Dokumentation
Leserbrief des whk Südbaden an "Sonntag in Freiburg"
'Der Sonntag in Freiburg'
An die Redaktion und Autor Klaus Riexinger
Humboldtstr. 2 Telefon: 207458011
Telefax: 207458008
D- 79098 Freiburg11. 7. 2000
Betrifft: Artikel 'Im Schatten von Corpus Christi' in 'Der Sonntag' vom 9. 7. 2000
Sehr geehrte Damen und Herren, sehr geehrter Herr Riexinger,
selbstverständlich begrüße ich, daß Sie mir als Vertreter einer Gegenposition aus der "Szene" zum geplanten Gesetzentwurf zur Eingetragenen Partnerschaft in Ihrem Artikel Raum gaben. Jedoch haben meine Aussagen wohl notwendigerweise einige Kürzungen erfahren, die aber leider zu Unklarheiten und Mißverständnissen führen. Ich bitte Sie daher, die nachfolgenden Korrekturen und Ergänzungen (evt. in Leserbriefform) zu veröffentlichen:
Es gibt in der deutschen Schwulen-, Lesben- und Transgenderszene eine breite Bewegung, die dem Gesetzentwurf der rotgrünen Koalition ein Konzept der Wahlverwandschaften entgegensetzt. Das wissenschaftlich-humanitäre komitee (whk) hat dem eine bundesweite Aktion (www.neinwort.de) gewidmet, ein Frauenbündnis um die größte deutsche Lesbenorganisation, den Lesbenring e.V., startete vor einem Jahr die "Schlampagne". Auch zahlreiche andere Vereine und Verbände, so die Deutsche AIDS-Hilfe oder der landesweite Runde Tisch der Lesben und Schwulen in Brandenburg sprechen sich gegen die Eingetragene Partnerschaft und statt dessen für das Modell der Wahlverwandtschaften aus. Dieses berücksichtigt weit mehr Beziehungsformen und Lebensmodelle als nur die staatlich sanktionierte Zweierbeziehung. Es zielt somit auf eine tatsächliche Gleichstellung im emanzipatorischen Sinne und Minderheitenakzeptanz.
Im Gegensatz dazu unterstützt und bestätigt die nun geplante Regelung in erster Linie die Ehe eine als solche überholte und jeder Emanzipation entgegengerichtete Institution. Letztlich dient diese "Homo-Ehe" der Festigung patriarchaler Unterdrückungs- und Machtstrukturen, die letztlich wiederum gesellschaftliche Homophobien hervorbringen und Vorurteile erhalten.
So ist es denn auch kein Zufall, daß der Gesetzentwurf ausgerechnet das Adoptionsrecht als "zuviel Sprengstoff" (Schwusos-Landessprecher BaWü Burandt) ausspart und als besonders aparter Schuß ins eigene Knie damit gleichzeitig das Vorurteil bestätigt, Schwule und Lesben seien potentielle Kindesverführer.
Die Erfahrungen aus Skandinavien und den Niederlanden legen auch für Deutschland die Befürchtung nahe, daß, wenn das Gesetz durchgeht und Homosexuelle "ihr Stück vom Kuchen" von Mehrheits Gnaden bekommen haben, über Jahre hinaus in Politik und Gesellschaft nicht mehr über weitergehende For-derungen diskutiert werden wird. Das heißt nichts weniger, als das alle diejenigen, die diese spezielle Form der Lebensweise nicht eingehen wollen oder können (und das ist immerhin die Mehrheit in dieser Gesellschaft und nicht nur des schwul-lesbisch-transgender Spektrums!), auf der Strecke bleiben.
Aber noch ist es nicht soweit, und die homophoben Kräfte dieser Gesellschaft haben bereits begonnen, ihre Pfründe vehement zu verteidigen: sie verbeißen sich in ihre altväterlich-nationalistischen Wertvorstellungen von Ehe und Familie wie ein Straßenhund in einen alten Turnschuh. Ich finde, den können wir ihnen lassen.
Uli Geusen (whk Südbaden, Rosa Hilfe Freiburg)