeanstalt, die in ihrer Hauptnachrichtensendung von Jahr zu Jahr freundlicher über den Christopher Street Day berichtet, aber dem homo- und bisexuellen Publikum weiter allabendlich einen Sprecher wie Riewa zumutet, droht der Ruf, eine Anstalt des Öffentlichen Unrechts zu sein.
Jürgen Aaron Nehm