Positionen des whk, Ausgabe vom Oktober 1999
CSD Berlin 2000
Linke Gruppen verlassen den Vorbereitungskreis
Am 7. Oktober beschloß das in den Räumen der Berliner AIDS-Hilfe tagende CSD-Forum der Berliner lesbischen und schwulen Projekte mehrheitlich, daß der aus dem Gremium heraus zur organisatorischen Absicherung des Christopher Street Day gegründete CSD Berlin e.V. an keinerlei Beschlüsse des Forums mehr gebunden sein soll, nicht einmal an die drei zentralen über Motto, Forderungskatalog und Demo-Route.
Die Mehrheit in der Abstimmung kam dadurch zustande, daß der Lesben- und Schwulenverband in Deutschland siehe Schema alle seine meist durch Personalunion "angeschlossenen Anstalten" mobilisiert hatte und selbst nicht davor zurückschreckte, zusätzlich zum maßgeblichen Landesverband Berlin-Brandenburg seinen Jugendverband SVD fresh und den Bundesverband aufkreuzen zu lassen. Er ergaunerte sich damit eine solide Majorität in der Runde von sage und schreibe 30 Stimmen.
Die rechtskonformistischen Schwulen haben es damit einmal mehr geschafft, die Basisdemokratie auszuhebeln und entsprechend ihren Machtbedürfnissen eine Demokratie ohne Demokraten zu verwirklichen. Dem CSD Berlin e.V., der alles, nur nicht die soziale, politische und kulturelle Vielfalt der hauptstädtischen Lesben-, Schwulen-, Trans-, Bi- und Intersexuellenszene repräsentiert, wurde Generalvollmacht über den Berliner Christopher Street Day erteilt, womit das CSD-Forum praktisch nicht mehr existiert. Der Verein hat als Teil einer personell wie inhaltlich eng verflochtenen konservativen Seilschaft aus vornehmlich dem schwulen Infoladen Mann-o-Meter e.V., der Mann-o-Meter GmbH, dem LSVD, dem Schwulenbereich der Berliner Grünen sowie dem Sonntags Club e.V. eine klare politische Ausrichtung.
Da das CSD-Forum nun keinerlei Befugnisse und nur mehr "beratende Funktion" haben soll, hat das whk ebenso wie andere linke Projekte (darunter das SchwuZ, Schwulenreferat im AStA der FU, Schwestern der Perpetuellen Indulgenz und das Café Transler) beschlossen, damit keine Zeit und Energie mehr zu verschwenden und letztlich der ganzen Farce noch ein demokratisches Mäntelchen umzuhängen. Demonstrativ verließen die VertreterInnen dieser Gruppen nach dem Beschluß das Forum.
Absehbar ist nun, daß es im Jahre 2000 einen rechten CSD in Berlin geben wird, der ohne antirassistische oder emanzipatorische Forderungen durchs Nationale Symbol Brandenburger Tor zieht. Für den rechten Zeitgeist wird mit Jürgen Bieniek voraussichtlich auch wieder ein beim CSD e.V. angestellter Pressesprecher sorgen, der in letzter Zeit vor allem mit antisemitischen Argumentationsmustern für Furore sorgt. Was er von Antirassismus hält, ließ er die Forums-TeilnehmerInnen an jenem 7. Oktober wissen: "Dann mußt du selber die Zeitung gründen, die deinen Scheiß druckt" brüllte er auf die Frage in den Saal, wo denn in seiner Pressearbeit die drei antirassistischen Forderungen aus dem Katalog des letzten Berliner CSD geblieben seien.
Mutmaßlich Türken, Albaner, Rumänen, Griechen, Italiener
Volksschwule in Missionarsstellung: Mann-O-Meter e.V. wurde ein Antirassismus-Preis verliehen. Ohne Quatsch.
Schöneberg. Unerwünschte Anmache mußte am Freitag , dem 3. 09. 1999, ein 27-jähriger schwuler Mann in der Motzstraße erleben, als er gegen 21 Uhr 15 auf dem Weg in die Martin-Luther-Straße war. Auf dem Treppenabsatz der Nummer 19 saßen vier junge Männer, mutmaßlich italienischer, vielleicht aber auch rumänischer oder albanischer Abstammung ...
Tiergarten. Am Mittwoch, dem 23. 06. 1999, meldete ein schwuler Mann dem SÜB telefonisch, daß er gegen 19 Uhr Zeuge von zwei Überfällen im Tiergarten geworden sei. 4 junge Männer um die 20, mit der Mundart der in Berlin lebenden Türken ...
Schöneberg. Am Freitag, dem 29.05.99 gegen 23 Uhr, wurden in der Geisbergstraße zwei schwule Männer von 5 Männern mutmaßlich türkischer Herkunft angegriffen ...
Berlin. Mal wieder gingen der Polizei Täter ins Netz, aber deren Opfer sind verschwunden. Zwei Griechen, die auch fließend türkisch sprechen, konnten von der Polizei verhaftet werden.
Quelle: Mann-O-Meter-Homepage
Am 20. November wurde dem senatsgeförderten schwulen Infoladen Mann-O-Meter e.V. im Leuschner-Saal des Berliner DGB-Hauses feierlich der mit 2.500 Mark dotierte Mete-Eksi-Preis 1999 verliehen. Der 19jährige Mete Eksi war im November 1991 infolge einer bewaffneten Auseinandersetzung mit Weddinger Jugendlichen gestorben; im Gedenken an ihn hatten der Türkische Elternverein und die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaften Berlin den Mete-Eksi-Fonds e.V. gegründet, der diesen Preis stiftete. Dieser soll, so die Vereinsvorsitzende Sanem Kleff, Jugendlichen Mut machen, Initiativen zu ergreifen für ein besseres und einvernehmliches Zusammenleben.
Nachdem am 16. November das Kuratorium des Mete-Eksi-Preises bestehend aus den Journalisten Eberhard Seidel-Pielen und Halil Can sowie der Ausländerbeauftragten des Berliner Senats, Barbara John (CDU) in einer Presseerklärung die diesjährigen Preisträger bekanntgegeben hatte, wandte sich das whk am 17. November mit dem folgenden Offenen Brief an den Mete-Eksi-Fonds. Er wurde bisher nicht beantwortet.
Das Kuratorium des Mete-Eksi-Preises ist erreichbar unter:
Mete-Eksi-Fonds e.V., c/o GEW Berlin, Ahornstraße 5, 10787 Berlin
Chronik
15. Januar 1994
Die Demonstration zum Christopher Street Day könne nicht derart mit politischen Inhalten überfrachtet werden, sonst vergißt man, daß der CSD damit begann, daß Polizisten aus einer schwulen Kneipe herausgeprügelt wurden, behauptet der Chef des Überfalltelefons, Bastian Finke, in der Zeitung Box. Er begann nicht mit der Verkündung politischer Forderungen gegen Sexismus und Rassismus. Finke verbreitet damit eine rassistische Legende: Tatsächlich waren es die Underdogs der Szene, obdachlose Latinos und farbige Tunten, die 1969 das New Yorker Stonewall Inn gegen eine Razzia verteidigten.13. April 1994
Die PDS-Schwulengruppe protestiert beim Magazin Männer aktuell, das Mann-O-Meter-Überfalltelefon sei in keiner Weise als objektive Größe zu bewerten, denn die Vergabe des Ausländerbegriffes an die Täter wird und kann ausschließlich von den Opfern vorgenommen werden, welche eben auch nur durchschnittlich vorurteilsfrei sind. Auslöser ist ein reißerisch mit Ausländer gegen Schwule betitelter Dreiseiter. Autor Micha Schulze, heute Verleger von Queer, hatte mit Ausländer auch hier Geborene gemeint, die nichtdeutsch aussehen oder sprechen. Ein Zusammentragen von schlechten Erfahrungen schwuler Männer mit nichtdeutschen Menschen bestärkt die Angst und daraus resultierende Feindlichkeit gegenüber Andersartigen, so die PDSler. In der Szene verstärkt eine Negativberichterstattung dieser Art den Mechanismus, in Schubkästen einzuordnen: z.B. farbig = Ausländer = gewalttätig.Juni 1994
Wer von Gewalt gegen Frauen und Lesben und Gewalt gegen Schwule spricht, darf zu Rassismus und Antisemitismus nicht schweigen. Wir sind für das Bleiberecht für alle, egal ob für Schwule und Lesben aus Rumänien ... oder für die Kurdinnen und Kurden, denen in der Türkei Folter und Tod droht, formuliert das Aktionsbündnis Internationaler Christopher Street Day, dem neben der jüdischen Lesben- und Schwulengruppe LChaim auch SOS Rassismus Berlin angehört, in klarer Abgrenzung zum Veranstaltertriumvirat des offiziellen CSD, bestehend aus Mann-O-Meter, dem Schwulenverband in Deutschland (SVD) und dem Sonntagsclub.21. Juni 1997
Die aus der Schwulen Antifa hervorgegangenen Queerulanten verleihen Mann-O-Meter auf dem von ihm selbst initiierten Lesbisch-schwulen Stadtfest den Braunen Stöckel für die am meisten geleistete Scheiße des letzten Jahres. Grund ist eine Einladung an den CDU-Rechtsaußen und Innensenator Jörg Schönbohm.8. Juli 1997
Pressesprecher Jürgen Bieniek jubelt in einer Information für die Medien, Innensenator Schönbohm habe sich beeindruckt von der professionellen Arbeit des Anti-Gewalt-Projekts gezeigt, darunter von der statistischen Dokumentation antischwuler Gewalt. Projektleiter Finke hat zuvor den Abschiebesenator auf den signifikant hohen Anteil ausländischer (!) Jugendlicher unter den Tätern hingewiesen. Mit polizeilichen Mitteln allein, so Finke, sei dem antischwulen Gewaltpotential ausländischer Jugendlicher nicht zu begegnen.Sommer 1997
Die Ausländerbeauftragte von Berlin-Schöneberg lädt den Leiter des Überfalltelefons zu einem Rundtischgespräch mit Flüchtlings- und Immigrantengruppen ein, um Lösungsansätze antischwuler Gewalt zu diskutieren. Finke lehnt dankend ab, wie das vom Autonomen AstA-Schwulenreferat der FU herausgegebene Schwule Semesterinfo berichtet: Die Opfer sollten nicht zu den Tätern gehen.2. Dezember 1998
In seinen Thesen zum Fachgespräch im Rathaus Tiergarten zur Einrichtung eines Begegnungs- und Informationszentrums für Schwule, Lesben und Migrant/innen zitiert der SVD Berlin-Brandenburg den 1997er Jahresbericht des Schwulen Überfalltelefons von Mann-O-Meter: Nach Statistiken der schwulen Überfalltelefone handelt es sich bei den Tätern überwiegend um männliche Jugendliche zwischen 15 und 22 Jahren. In Berlin ist zudem der Anteil von Immigranten (vornehmlich türkischer Herkunft) mit 49 Prozent überproportional hoch. Der Chef des Überfalltelefons, Bastian Finke, saß einst im Vorstand beim SVD Berlin-Brandenburg; Mann-O-Meter-Vorstand Rudolf Hampel ist (L)SVD-Bundessprecher.11. Februar 1999
Mann-O-Meter und der SVD Berlin-Brandenburg nutzen ihre Stimmenmehrheit im CSD-Forum der hauptstädtischen Lesben- und Schwulenszene, um das Bleiberecht für alle als Motto des KuDamm-CSD 1999 zu verhindern. Wir fordern: Homosexualität als Asylgrund offene Grenzen für alle; Zuzugsstopp für Rassisten; individuelles Bleiberecht statt Heiratszwang; Stopp rassistischer Kriminalstatistiken von Mann-O-Meter, heißt es daraufhin im Katalog des 2. Kreuzberger Christopher Street Day, der u.a. von der Türkischen AIDS-Hilfe sowie der Initiative Kein Mensch ist illegal unterstützt wird.7. Oktober 1999
Mann-O-Meter- und CSD-Pressesprecher Jürgen Bieniek läßt das CSD-Forum auf die Frage, wo in seiner Pressearbeit die explizit antirassistischen Forderungen aus dem CSD-Katalog geblieben seien, wissen: Dann mußt du selber die Zeitung gründen, die deinen Scheiß druckt.20. November 1999
Mann-O-Meter nimmt den Mete-Eksi-Preis entgegen. Dessen Jury gehört mit der Ausländerbeauftragten des Berliner Senats, Barbara John, ein Mitglied jener CDU an, die ihre letzte rassistische Kampagne unter die Parole Integration statt Doppelpaß gestellt hatte. Das einzige verlesene Grußtelegramm kommt von Bundeskanzler Gerhard Schröder, dessen Politik Wer unser Gastrecht mißbraucht, für den gibt es nur eins: raus, und zwar schnell! auch von den Statistiken des Mann-O-Meter-Überfalltelefons unterfüttert wird.
Offener Brief an den Mete-Eksi-Fonds e.V.
Sehr geehrte Damen und Herren,
mit Bestürzung haben wir zur Kenntnis genommen, daß das Kuratorium des Mete-Eksi-Fonds e.V. dem schwulen Informations- und Beratungszentrum Mann-O-Meter e.V. den Mete-Eksi-Preis 1999 zuerkannt hat. Das wissenschaftlich-humanitäre komitee (whk) möchte dringend an Sie appellieren, diese Entscheidung zu überdenken.
Seit Jahren gibt es in der antirassistischen Schwulenszene massive Kritik an dieser Einrichtung. Im Zentrum steht dabei deren Anti-Gewalt-Arbeit insbesondere das schwule Überfalltelefon sowie die vom Kuratorium zitierten dubiosen Statistiken zu antischwulen Gewalttätern. Letztere sind regelmäßig Basis für rassistische Kriminalreports in der Schwulenpresse, denn sie verweisen immer wieder auf die vermeintliche ethnische Herkunft der Täter. Dabei wird völlig ausgeblendet, daß nicht die ethnische oder im Subtext: religiöse Herkunft Grundlage homophoben Verhaltens ist, sondern eine persönliche schuldhafte Entscheidung.
Wenn Gewalt so bewußt Menschen nicht-deutscher Herkunft zugeschrieben wird, so muß sie auch aus der empfundenen Machtlosigkeit der Täter gegenüber der eigenen Repressionssituation erklärt werden. Mit seiner Praxis ist Mann-O-Meter e.V. hingegen geradezu prototypisch dafür, wie grundlegende gesellschaftliche Konflikte von weißen Mittelstandsdeutschen ethnisiert werden: Nicht mehr die individuelle Tat wird sanktioniert, sondern der soziale und ethnische Hintergrund des Täters. In früheren Zeiten nannte man dies Sippenhaft. Noch zumal basieren die Statistiken von Mann-O-Meter e.V. ausschließlich auf den Angaben der (deutschen) Gewaltopfer; oft sogar werden körperliche Merkmale zur Definition von Südländern etc. herangezogen.
In einer rassistischen Gesellschaft fällt es leichter, den Fremden zu beschuldigen, der ohnehin schon als abstraktes Feindbild allgemein akzeptiert ist. Mann-O-Meter e.V. hat dieses Feindbild in der Vergangenheit trefflich gepflegt. Der Verein hat dazu beigetragen, den latenten Rassismus in der Berliner Schwulenszene zu festigen, indem die eigene Klientel nach außen hin zur Opfergruppe stilisiert wurde, Ausländer bzw. Menschen anderen Aussehens oder anderer Herkunft dagegen zur potentiellen Tätergruppe herabgestuft wurden, die paternalistisch zu missionieren sei. Die Grundlagen des Rassismus, auch des eigenen, schwulen Rassismus, hat Mann-O-Meter e.V. unterdessen niemals ernsthaft in Frage gestellt.
Wir möchten an dieser Stelle darauf verweisen, daß es führende Mann-O-Meter-Mitglieder wie die Vorstände Sören Krumrey oder Rudolf Hampel waren, die gegen antirassistische Inhalte im Forderungskatalog des Berliner Christopher Street Day votierten, in erster Linie 1999 gegen die Forderung Bleiberecht für alle!. Diese wurde nicht zuletzt mit den Stimmen von Mann-O-Meter e.V. im CSD-Forum der Berliner Homo-, Bi-, Trans- und Intersexuellengruppen als Demonstrationsmotto eliminiert.
Das whk versteht den Mete-Eksi-Preis als Würdigung antirassistischer Arbeit. Wir würden es als geradezu grotesk und einen Schlag ins Gesicht der Opfer rassistischer Gewalt empfinden allen voran Mete Eksi , wenn ausgerechnet Mann-O-Meter e.V. diesen Preis überreicht bekäme. Es würde eine überaus fragwürdige Praxis vor der Öffentlichkeit legitimieren und machte den Preis für keine antirassistische Gruppierung künftig mehr annehmbar. Denn Mann-O-Meter e.V. leistet genau dem Gegenteil Vorschub: Das Interesse seiner Anti-Gewalt-Arbeit gilt eben nicht Menschen anderer ethnischer Herkunft und ihrer Gleichberechtigung in der deutschen Mehrheitsgesellschaft. Sie, ihre Gemeinschaften und Familien sind in der Mann-O-Meter-Ideologie lediglich Objekte missionarischen Eifers, an denen erzieherisch zu arbeiten ist, damit weiße deutsche Schwule auch in der rassistischen Gesellschaft (deren Träger sie nicht zuletzt selbst sind) unbehelligt leben können.