whk0108/26.05.2008
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"Röhm-Bunker": Täterehrung inklusive

whk: "Denkmal für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen" ist No-Go-Area für Antifaschisten

Am 27. Mai 2008 um 13 Uhr wird im Berliner Tiergarten der "Nationale Gedenkort für die homosexuellen Opfer des Nationalsozialismus" eingeweiht. Hierzu erklärt die AG Schwulenpolitik des wissenschaftlich-humanitären komitees (whk):

Das whk distanziert sich von dem als "Nationaler Gedenkort" initiierten und angelegten Denkmal, denn seine Lage und Entstehung stellen eine Verhöhnung der Opfer des nationalsozialistischen Terrors dar.

Das whk erinnert daran, daß eine Gruppe schwuler Bürgerrechtler im Sommer 1999 erklärte, die vom Bundestag beschlossene Errichtung eines Denkmals für die ermordeten Juden Europas diskriminiere "drittklassige Opfergruppen". Diese Mischung aus Dummheit, historischer Unkenntnis und antisemitischem Ressentiment mündete in eine regelrechte Kampagne in den Homo-Medien, die sich antijüdischer rhetorischer Figuren und Stereotypen bediente. Die künstlerische Gestaltung des Denkmals als "ausgestoßene Stele" reflektiert genau diesen gedanklichen Hintergrund.

"Mit Schweigen übergeht man die offensichtliche Tatsache, daß …die große Mehrheit" der Homosexuellen "genau wie die anderen deutschen Männer und Frauen zu den willigsten Untertanen und Nutznießern des Nazistaates gehörte", hatte Manfred Herzer schon 1985 im Schwulenblatt Siegessäule den "Rosa Winkel-Mythos" demontiert. Diese einfache Erkenntnis allein hätte ein Denkmal verhindern müssen, an dem im homosexuellen Opfer in allzu vielen Fällen zugleich der nationalsozialistische Täter geehrt werden wird.

So aber wird man nun am Rande des südöstlichen Großen Tiergartens auch so prominenten Opfern die Ehre erweisen wie dem bis 1945 an exponierter Stelle tätigen Theaterintendanten Hanns Niedecken-Gebhard, der 1936 die Festspiele zur Olympiade und 1937 Berlins 700-Jahrfeier inszenierte. Oder dem Weltrekordläufer Otto Peltzer. Bevor er 1938 wegen §175 nach Plötzensee und später Mauthausen kam, hatte er die Reichswacht redigiert, um "die Jugend auf die Bedeutung der Rassenhygiene hinzuweisen", in seiner Dissertation für "die zwangsmäßige Unfruchtbarmachung geistig Minderwertiger und somit Entarteter" sowie deren "Absonderung in Arbeitskolonien" plädiert und als NSDAP- und SS-Mitglied Reden für das SS-Siedlungsamt gehalten. In der Konsequenz darf sich also niemand beschweren, wenn Neonazis dort nächstes Jahr am 75. Todestag des auf Hitlers Geheiß ermordeten homosexuellen SA-Chefs Ernst Röhm einen Kranzabwurf veranstalten: Dann haben sie verstanden.

Nicht zuletzt folgt die historisch absurde Aufnahme von Lesben in den Homo-Gedenkkanon allein politischem Opportunismus. Wiederum zeigt sich, daß ein solches Gedenken nur anhand der konkreten Biographie, nicht aber kollektiv erfolgen kann. So war Claire Waldoff zur Nazizeit die bekannteste Lesbe im Reich. Sie kam aber 1942 nicht ins Frauen-KZ Ravensbrück, sondern als Mitglied der Reichskulturkammer zur Frontbetreuung der Wehrmacht ins besetzte Paris.

Es erweist sich überdeutlich, daß das politische Ziel dieses Denkmals nicht im Gedenken an homosexuelle NS-Opfer besteht. Sie sind Mittel zum Zweck, eine Opfergruppe als Quasi-Ethnie zu konstituieren, um heutige, oft materielle Interessen von Verbänden und Funktionären ideologisch zu untermauern. Dafür nehmen die Initiatoren um den Lesben- und Schwulenverband und ihre politischen Unterstützer schamlos eine Relativierung des Holocausts durch latente Gleichsetzung mit der Homosexuellenverfolgung in Kauf, die gerade nicht auf totale Vernichtung zielte.

Homosexueller NS-Opfer zu gedenken gäbe es genügend unbedenkliche Alternativen. Gute Beispiele sind die Gedenkstätten in ehemaligen Konzentrationslagern wie auch die "Aktion Stolpersteine" des Künstlers Gunter Demnig, bei der ganz konkreter Personen gedacht und an ihren Leidensweg erinnert werden kann. In diesem Rahmen übernahm auch das whk bereits vor Jahren die Patenschaft über den Gedenkstein für ein schwules Nazi-Opfer. Und nicht zuletzt kann man nirgendwo mehr ermordeter Homosexueller gedenken als am Berliner Denkmal für die ermordeten Juden Europas. Es sei denn, man denkt Homosexuelle als Deutsche und Juden als: Juden.

Rückfragen: 030/6515213