Mitteilungen des whk
Januar/Februar 2009
Start
Zurück zur Übersicht


 

Faschismus-Forschung à la Kreuzberg (1)

Eine offizielle Anfrage richtete die whk-Zeitschrift Gigi am 8. Dezember an den Deutschen Leichtathletik-Verband (DLV). Erst dieser Tage, heißt es darin, sei man auf eine DLV-Presseerklärung vom 11. August 2008 aufmerksam geworden. „Daraus erfuhren wir, daß der DLV bereits im Sommer die Patenschaft für einen in Berlin-Kreuzberg verlegten ‘Stolperstein’ übernommen hat, der dem Langstreckenläufer Otto Peltzer (1900-1970) gewidmet ist. Der in den 1920er und 1930er Jahren weltberühmte Athlet war von den Nazis wegen Vergehens nach §175 verfolgt und in der Haftanstalt Plötzensee sowie im KZ Mauthausen inhaftiert worden.“

Konkret fragte die Redaktion den DLV-Mediendirektor Peter Schmitt:

„1. Auf wen geht die Initiative für den Stolperstein zum Gedenken an Otto Peltzer zurück bzw. wer regte diesen an?

2. Wann und von welchem DLV-Gremium wurde die Übernahme der Patenschaft für diesen Stein beschlossen?

3. War bzw. wurde dem DLV im Vorfeld der Anfertigung und Verlegung des Stolpersteines bekannt, daß Peltzer bis 1926 Redakteur der 'Monatsschrift für national-politische Jugendbewegung' Reichswacht war, die zwecks 'sittlicher und völkischer Erneuerung' von einem 'jungvölkischen Kreise der deutschen Jugendbewegung' herausgegeben wurde? War dem DLV bekannt, daß er darin bereits 1922 eine 'Umschau über den Stand des rassehygienischen Gedankens' veröffentlichte und sich dazu berufen fühlte, 'die Jugend auf die Bedeutung der Rassenhygiene' hinzuweisen?

4. War oder ist beim DLV bekannt, daß Otto Peltzer in seiner Dissertation für 'die zwangsmäßige Unfruchtbarmachung geistig Minderwertiger und somit Entarteter' sowie deren 'Absonderung in Arbeitskolonien' plädierte und damit ideologisch sich offensiv zu dem bekannte, was in der Konsequenz in Zwangssterilisierung, Eugenik und Euthanasie sowie Konzentrationslager und Vernichtung durch Arbeit mündete?

5. 'Im Frühjahr 1933 erkläre er seinen Eintritt in die NSDAP und die SS', ermittelte der Autor Volker Kluge und schrieb in seiner Peltzer-Biographie ‘Otto, der Seltsame’ weiter: Von der ‘Rassenhygiene zum ‘Blut- und Boden-Geschwafel der Nazis war es kein weiter Weg, so daß sich Peltzer vom SS-Siedlungsamt als Vortragsredner einspannen ließ.’ Kluge zufolge hegte Peltzer auch mehr oder weniger berechtigte Hoffnungen, für das Amt des ‘Reichssportkommissars' in Frage zu kommen. War oder ist all dies beim DLV bekannt?

6. Das frühe(re) SS-Mitglied Otto Peltzer sagte nach der Befreiung aus der KZ-Haft in den Nürnberger Prozessen* zugunsten zweiter später als Massenmörder zum Tode verurteilter SS-Offiziere aus, denen er sich zu Dank verpflichtet fühlte. War oder ist dies dem DLV bekannt?

7. Sofern alle oder zumindest einige dieser Fakten beim DLV vorlagen: Wie kam es zu der Entscheidung für die Patenschaft über den Stolperstein? Gab es Widerstand im DLV dagegen und mit welcher Begründung/welchen Begründungen?

8. Falls von diesen Fakten beim DLV nichts bekannt gewesen sein sollte: Was gedenkt der DLV nun zu unternehmen, da er über sie verfügt, um im Nazi-Opfer Otto Peltzer nicht zugleich den NSDAP- und SS-Mann zu ehren sowie den willigen und überzeugten Propagandisten einer rassistischen, menschenverachtenden Ideologie zu rehabilitieren?

9. Wie bewertet der DLV vor diesem Hintergrund die gleichzeitige Ehrung Otto Peltzers und der ermordeten jüdischen Leichtathletin Lili Henoch?“

Auch der Initiator des "Stolperstein"-Projekts, der Kölner Künstler Gunter Demnig, wurde um eine Stellungnahme gebeten.

* Hier unterlief der Redaktion ein Detailfehler: Es handelte sich nicht um die Nürnberger Prozesse, sondern das Verfahren eines US-Militärgerichts gegen die SS-Wachmannschaften des KZ Mauthausen, das in Dachau stattfand.

 

Faschismus-Forschung à la Kreuzberg (2)

Am 11. Dezember 2008 endete vor dem Landgericht Berlin in letzter Instanz ein mehrjähriges politisch motiviertes Verfahren gegen den Förderverein des wissenschaftlich-humanitären komitees (whk e.V.), das die juristische Form eines Urheberrechtsstreits angenommen hatte.
Auslöser war das in der vom Förderverein verlegten Gigi (Nr. 32, Juli/August 2004) dokumentierte Flugblatt "Von See- zu Mutzenbacher" des sogenannten Berliner Instituts für Faschismus-Forschung (BIFFF e.V.). Es war dem Gigi-Redakteur Ortwin Passon vom BIFFF-Alleinvorstand und langjährigen Gigi-Autor Peter Kratz per Brief und später per Email als Datei "zum Ausdrucken" übermittelt worden. Passon als Mitglied auch des BIFFF e.V. regte in der Redaktion die Dokumentation des weder mit Autoren- noch Sperrvermerk versehenen Flugblattes an und kam damit den satzungsgemäßen Aufgaben aktiver Mitglieder des BIFFF e.V. nach (§2 Abs. 2b).

Unerwartet verklagte der BIFFF e.V. den whk-Förderverein auf Unterlassung und Schadenersatz. Der Richter beim Amtsgericht Charlottenburg folgte der Kläger-Darstellung, es handele sich um ein urheberrechtlich geschütztes Werk. "Flugi" in der vom BIFFF e.V. gewählten Datei-Bezeichnung sei "kein gerichtsverwertbares Wort der deutschen Sprache", es entstamme allenfalls der "Baby-Sprache". Kratz: "Die Abkürzung ‘Flugi_Mutz_2004.doc’ steht im internen elektronischen Ablagesystem des Klägers auch nicht für Flugblatt, sondern für ‘Fleiß und Gier der Mutzenbacher’, wobei es sich bei ‘Fleiß’ und ‘Gier’ um Zitate aus der zitierten Taschenbuchausgabe der Lebenserinnerungen der Hure Josephine Mutzenbacher handelt" (einer Figur im strittigen Text). Zwar hatten noch im Januar 2004 Kratz/BIFFF e.V. in einer anderen Flugschrift „Flugi“ als Synonym für "Flugblatt" gebraucht, trotzdem wurde der Förderverein des whk am 18. April 2007 nach Gusto des Klägers verurteilt, der in der Verhandlung seine Geldforderung noch um ein Drittel auf 1.500 Euro erhöht hatte. Grobe Rechtsfehler bescheinigte der Vorsitzende Richter in der Berufungsverhandlung diesem Urteil ausdrücklich, verkündete aber bereits zu Beginn, der Erstinstanz zu folgen.

Das nicht mehr anfechtbare Fehlurteil bürdet dem Förderverein des whk eine Schuld von Tausenden Euro auf. Die schlechte Nachricht für das angebliche Faschismus-Forschungsinstitut in seiner konkreten Erscheinungsform Peter Georg Kratz: Die Existenz von whk und Gigi bedroht das so wenig wie seine 2004 gestartete Rufmordkampagne, deren Teil dieses Verfahren war und die in den letzten 15 Jahren in ähnlicher Form diverse Personen, Organisationen und Medien nicht nur der Homoszene erlebten. Daß er Gigi 32 zur „Gedenkausgabe für Ernst Röhm zu dessen siebzigsten Todestag“ umlog, Gigi als „Querfrontblatt“ und „Pädophilen-Zeitschrift“, das whk als "politischen Arm der Kindersex-Szene" denunzierte und seine Aktivisten des Antisemitismus wie der Verankerung in Terrornetzwerke ("Queer Jihad") bezichtigte: Kein seriöser politischer Gegner von whk und Gigi konnten die wahnhaften Entäußerungen dieser rein menschlich höchst bedauernswerten Gestalt gegen sie verwenden; er hätte sich einfach lächerlich gemacht.

Wer sich solidarisch mit whk und Gigi zeigen kann und möchte, dessen Spende ist willkommen auf dem whk-Konto 5710428001 bei der Berliner Volksbank, BLZ 10090000. Kennwort: "Fleiß und Gier".