Positionen des whk, Ausgabe vom Juni 2000
Gewachsene Strukturen oder Wem gehört was beim CSD?
Der Kölner Szene-Klüngel, dargestellt anhand offizieller Quellen von Dirk Ruder
Wiederholt hat das whk auf undemokratische Strukturen beim Christopher-Street-Day (CSD), insbesondere in Berlin und Köln, aufmerksam gemacht [vgl. u.a. Gigi Nr. 2]. Anhand von Veröffentlichungen der lokalen Szeneblätter Box und RiK hier nun eine leider unvollständige Übersicht über aktuelle personelle und inhaltliche Verflechtungen bei der Kölner Klüngel-Parade 2000.
Dreh- und Angelpunkt der bundesweiten CSDs ist der Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD) als politischer Strömungsverein. Er begreift die oft als "pluralistisch"und "überparteilich" angesehen Feierlichkeiten in Berlin, Frankfurt, Hamburg, München und Köln als Mittel zur Durchsetzung seiner eigenen politischen Ziele. LSVD-Funktionäre vertreten diese Okkupation recht ungeniert: "Wir fordern die Bundesregierung auf, bis zum CSD im Juni das versprochene Gesetz mit dem Ziel der Gleichberechtigung vorzulegen. Denn notfalls sorgen wir dafür, daß die CSD-Paraden zu Massenprotesten gegen die Untätigkeit der Bundesregierung werden!", so LSVD-Pressesprecher Klaus Jetz im April. Oder: "Wenn bis zum diesjährigen CSD kein zufriedenstellender Gesetzentwurf zur Gleichberechtigung vorliegt, werden wir die CSD-Demonstration nutzen, um breit gegen die Bundesregierung zu mobilisieren", wie LSVD-Sprecherin Halina Bendkowski im Mai drohte. So wird der jahrelang vom LSVD systematisch entpolitisierte CSD nun der Öffentlichkeit als Protestveranstaltung einer quasi geschlossenen Front von hunderttausenden lesbisch-schwulen Homo-Ehe-Befürwortern präsentiert unabhängig vom politischen Willen und Wissen der einzelnen Teilnehmer/innen. Im Gästebuch der LSVD-Homepage kritisierte dies ein Anonymus als "Kidnapping" all jener, die schon lange vom "Rumgeheule" des LSVD "die Schnauze vollhaben".
Verständlicherweise hat der LSVD seine Verantwortlichkeiten und Beteiligungen am "Bürgerfest der Lesben und Schwulen" (LSVD-Sprecher Volker Beck) über verschiedene Konstrukte und Mittelsmänner/frauen strategisch verschleiert. So ist der LSVD in Köln seit Jahren nominell lediglich "für die Organisation der Parade zuständig" (SVD von A-Z). Die aktive Teilnahme an der als politische Demonstration angemeldeten Veranstaltung ist kostenpflichtig und erfordert eine Anmeldung beim LSVD. Der Verein behält sich "in Abstimmung mit dem Vorstand des Kölner Lesben- und Schwulentags (KLUST)" das Recht vor, "die Abfolge der Aufstellung der Parade und die Plazierung der Wagen/Fahrzeuge im Vorfeld festzulegen". Im Vorstand jenes KLUST sitzen wiederum einflußreiche LSVD-Vertreter. Das Verteilen eigener Flugblätter und Flyer wird teilnehmenden Gruppen vertraglich untersagt, damit "der politische Charakter der Veranstaltung erhalten bleibt", so Dr. Frank Weyers von der CSD-Veranstaltungs-GmbH.
Geschäftsführer dieser vor zwei Jahren von KLUST "und den wichtigsten Homo-Vereinen" (RiK 6/00) gegründeten GmbH sind der Gastro-Unternehmer Stefan Dick und Gabriele Fenner. Die GmbH stellt ihren Wirtschaftskunden und Sponsoren weder Mediadaten zur Verfügung, noch veröffentlicht sie Bilanzen. Ihr Gesellschafterkreis dürfte sich vorwiegend aus den Besitzern jener 13 Szene-Lokalitäten zusammensetzen, die namentlich in der "offiziellen" CSD-Hymne "Der geilste Arsch der Welt" genannt werden: Corner, Schampanja (Besitzer: GmbH-Mitgründer Bernt Ide), Timp, Quo Vadis, Park, Chains, Badehaus, Stiefelknecht, Elinor´s, Teddy Treff sowie Gloria und Lulu (beide: Stefan Dick). Box-Redakteur Ingo Toenges, auch Vorstandsmitglied der im Stadtrat vertretenen Regenbogenliste, ist, wie zahlreiche andere, GmbH-Gesellschafter und KLUST-Mitglied in Doppelfunktion. Die fälschlich als "oppositionell" geltende Regenbogenliste um den Optik-Unternehmer und "Ideengeber" Rudi Winter sowie die Bezirksstadträtin Maria Rohlinger plante in diesem Jahr für den CSD-Samstag erstmals einen eigenen "Marsch", um "die positiven Kräfte in den gewachsenen Strukturen der Community zu stärken": "Wir ziehen alle an einem Strang."(RiK 6/00)
Der KLUST versammelt "fast alle relevanten Personen und Projekte der Kölner Szene" (RiK 6/00) und organisiert den Gesamt-CSD laut eigenem Werbeinserat "in Kooperation" mit der von ihm selbst gegründeten CSD-GmbH. Zum Vorstand des KLUST zählen u.a. der Grünen-Fraktionsvorsitzende im Stadtrat Volker Bulla (Ressort Finanzen, politische Kontakte, WDR) sowie der seit 1996 als NRW-LSVD-Sprecher aktive Knut Dannat (Parade). Jutta Kropp (Künstler/innen, Bühne), Inhaberin der Szenebar "Vampire", fungiert als "Mitglied des Aufsichtsrates" der CSD-GmbH (RiK 4/00). Gerhard Malcherek (Presse, Öffentlichkeitsarbeit, Internet) arbeitet seit 1992 im Vorstand der Aids-Hilfe, die in der Vergangenheit zum CSD finanziell "einiges dazuschoß" (RiK 12/99). Außerdem ist er "in beratender Funktion für Gloria, Brennerei Weiß und Lulu tätig" (RiK 6/00).
Diese drei Lokale gehören seit kurzem wenigstens nach außen hin nicht mehr zur Firmengruppe des CSD-GmbH-Geschäftsführers Stefan Dick, deren Wirtschaftsberater Michael Schmidt heißt. Schmidt wiederum verantwortet im KLUST das Ressort "Internationale Kontakte" und ist "seit 1998 sogar Aufsichtsrats-Vorsitzender der CSD-GmbH" (RiK 11/99). Er verfügt über ausgezeichnete Kontakte zur Kölner SPD-Spitze und, nach RiK-Angaben, zu Bundesjustizministin Däubler-Gmelin. Der SPD-Mann engagiert sich seit Jahren als NRW-Landes- und Bundesprecher des LSVD und der führt zur Zeit mit der Bundesministerin Geheimverhandlungen zur Einführung der Homo-Ehe. Als Beauftragter für die "bundesweite Kooperation der CSD-Veranstalter" war Schmidt auch zuständig für das in diesem Jahr erstmals verteilte "offizielle Magazin zu den CSDs 2000". Das Gratis-Heft soll "die Vielfalt unserer Lebensformen" propagieren. De facto geben die versammelten Autor/innen, hauptsächlich Funktionäre des LSVD und seiner "angeschlossenen Vereine", die politische LSVD-Linie wieder. Das Grußwort stammt von der Bundesjustizmimisterin. Als Chefredakteur fungiert Dr. Christian Beese vom Kölner Szenemagazin-Monopolisten RiK. Nach Auffassung Beeses "verkennt" der Versuch einzelner Gruppen, "dem CSD wieder mehr politische Inhalte" zu geben, "die Realität der letzten Jahre": "Die Einheitlichkeit der Veranstaltung ist von wesentlicher Bedeutung."(RiK 5/00) In einem Hintergrund-Artikel behauptet das Blatt, beim KLUST habe "nach wie vor die Basis das Sagen" (RiK 6/00).
Der KLUST "wählt" das jeweilige Parade-Motto "schnell" (Box 3/00). Es besteht seit 1998 jeweils aus einer Homo-Ehe-Forderung. Die Einladung prominenter Redner/innen zum CSD Bundeskanzler Schröder ist angefragt wird nicht von den formalen Veranstaltern entschieden, sondern laut einer LSVD-Pressemitteilung vom 11. April auf LSVD-Verbandstagen. Den kommunalpolitischen Forderungskatalog des KLUST, auch der inhaltlich immer auf LSVD-Linie, schrieb (zumindest) in diesem Jahr der Parteifreund von Bundessprecher Volker Beck, Volker Bulla (Box 3/00).
Seit längerem werfen Kölner Kneipenwirte dem KLUST "selbstherrliches" und "undurchsichtiges" Agieren vor (Box 6/00). Im Frühjahr starteten sie deswegen eine Unterschriftenliste: "Wem gehört der Kölner CSD?" Die stellen wirklich merkwürdige Fragen.
Bleiberecht für alle!
Christopher Street Day Berlin 2000
Es lebe der Fortschritt! Heute können auch Homosexuelle normal sein, vorausgesetzt, sie sehen normal aus, wie richtige Männer und Frauen und möglichst deutsch, leben normal in geordneten Verhältnissen und haben normale Ansprüche, nämlich Gleichstellung und Integration. So viel Normalisierung ist schön, denn die Erfahrung von Unterdrückung, Ausgrenzung und Bedrohung ist es nicht.
Aus dieser Erfahrung entsteht aber nicht nur das Bedürfnis dazuzugehören, auch wenn auf den letztjährigen CSDs nichts anderes mehr zum Ausdruck kam. Aus der Erfahrung von Unterdrückung und Diskriminierung entsteht auch der scharfe, kritische Blick auf die Mehrheit, die unterdrückt, auf ihre Strukturen und ihrer Normalitäten und die Lust darauf ein anderes Leben zu leben.
Unsere Gruppen, die unter dem Namen Basis 69 gemeinsam an der CSD-Demo teilnehmen werden, wollen sich nicht integrieren in einem angeblichen Rechtsstaat, der seinen Wohlstand einer patriarchalen, auf Ausbeutung der Dritten Welt beruhenden Weltordnung verdankt. Im Bewußtsein dessen, daß der Anlaß für den CSD ein Aufstand von unterprivilegierten schwarzen und hispanischen Tunten, Transen, Schwulen und Lesben im New York des Jahres 1969 war, lauten unsere Forderungen:
I. Rassismus bekämpfen
1. Stoppt den Rassismus und seine Förderung durch staatliche Politik
Rassistische Diskriminierung und Kriminalisierung von AusländerInnen ist eine Praxis, die von den staatlichen Strukturen getragen wird und breite Unterstützung in der Bevölkerung findet. Sie ist genauso auch Bestandteil der lesbisch-schwulen Szene. Dort hat sie sich insbesondere über Kriminalstatistiken und Reporte eingerichtet, die als primäres Merkmal von Gewalttätern die ethnische bzw. kulturelle Herkunft angeben. Individuelles kriminelles Handeln wird wie früher von der Rasse, so heute aus der Kultur abgeleitet. Ausländer werden als homophob und gewaltbereit dargestellt, nicht auch als Teil der lebisch-schwulen Szene wahrgenommen
Wir fordern das Ende einer staatlichen Politik, die rassistische Praxis fördert und finanziert. Stoppt ethnisierende Kriminalstatistiken und -reporte!2. Asyl für Transsexuelle, Frauen, Lesben und Schwule Bleiberecht für alle
Das Grundgesetz bietet Asyl nur für politisch Verfolgte. Menschen, die aus anderen Gründen, sei es aus Flucht vor Hunger, Armut oder vor gesellschaftlicher Verfolgung nach Deutschland kommen, genießen hier nicht nur kein Asyl, sondern werden als Scheinasylanten diffamiert und damit für vogelfrei erklärt. Dabei haben Frauen, die vor Heiratszwang und Genitalverstümmelungen, Transsexuelle, die vor den Morden und Säuberungen staatlicher und parastaatlicher Ordnungskräfte fliehen, oder Homosexuelle, die in ihrem Heimatland von gesetzlichen Maßnahmen bis zur Todesstrafe bedroht sind, kein geringeres Recht, Asyl zu erhalten.
Die Mär von der Asylantenschwemme ist ein rassistisches Instrument.
Wir fordern: Offene Grenzen für alle! Abschaffung des Asylbewerberleistungsgesetzes Kein Aushungern von Flüchtlingen!3. Die Abschaffung der Lufthansa Deportation Class
Jährlich werden mehr als 32.000 Menschen per Linienflug gewaltsam aus der Bundesrepublik abgeschoben. Erster Profiteur dieser Exekutionsform staatlichen Rassismus ist die Deutsche Lufthansa. Regelmäßig kommt es bei Widerstand zu Gewaltexzessen des Bundesgrenzschutzes gegen abgelehnte AsylbewerberInnen. So kam vor rund einem Jahr auf dem Flug LH 558 von Frankfurt nach Khartum der Sudanese Aamir Aageb bei seiner Abschiebung ums Leben.
Wir fordern den sofortigen Stopp aller Abschiebungen! Wir erwarten von allen die sofortige Kündigung jeglicher Kooperationen mit der Lufthansa.
II. Keine Umschreibung der Geschichte
4. Keine Relativierung des Holocausts. Gedenken ohne aufzurechnen
Wir wollen homosexueller NS-Opfer nicht nur dann gedenken, wenn sie einen rosa oder wie viele Lesben als Asoziale einen schwarzen Winkel trugen, sondern auch, wenn sie als Jüdinnen und Juden, Sinti und Roma, Behinderte oder KommunistInnen ermordet wurden. Vor einem Jahr denunzierte der Pressesprecher des Berliner CSD e.V., Jürgen Bieniek, das Mahnmal für die ermordeten Juden Europas als ein Mahnmal der Ausgrenzung Homosexueller in bester Citylage. Doch dieses Mahnmal gedenkt mehr Homosexueller als jedes Mahnmal allein für die ermordeten Rosa-Winkel-Häftlinge! Mit der Formulierung in bester Citylage bediente Bieniek zudem das gängige Klischee vom jüdischen Immobilienspekulanten. Der vom Berliner CSD e.V. verbreitete Forderungskatalog fordert nun ein Mahnmal für schwule Verfolgte im III. Reich ... an einem zentralen Ort in der Hauptstadt Berlin. Wir distanzieren uns von dieser Forderung, nicht zuletzt weil sie eine ahistorische Gleichsetzung der 6.000 in den KZ ermordeten Rosa-Winkel-Häftlinge mit der systematisch geplanten und teils industriell vollzogenen Vernichtung von sechs Millionen Juden vornimmt. Wir empfinden die vom Berliner CSD e.V. verbreitete Forderung als scheinheilige Fortsetzung der Hetze seines Pressesprechers.
Wir fordern den Rücktritt des Pressesprechers des Berliner CSD e.V. , Jürgen Bieniek! Wir empfinden das Mahnmal für die ermordeten Juden in Europa sowenig als Ausgrenzung wie die Gedenktafel für die ermordeten Homosexuellen am Nollendorfplatz.5. Gegen die Verniedlichung der BRD-Strafverfolgung von Homosexuellen
Es war die BRD, in der die NS-Fassung des §175 bis 1969 unverändert galt und wo -zigtausende schwule Männer, teils von früheren Nazi-Richtern, verurteilt wurden. Das Oberste Gericht der DDR hob dagegen 1950 die 1935er zugunsten der Weimarer Fassung auf, und in den 60ern entschied das Kammergericht Berlin-Ost, daß bei allen unter §175 alter Fassung fallenden Straftaten weitherzig von der Einstellung wegen Geringfügigkeit Gebrauch gemacht werden soll. 1988 fiel der 1968 zum §151 reformierte §175 ersatzlos. Auch das MfS verfolgte keine sexuelle Orientierung, sondern auftragsgemäß Ansätze für vermeintlich gegen die DDR gerichtete politische Diversion. Darunter fielen auch Oppositionelle, die zufällig homosexuell waren und sich zu organisieren versuchten, autonom oder bei der Kirche.
Wir fordern das Ende einer Geschichtsverfälschung, die die Schwulenverfolgung in der BRD verharmlost und in ihren schärfsten Auswüchsen die DDR in die Nachfolge des Dritten Reiches stellt.III. Gegen die Ausgrenzung von Menschen mit HIV und AIDS
6. Soziale Absicherung und optimale medizinische Versorgung
In den Vorjahren einigten sich die am Berliner CSD beteiligten Gruppen auf eine soziale Grundsicherung, insbesondere im Hinblick auf chronisch kranke und behinderte Menschen, darunter solche mit HIV und AIDS. Diese Forderung wurde dieses Jahr von den Gruppen um den Berliner CSD e.V. ersatzlos gestrichen; dort will man nur mehr AIDS-Hilfeprojekte absichern. Dies ist ein beispielloser Skandal.
Ein Skandal ist auch die menschenverachtend Preispolitik der Pharmakonzerne, die es Millionen von HIV-infizierten Menschen in den ärmeren Ländern unmöglich macht, an die notwendigen Medikamente zu kommen.
Wir fordern dagegen die Verarmung von Menschen mit HIV und AIDS zu stoppen: durch existenzsichernde, die Erfordernisse der Krankheit berücksichtigende Einkommen. Positive und Erkrankte sollen auf Wunsch bevorzugt ins Erwerbsleben einbezogen werden und souverän über die ihnen zugestandenen Pflegegelder verfügen können. Medikamente für alle Betroffenen!IV. Keine Normierung von Sexualität und Geschlecht
7. Wahlverwandtschaft statt Homo-Ehe
Die Ehe ist ein patriarchales Konstrukt. In der Bundesrepublik wird zum Beispiel die Hausfrauenehe steuerlich besonders gefördert. Menschen leben jedoch seit jeher auch allein, zu mehreren oder vielen, verhalten sich monogam oder promisk. Wir fordern, diese Vielfalt an Lebenskultur anzuerkennen, sie zu erhalten, zu schützen und zu fördern und keinen dieser Lebensentwürfe gegenüber anderen zu bevorzugen. Überfällig sind die Durchsetzung des Individualrechts, die konsequente Einzelbesteuerung nicht nach Lebensform, sondern progressiv nach Einkommenshöhe, sowie das Adoptionsrecht Alleinlebender ungeachtet sexueller Orientierung.
Wir fordern die Streichung der Ehe aus dem Grundgesetz! Das Konzept von Homo-Ehe bzw. Eingetragener Partnerschaft lehnen wir als Instrument staatlicher Einmischung in unsere Lebensweisen entschieden ab.8. Das Ende der Gewalt gegen Transsexuelle und Transgenders
Menschen, die sich ihrem Geburtsgeschlecht nicht zugehörig oder durch geschlechtsspezifische Zuweisungen eingeengt fühlen (Transsexuelle bzw. Transgender-Personen), erleben aufgrund ihres Andersseins alltägliche Ausgrenzung und psychische, aber auch physische Gewalt. Hinzu kommt, daß sie sich durch das Gesetz zur Änderung der Vornamen und der Feststellung der Geschlechtszugehörigkeit in besonderen Fällen (TSG) pathologisieren lassen müssen. Dieses Gesetz gibt den Rahmen für Lebenskonzepte nach einer streng heterosexistischen Denkstruktur vor insbesondere werden in §8 operative Veränderungen der äußeren Geschlechtsmerkmale sowie die Herstellung der dauerhaften Fortpflanzungsunfähigkeit erzwungen.
Wir fordern den freien Zugang zu Vornamen und jeglichem Geschlecht für alle Menschen ohne entmündigende Begutachtung und TSG-Beschneidung, wie dies z. B. die International Bill of Gender Rights einfordert.
Wir wollen eine Gesellschaft, in der das Geschlecht keine Rolle mehr spielt!9. Stop der Genitalverstümmelungen bei intersexuellen Kindern
Intersexuelle bzw. Hermaphroditen werden mit geschlechtlich uneindeutigen Körpermerkmalen geboren. Deshalb versuchen Ärzte unter jahrelanger medizinischer Behandlung, sie einem der beiden Geschlechter zwangszuzuweisen. Von Genitalverstümmelungen über die Anfertigung von pornographischem Material bis hin zu schwersten psychologischen Traumatisierungen reichen die Erlebnisse, denen sie dabei als Kinder unterworfen werden. Ärzte vollstrecken an ihnen die gesellschaftlichen Vorstellungen von Normalität.
Wir fordern das sofortige Ende von Genitalverstümmelungen an intersexuellen Kindern. Die Gelder, die heute von den Krankenkassen für die medizinische Vernichtung intersexueller Menschen ausgegeben werden, sollen künftig in die Infrastruktur und in die psychologische Beratung von Intersexen fließen.10. Für die Rechte von SexarbeiterInnen, gegen Verbote von nichtsexistischer und -rassistischer Pornographie
Seit einem Jahr verlangt ein von Alice Schwarzer initiiertes Frauenbündnis, den Handel mit sowie den Besitz und Konsum von Pornographie als Volksverhetzung zu verbieten. Die plumpe These Die Konsumenten von heute sind die Täter von morgen unterschrieben auch Frauenministerin Christine Bergmann und Justizministerin Däubler-Gmelin. Letztere befürwortete zur selben Zeit das seit 1. Januar 1999 geltende schwedische Gesetz, das Prostitution legalisiert, jedoch den Kauf sexueller Dienste mit hohen Strafen belegt.
Wir fordern die Anerkennung der Prostitution als Beruf sowie das Recht von Huren, Strichern und PornodarstellerInnen, sich gewerkschaftlich und betrieblich zu organisieren. Wir wenden uns gegen jegliche Versuche, Besitz oder Konsum nichtsexistischer und nichtrassistischer Pornographie sowie den Kauf sexueller Dienstleistungen zu kriminalisieren, sofern die Beteiligten in ihrer Entscheidungsfreiheit nicht eingeschränkt sind.11. Gegen Rassenhygiene in der Medizin
Ende 1998 beschloß die Bundesärztekammer (BÄK) Richtlinien zur Durchführung der assistierten Reproduktion, die Ärztekommissionen erlauben zu entscheiden, wer sich fortpflanzen darf und wer nicht. Dazu werden nicht nur medizinische, sondern auch eugenische und soziale Indikationen herangezogen. Es verböte sich, gleichgeschlechtlichen Paaren bei der Reproduktion zu helfen, heißt es etwa in den Richtlinien wörtlich. Dies gilt ebenso für alleinstehende Frauen. Zudem läßt die Richtlinie die Vollstreckung rassistischer Vorurteile zu. Mitte November 1999 folgten Richtlinien für die Warteliste und für die Organvermittlung. Demnach werden bestimmte Personengruppen von der Transplantation ausgeschlossen, wobei die ins Feld geführten, fachlich teils unhaltbaren medizinischen Indikationen auffällig mit sozialen übereinstimmen. Wo überwiegend stigmatisierte Personengruppen Junkies, HIV-Positive (im Subtext: Schwule, Prostituierte, Promiske) und Alkoholiker (im Subtext: psychisch Labile, Arbeitslose, Sozialhilfeempfänger) betroffen sind, wo Suchtverhalten Unterprivilegierung und Ausgrenzung entspricht, exekutiert die Nachfolgerin der Reichsärztekammer durch ärztliche Minderbehandlung die Schadensabwendung vom gesunden Volkskörper.
Wir fordern den gleichberechtigten Zugang zu Spenderorganen für alle Menschen und verurteilen eine Praxis, die medizinische Hilfe einer menschenverachtenden Kosten-Nutzen-Logik unterwirft. Wir fordern den freien Zugang zu künstlicher Befruchtung für alle, die es wollen, sowie die Entmachtung der Bundesärztekammer als faktischen Gesetzgeber.
V. Gegen die innere Aufrüstung12. Soziale Absicherung statt Innerer Sicherheit
Während das soziale Netz immer weiter abgebaut wird, wird der Sicherheitsapparat immer weiter aufgerüstet. Er wird vor allem gegen die gerichtet, die aus diesem Netz fallen und mit den Konsequenzen leben müßen. Plätze werden zu gefährlichen Orten erklärt, an denen die Polizei dann willkürlich Platzverweise, verdachtsunabhängige Kontrollen und Verhaftungen vornehmen kann. Mit dem Geschwätz von Sozialschmarotzern wird Stimmung gegen die Ärmsten im Land gemacht. Öffentliche Videoüberwachungen, der Versuch, die Demofreiheit einzuschränken und die wieder eingeführten P(olitischen)-Abteilungen beim Berliner Staatsschutz sind die neusten Maßnahmen, mit denen Widerstand oder Nicht-Integration von Bevölkerungsteilen verfolgt und kriminalisiert werden soll.
Wir fordern das Ende der Kontrolle und Privatisierung öffentlicher Räume. Sofortige Abschaffung der neuen P-Abteilungen und der Maßnahmen zur Überwachung von öffentlichen und privaten Räumen. Stoppt den Polizeistaat!
Der Forderungskatalog wird unterstützt von:
Autonomes Lesbenreferat im AStA FU,
Autonomes Schwulenreferat im AStA FU,
mutvilla LesBiSchwulQueer an der HUB,
queerTU multisexuelles Referat im AStA TU,
lesbischwultransschräger Tag im EX,
whk wissenschaftlich-humanitäres komitee,
Surdo und Gomorrha,
anarchistische EntgrenzerInnen.
Café Transler