Dokumentation
Wolfgang Zirk gegen Ortwin Passon
In den Ausgaben 14 und 16 der vom whk herausgegebenen Zeitschrift Gigi war das Verhalten des inzwischen pensionierten Kriminalhauptkommissars Wolfgang Zirk Gegenstand einer juristischen Falldokumentation "Hetzen im Dienst ist okay" über polizeiliche Schwulenfeindlichkeit an Berlins Fachhochschule für Verwaltung und Rechtspflege (FHVR) sowie der Meldung "Kopulationsbewegungen (2)". Der Protagonist erkannte sich wieder und stellte mit Schriftsatz vom 20. August 2001 gegen den Autor, das Berliner whk-Mitglied Ortwin Passon, Strafanzeige wegen Beleidigung, Verleumdung und übler Nachrede (Az. 251/01 H 01 gi).
Nach Akteneinsicht beim Polizeipräsidenten in Berlin (Az. 010906/4171-0) beantragte Hans-Joachim Ehrig Fachanwalt für Strafrecht und Presserecht in der Kanzlei der Bundesverbraucherministerin Renate Künast und des damaligen Berliner Justizsenators Wolfgang Wieland am 21. November 2001 die Einstellung des Ermittlungsverfahrens unter Beifügung folgender Stellungnahme zum Zirk-Schriftsatz:
Die in o.g. Schriftsatz von Herrn Wolfgang Zirk einleitend vorgetragene Behauptung, mein Mandant würde ihm in einem "Artikel" der sexualpolitischen Fachzeitschrift Gigi Nr. 14, S. 16 ff. Volksverhetzung und Beleidigung unterstellen, ist falsch und wird zurückgewiesen.
Richtig ist, daß es sich nicht um einen redaktionellen Beitrag in Form einer Reportage, eines Reports, einer Glosse, einer Kolumne oder eines Kommentars handelte, sondern um die "Dokumentation einer juristischen Fallstudie". Diese war eine Mischform aus Bericht und Dokumentation um einen Vorgang, der die Öffentlichkeit zuvor schon stark interessierte, zu dokumentieren, d.h. Entstehung, Verlauf, Hintergründe und Abschluß aufzuzeigen, wobei der Schwerpunkt eindeutig auf Dokumentation lag und wobei ein Autor auch nicht gezwungen ist, sich eines Kommentars oder einer Wertung zu enthalten. Tatsächlich hat sich der Autor mit letzterem in dieser Dokumentation sehr stark zurückgehalten. Wenn überhaupt, dann war die Überschrift "Hetzen im Dienst ist okay" ansatzweise Meinung, d.h. Kommentierung: Sie spiegelt den Eindruck wieder, der entstehen kann, wenn man sich sachlich mit dem Vorgang befaßt.
Beweis: Gigi Nr. 14, S. 16 ff.
Die ebenfalls einleitend vorgetragene Behauptung, durch meinen Mandanten sei es zu "Verzerrungen durch Weglassungen und Verfremdungen" gekommen, ist absurd und wird zurückgewiesen.
Richtig ist, daß 33 Fußnoten als Quellenangaben dienen und die Seriosität des Beitrags belegen ("Fundstellen").
Beweis: Gigi Nr. 14, S. 20
Die ebenfalls einleitend vorgetragene Behauptung, "einziger Zweck von Passon scheint Schädigung meiner Person zu sein", ist ebenfalls unzutreffend und ist aus zweierlei Gründen zurückzuweisen.
Erstens sieht Herr Zirk anscheinend nicht den Beitrag meines Mandanten im Kontext des Themenschwerpunktes des Heftes. Zweitens liegt es meinem Mandanten, der sich seit 1974 nachweislich ehrenamtlich für das Allgemeinwohl engagiert aktuell u.a. im Ehrenamtlichen Dienst der Abteilung Sozialwesen des Bezirksamtes Tempelhof-Schöneberg von Berlin (Er vertritt dort zu besonderen Anlässen den Bezirksbürgermeister, den Regierenden Bürgermeister von Berlin und ggf. auch den Herrn Bundespräsidenten) völlig fern, andere Menschen zu schädigen.
Beweis: Kopie seines Dienstausweises
Die Behauptung des Herrn Zirk auf S. 4 unten, er "habe nicht den in den Medien zitierten Wortschatz benutzt", ist ebenfalls als falsch zurückzuweisen.
Tatsächlich hat mein Mandant lediglich aus allgemein zugänglichen Publikationen, insbesondere aber auch der Schriftsätze des Rechtsanwalts Wilhelm Lodde und der Rechtsanwältin Ursula Hofmann zitiert, so daß über die bereits erfolgte staatsanwaltschaftliche und gerichtliche Prüfung auch dieser Ausführungen hinaus kein Anlaß für weitere Nachprüfung bestand.
Beweis: Gigi Nr. 14, S. 20, Fn. 1
Die von Herrn Zirk auf S. 5 mittig selbst vorgenommene Feststellung "Einige Tage später traf ich Herrn Klarner in der Cafeteria der FVHR und wollte ihn nochmals ansprechen, er reagierte jedoch nur mit einem beleidigten Kopfwerfen" kommt einer Selbstanzeige gleich. Seine anschließende Einlassung, er "wußte auch nicht, daß sich unter den Hörern jemand mit homosexueller Neigung befand" ist eine konditionelle Äußerung und kann nur bedeuten: Hätte er es gewußt, hätte er nicht gehetzt.
Wenn jemand als Lehrbeamter vor vollem Hörsaal steht und da er sich mit Jugend, Kriminalität etc. beruflich befaßt davon ausgeht, daß kein Homosexueller sich im Saal befindet, dann zeugt das im besten Falle von bedrohlicher Inkompetenz: Die Sexualwissenschaft geht seit gut 60 Jahren von einem Anteil von 5-10 % Homosexuellen in der Bevölkerung aus.
Beweis: Zirk-Schriftsatz, S. 5 mittig
Die Behauptung des Herrn Zirk auf S. 7 Abs. 1, die "Einleitung eines Disziplinarverfahrens gegen mich hat mich nervlich belastet, weil ich mich ansonsten eines guten Rufes innerhalb der Polizei und bei den Studierenden der Fachhochschule als Dozent erfreut habe", ist zu bezweifeln und gleich unter mehreren Aspekten zu relativieren.
Erstens erfreute er sich dessen nachweislich nicht bei "Hörern mit homosexuellen Neigungen" (s.o.).
Beweis: Strafantrag mit unbedingtem Strafverfolgungsinteresse des Opfers wie auch das parallele Medieninteresse an diesem Fall
Zweitens wird damit suggeriert, mein Mandant habe keinen guten Ruf. Diese Andeutung wird mit Entschiedenheit zurückgewiesen, u.a. unter Hinweis auf seine zahlreichen Verdienste um Volk und Staat.
Beweise: Urkunde über die Verleihung des Silbernen Feuerwehr- und Katastrophenschutz- Ehrenzeichens am Bande des Senators für Inneres, Prof. Dr. Dieter Heckelmann, vom 8. November 1995;
Urkunde über die Verleihung der Ehrenplakette des Senats von Berlin durch die Senatorin für Schule, Jugend und Sport, Ingrid Stahmer, vom 21. Mai 1997;
Urkunde über die Verleihung des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland durch Bundespräsident Johannes Rau vom 1. Juni 2000; Beitrag hierüber in: Gigi Nr. 9, S. 6 f.Im übrigen belastet allein das unsubstantiierte Ermittlungsverfahren meinen schwerbehinderten Mandanten, der an einer tödlichen und unheilbaren Krankheit mit verkürzter Lebenserwartung leidet, nachweislich nervlich und organisch sehr stark.
Beweise: Gutachten
Auf S. 7 unten behauptet Herr Zirk einen "Angriff", bei dem sich der von ihm geschädigte Ex-Kollege Joachim Klarner meines Mandanten als Verfasser "bediene" und dabei "erheblich journalistische Pflichten" verletze ohne die "Möglichkeit einer Ergänzung oder Erwiderung zu geben."
Tatsächlich wird in der Dokumentation niemand angegriffen. Desweiteren läßt sich mein Mandant nicht benutzen, sondern ist als Politikwissenschaftler durchaus in der Lage, selbst zu denken. Die Vielzahl der Fußnoten als Quellenhinweise in Verbindung mit der textlichen Ausführlichkeit belegen seine hohe journalistische Seriosität. Darüber hinaus zeichnet sich eine Dokumentation nicht durch Rede und Gegenrede aus, es gibt somit anders als beispielsweise in einem juristischen Verfahren auch keinen Anspruch auf irgendein Gehör. Im übrigen war dies auch gar nicht nötig, denn der Täter war im Gegensatz zum Opfer freigesprochen worden, und das ist ausdrücklich festgestellt worden, und genau diesen Skandal sollte die Dokumentation festhalten: Der Fall Klarner./.Zirk ist exemplarisch für den Umgang der Staatsgewalt mit Hetze gegenüber deviantem Sexualverhalten als Teil der "Säuberung von alternativen Sexualmilieus" (Heft-Titel) durch die Polizei und paßte damit als Dokumentation dessen hervorragend in den Kontext des Heftschwerpunktes.
Beweise: Hochschulabschluß des Beschuldigten;
Titelthema und Schwerpunkt der Gigi Nr. 14Anschließend behauptet Herr Zirk, daß es unzulässig und gegen seinen Willen zur Veröffentlichung seines Paßbildes gekommen sei. Diese Behauptung ist ebenfalls als unzutreffend zurückzuweisen.
Richtig ist, daß dieses Bild bereits in einer Zeitschrift mit weit größerem Publikum veröffentlicht wurde. Dieses bereits in der Zeitschrift die kriminalpolizei publizierte Foto wurde lediglich ebenfalls in der Gigi dokumentiert und vorgenannte Foto-Fundstelle ebenfalls journalistisch korrekt als solche ausgewiesen.
Beweis: Gigi Nr. 14, S. 19, Innenfalz, unten
Auf S. 8 oben moniert Herr Zirk den "Begleittext" zu vorgenanntem Foto und anschließend die Bezeichnungen "Klappengänger" und "Klappensexexperte" als besonders verletzend, da sie "eine bestimmte (homo-)sexuelle Verhaltensweise" unterstellten. Diese Moniten sind als haltlos zurückzuweisen.
Offenbar weiß Herr Zirk nicht, was ein Subtext ist. Die Frage hinter dieser Formulierung lautet: Warum geht Herr Zirk so oft auf die Klappe? Weil er so seine Eigenaussage "öfter mal muß"? Da sich der Mann öfter auf Klappen aufhielt, müssen sie ihn zumindest fasziniert haben, aus welchen Motiven auch immer. Diese Eigenaussage in Verbindung mit seinem im Schriftsatz selbst eingeräumten Vortragsbeispiel rechtfertigt auch die Wahl der Bezeichnungen "Klappengänger" und "Klappensexexperte". Die Behauptung, diese hätten ihn besonders verletzt, ist insofern nicht nur unglaubwürdig, sie ist auch ein Eingeständnis der von Herrn Zirk zuvor geleugneten eigenen Homophobie.
Beweise: Zirk-Schriftsatz, S. 3 le. Abs., S. 4 oben und S. 4 unten
Auf S. 8 unten behauptet Herr Zirk, der Untertitel "Kein unbeschriebenes Blatt" beziehe sich "gewöhnlich auf Vorstrafen und ähnliche Erkenntnisse" und würde ihm derartiges unterstellen. Das ist Unsinn. Anschließend meinem Mandanten die Benutzung von Sekundärquellen vorzuwerfen, ist unzulässig.
So ist beispielsweise Albert Einstein bezüglich Physik auch kein unbeschriebenes Blatt. Tatsächlich gibt es im Deutschen mehrere mögliche Bedeutungen dieser Formulierung. Erst an letzter Stelle kann sie auch die Bedeutung von "vorbestraft" sein, wenn die Formulierung stattdessen in Gänze gelautet hätte: "bei der Polizei kein unbeschriebenes Blatt mehr zu sein"; lautete sie aber nicht. Und die Benutzung von Sekundärquellen in einer Dokumentation ist eine absolut gängige journalistische Methode, um die eigenen Eindrücke durch Eindrücke Dritter zu ergänzen bzw. zu belegen.
Beweis: DUDEN. Die sinn- und sachverwandten Wörter. Synonymwörterbuch der deutschen Sprache, Band 8, Mannheim 1997, S. 737
Der einzige Fehler meines Mandanten war, daß er in seiner Dokumentation eine veraltete, (inzwischen) durch den Gesetzgeber aktualisierte Formulierung des § 130 StGB zitierte (Gigi Nr. 14, S. 17).
Diesen Fehler hat er nach Erscheinen selbst bemerkt und unaufgefordert in der darauffolgenden Gigi-Ausgabe korrigiert.
Beweis: Gigi Nr. 15, S. 7, Errata, Ziff. 2.
Schließlich schreibt Herr Zirk auf S. 8 unzutreffend, daß die Behauptung meines Mandanten "schlichtweg erfunden" und "verleumderisch" sei, Herr Zirk wäre wegen eines Artikels im Tagesspiegel vom damaligen [Diese Passage wurde geschwärzt gemäß Urteil des Landgerichts Berlin vom 12. 2. 2008.] worden.
Richtig ist, daß diese Behauptung über Herrn Zirk im Internet veröffentlicht ist und von meinem Mandanten im Rahmen seiner Eigenrecherchen entdeckt und dokumentiert wurde, wobei er lediglich versäumte, auch diese Fundstelle als Zitat kenntlich zu machen (was auf Wunsch in der kommenden Gigi-Ausgabe in der Errata-Spalte gern nachgeholt werden kann).
Beweis: Nachrecherche im Internet von heute, Fundstelle: http://jugendserver.spinnwerk.de/~
lagmobilestrasse/gpoliz.htm, S. 5Abschließend wird der Vorwurf einer "Verleumdungskampagne" und eines "Zusammenwirkens" mit Herrn Zirks Ex-Kollegen Joachim Klarner aufs schärfste zurückgewiesen.
Bereits vier Monate im voraus legt die Chefredaktion den Schwerpunkt einer jeden Ausgabe der sexualpolitischen Fachzeitschrift Gigi fest. Im Fall der Nr. 14 ("Die Kriminalpolizei rät: Klappe zu") also bereits im Februar 2001.
Beweis: Zeugnis des Chefredakteurs Eike Stedefeldt
Tatsächlich ist meinem Mandanten Mitte Mai ein brauner DIN-C-4-Umschlag ohne Absender- und Adressangabe im Briefkasten eingeworfen worden. Dieser enthielt sämtliche Schriftsätze, Entscheidungen und Briefwechsel zum aufsehenerregenden Fall Klarner./.Zirk in Kopie.
Aufgrund seiner Tätigkeit als Hauptschöffe am Landgericht Berlin und als Ehrenamtlicher Richter am Sozialgericht Potsdam war er sich der Bedeutung der ihm anonym zugespielten Belege bewußt, hat diese stichprobenartig verifiziert und darüber hinaus eigene Recherchen angestellt (s.o.).
Beweise: Wahlmitteilung des Landgerichts Berlin vom 8. Dezember 2000;
Berufungsschreiben des Ministeriums für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Frauen des Landes Brandenburg vom 19. Februar 2001Wegen der Brisanz und dem Konfliktpotenzial des Falles hat er seine Dokumentation wie regelmäßig jeden seiner übrigen Beiträge für die Gigi einer Richterin vorgelegt mit der Bitte um Prüfung, ob er damit womöglich gegen Tatbestände verstoßen könnte. Auch diese Prüfung blieb ohne Beanstandung ("Verbotsirrtum").
Beweis: Zeugnis einer Richterin am AG Potsdam
Daß die Veröffentlichung dieser Dokumentation durchaus ihre Berechtigung hatte, wurde zudem durch Entscheidungen des Verwaltungsgerichts Berlin und des Oberverwaltungsgerichts Berlin erst vor wenigen Wochen deutlich, die in anderen Fällen von homophober Hetze sowohl gegen Homosexuelle im allgemeinen als auch gegen den Herrn Regierenden Bürgermeister von Berlin sehr wohl auf Beleidigung und Volksverhetzung erkannten (VG 2 A 200.01 und OVG 3 SN 17.01 sowie VG 2 A 201.01 und OVG 3 SN 18.01).
Selbstverständlich wurden auch diese Entscheidungen in der aktuellen Ausgabe der Gigi dokumentiert.
Beweis: Gigi Nr. 16, S. 17, Kopulationsbewegungen (2)
Im übrigen besteht an der Renommiertheit dieser sexualpolitischen Fachzeitschrift und der darin Publizierenden in der sexualwissenschaftlich interessierten Fachwelt kein Zweifel.
Eine beachtliche Anzahl von wissenschaftlichen Institutionen im In- und Ausland gehört zu den Abonnenten der Gigi.
Beweis: Verzeichnis der Institutionen-Abonnements der Zeitschrift Gigi (Auszug), Stand 13.11.2001
Abschließend sei darauf hingewiesen, daß die Gigi am 22. September d.J. in Köln den Felix-Rexhausen-Journalistenpreis mit einer vielsagenden Begründung erhielt: "... Die Jury war überrascht, ein so unabhängiges Magazin zu finden: Ganz abgesehen von eigenen politischen Orientierungen, möchten wir mit dieser Auszeichnung auch den Mut loben, unbequem zu sein und unbequem zu bleiben. Zwei wichtige Punkte sind der Jury aufgefallen: Gigi greift Themen auf, über die bereits ein vermeintlicher Konsens in der Gesellschaft besteht (wie z.B. bei der sogenannten "Homo-Ehe") und zeigt hervorragend recherchiert kritische Perspektiven auf. Gigi ist aber auch eine Zeitschrift, die sich neuen Themen zuwendet und Diskussion und Erkenntnis darüber vorantreibt. Der Preis soll auch Ansporn sein, diese Arbeit weiterzumachen. Herzlichen Glückwunsch!"
Beweis: Gigi Nr. 16, S. 36, Schwerer Systemfehler.
Am 26. November 2001 erging infolge dieser Erwiderung der Einstellungsbescheid durch die Berliner Staatsanwaltschaft (Az. 78 Js 138/01). Was bleibt, ist eine Anwaltsrechnung in Höhe von 482,54 DM (246,72 €). Die Redaktion Gigi und das herausgebende whk bitten deshalb dringend um Spenden aufs Gigi-Konto 5710428010 bei der Berliner Volksbank, BLZ 100 900 00. Stichwort: "Police Academy".