whk0201/2. 2. 2001
Razzien, Rosa Listen und Überwachung
whk: Es geht wieder los mit der polizeilichen Schwulenjagd
In Berlin provoziert die Polizei Klappengänger mit Gummiknüppeln, in NRW werden schwule Saunen durchsucht und bundesweit zahlreiche Treffpunkte überwacht. Hierzu erklärt die AG Schwulenpolitik des whk:
Vor drei Monaten initiierten der Berlin-Wilmersdorfer Baustadtrat Straßmeir (CDU), die Polizei sowie der Infoladen Mann-O-Meter eine bundesweit in den Medien beachtete Aktion, die schwule Besucher der Toilette am Preußenpark "zu mehr Toleranz" bewegen sollte. Unterdessen liegen dem whk mehrere Beschwerden von Männern vor, die sich in und vor der Anlage von der Polizei provoziert fühlen. Obwohl sie sich diskret verhielten, seien sie von Ordnungshütern verbal attackiert worden. Mit der barschen Frage nach dem Zweck ihres Aufenthalts hätten Beamte z.B. Personenkontrollen und Festnahmen angedroht, da sie angeblich mutwillig den Zugang blockierten. Ein Beamter sei mit dem Gummiknüppel in eindeutig gewalttätigen Gesten um die Anlage patroulliert. Außerdem seien Türen aufgerissen und die Anwesenden mit den Worten "Et hat sich schon ma eener totjekiekt!" vertrieben worden. Vor-Ort-Recherchen des whk lassen den Schluß zu, daß die Anlage aus parkenden Autos heraus observiert wird und die Besucher gezählt werden. Der Tagesspiegel hatte bereits im November 2000 die konkrete Zahl von 370 täglichen Nutzern gemeldet.
Die beschriebene Situation ist kein Einzelfall. Im Vorfeld, aber verstärkt seit der Verabschiedung des "Homo-Ehe"-Gesetzes stellt das whk eine sprunghafte Zunahme von Razzien und Überwachungen an traditionellen Schwulentreffs fest. Offenbar soll unbotmäßige und schwer zu kontrollierende Sexualität erneut kriminalisiert werden. Teils langfristig geplante Polizeiaktionen gab es u.a. in Celle, München, Bielefeld, Nürnberg, Heidelberg, im Raum Stuttgart und im Ruhrgebiet. Die Sauna-Razzien in Köln, Düsseldorf und Essen am 19. Januar machen zudem deutlich, daß die Repression selbst vor kommerziellen Einrichtungen nicht mehr halt macht. Dabei wurden Schwule von der Polizei registriert oder sogar gefilmt.
Das whk fordert die schwulen Anti-Gewalt-Projekte und Überfalltelefone auf, ihren Schmusekurs mit der Ordnungsmacht endlich zu beenden und Schwule zuerst einmal vor der Polizei zu schützen. Dem eigenen Gewaltbegriff folgend, dürften die Überfalltelefone in ihren Statistiken Polizei-Aktionen und Einschüchterungsversuche nicht länger ignorieren, sondern hätten sie lückenlos zu dokumentieren.
Das whk fordert alle Schwulen auf, staatliche Angriffe auf die sexuelle Freiheit nicht länger hinzunehmen und ihre schwer erkämpften Freiräume offensiv zu verteidigen. Ab sofort können der AG Schwulenpolitik des whk ähnliche Beobachtungen gegebenenfalls anonym unter whk@freunde.de (Stichwort: "Klappenterror") zur Dokumentation gemeldet werden. Erinnert sei daran, daß schwule Aktivisten 1980 mit der Zertrümmerung von Einwegspiegeln in Hamburger Klappen bundesweit für einen Polizeiskandal sorgten.