Mitteilungen des whk
Mai/Juni 2007
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Politische Nullnummer (1)

Unter dem Titel „Frühlingserwachen der Schwulen Juristen: Bundesarbeitsgemeinschaft beweint die absehbaren Folgen der eigenen Politik“ reagierte eine whk-Presseerklärung am 13. März auf eine Resolution des Frühjahrstreffens der Bundesarbeitsgemeinschaft Schwule Juristen (BASJ) im Waldschlößchen bei Göttingen. Die BASJ hatte darin die „aktuelle rechtspolitische Situation Homosexueller“ mit „Der lange Abschied von der Minderwertigkeit“ kommentiert. Die AG Schwulenpolitik des whk spottete:

„Das Frühlingserwachen der Schwulen Juristen kommt als veritable Winterdepression daher. Nach Einführung der ‘Homo-Ehe’ im Jahr 2000 mit ihren vielen, selbst jahrelang geforderten ‘gleichen Pflichten’ hätten sich lesbisch-schwule Organisationen mit dem Slogan ‘Die fehlenden Rechte holen wir uns vor den Gerichten!’ das diskriminierende Gesetz schöngeredet. Stellvertretend unterzeichnet vom Anwalt Dirk Siegfried, der in diesem Zirkus gelegentlich sogar den Trauzeugen gab, liest man nun: ‘Jetzt müssen wir feststellen: Die Strategie, wir müßten nur die gleichen Pflichten wie Ehepaare übernehmen, dann würden uns die Gerichte die fehlenden Rechte – aktuell vor allem noch im Adoptions-, im Steuer- und Beamtenrecht – nachwerfen, ist großflächig gescheitert. Nahezu alle hiermit befaßten Gerichte – unter ihnen vier der fünf obersten Bundesgerichte – verweigern die Gleichbehandlung weiterhin und verzichten hierbei nun sogar auf jegliche sachliche Rechtfertigung der Ungleichbehandlung.’“ Die BASJ kritisiert, daß die Gerichte behaupteten, „der Schutz der Ehe aus Art. 6 GG gehe dem Grundsatz ‘Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.’ aus Art. 3 GG vor. Hierbei handele es sich um eine ‘Wertentscheidung’ der Verfassung. Diese Interpretation unterstellt, eine heterosexuelle Beziehung sei auch ohne sachlichen Grund generell mehr wert als eine homosexuelle. Dies wiederum beinhaltet eine Minderbewertung Homosexueller – unabhängig davon, ob sie in einer Lebenspartnerschaft leben oder nicht.“

Das klinge, so das whk, „als sei die Bundesarbeitsgemeinschaft der Schwulen Juristen daran unschuldig. Als eine der dem Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD) bis hin zum Logo angeschlossenen Anstalten war die BASJ jedoch seit Mitte der 1990er Jahre maßgeblich mitverantwortlich für eine konservative Integrationspolitik, die in der Eingetragenen Lebenspartnerschaft ihren Höhepunkt fand. Vehement verteidigte die BASJ einen Antidiskriminierungs-Ansatz gegen jede Kritik, der die gegebenen repressiven Institute der Mehrheitsgesellschaft affirmierte – darunter die bürgerliche Ehe. Gefangen in reiner Rechts- und unwillig zu gestaltender Gesellschaftspolitik, bejubelte man jeden Krümel, der vom Tisch der Mächtigen fiel. Wer damals in der Homo-Szene vor dem starken Element von Kontrolle und Disziplinierung warnte, das jeder Antidiskriminierungspolitik innewohnt, wurde verlacht und denunziert. Wer diese aparte Form der Gleichstellung wegen der damit verbundenen Neu-Hierarchisierung von Lebensformen ablehnte oder mahnte, diese Politik werde nicht in die Abschaffung, sondern die dauerhafte Festschreibung der Diskriminierung münden, galt als linksradikal.“ Nun, da unübersehbar sei, daß die eigene Politik auf ganzer Linie gescheitert ist, weil man sich habe mit dem politischen Gegner identifizieren und nicht sehen wollen, daß dessen Gleichstellungsgesetze der fortbestehenden Homophobie die gesetzlichen Grundlagen verschafften, sei das Gejammer groß, so das whk weiter, hingegen fragten die Schwulen Juristen: „Was also tun? Wir werden weder die Justiz noch den Bundestag in absehbarer Zeit grundlegend verändern. Wir können und sollten jedoch die mit den Grußworten und Denkmälern verbundene vorzeitige Anbiederung zurückweisen, so lange dieser Staat sich von der ‘menschenverachtenden Ideologie der Ungleichwertigkeit’ (Wolfgang Thierse) nicht überzeugend distanziert.“

Mit dieser defensiven Haltung zeigten die Schwulen Juristen, „daß sie aus ihren eigenen Fehlern nichts gelernt haben und nichts lernen wollen. Statt zunächst erst einmal selbst von der eigenen Minderwertigkeit Abstand zu nehmen und die diskriminierenden Strukturen selbst anzugreifen, betteln sie weiter um das Recht auf Teilhabe an diesen Strukturen und kennen dafür weiterhin nur eine Adresse: Vater Staat. Wer jedoch die eigene Minderwertigkeit derart verinnerlicht hat, wird sich nie zum aufrechten Homosexuellen emanzipieren und verdient, von Vater Staat milde belächelt zu werden.“ Die Resolution der BASJ sei damit „eine politische Nullnummer. Sie hätte weit mehr sein können.“

Politische Nullnummer (2)

Am Freitag, dem 23. März 2007, hatte der Deutsche Bundestag in letzter Lesung über den Antrag der Koalitionsfraktionen über „Maßnahmen zur Bekämpfung von HIV/AIDS in Deutschland“ zu entscheiden. Am Montag zuvor warnte die AG Schwulenpolitik des whk in der Presseerklärung „Raus, vor es kommt!“ vor einer weiteren Kriminalisierung einvernehmlicher Sexualität unter dem Deckmantel des Gesundheitsschutzes. Darin hieß es:

„Schon der Titel des unter sexuell aktiven Menschen jedweder sexueller Neigung zumeist gar nicht bekannten Antrages vom 29. November 2006 (BT-Drucksache 16/3615) ist grob irreführend. Sein Inhalt zeigt überdeutlich, daß es keineswegs um ‘Maßnahmen zur Bekämpfung von HIV/AIDS in Deutschland’ geht, sondern einmal mehr um Maßnahmen zur Bekämpfung von Menschen mit HIV oder AIDS sowie ihrer Subkulturen.

So wird in Ziffer 6 des Antrages die Bundesregierung von den Regierungsparteien aufgefordert, ‘gemeinsam mit den Ländern und Verbänden bundesweit im Rahmen einer Selbstverpflichtung der Anbieter von Orten sexueller Begegnung auf Präventionsmaßnahmen hinzuwirken, die u. a. … den vollständigen Verzicht auf Werbung und Unterstützung für ungeschützten Geschlechtsverkehr beinhalten sollte.’ Zahlreiche schwule Wirte haben eine solche Selbstverpflichtung mit den AIDS-Hilfen längst umgesetzt, was nicht nur außerhalb der Schwulenszene durch breite Medienberichterstattung hinlänglich bekannt ist, sondern nachweislich das Ansteigen der Zahl von HIV-Neuinfektionen nicht verhindert hat. Darum kann es also nicht gehen. Statt dessen heißt es weiter: ‘Nach zwei Jahren soll die Bundesregierung über den Stand der Umsetzung berichten und ggf. Vorschläge für eine rechtliche Regelung unterbreiten.’ Somit geht es also darum, auch in Deutschland vermehrt mit juristischen Mitteln gegen HIV-Positive und AIDS-Kranke und deren konkretes, bisher vom Staat nicht kontrollierbares Sexualleben vorzugehen. Nur deshalb wird die Regierung in Ziffer 7 aufgefordert ‘zu prüfen, ob die Erfahrungen in Österreich und der Schweiz mit der Verschärfung des Strafrechts bezüglich der fahrlässigen Gefährdung der Verbreitung einer sexuell übertragbaren Krankheit eine handhabbare Regelung zur Eindämmung der kommerziellen Angebote von ungeschütztem Sex darstellen’. Aber auch das ist völlig unsinnig, da es längst ausreichend Rechtsnormen im Strafgesetzbuch und höchstrichterliche Urteile hierzu gibt, insbesondere durch den Bundesgerichtshof ergangene. Aus diesen Gründen fordert das whk die Abgeordneten auf, der Beschlußempfehlung des federführenden Bundestagsausschusses für Gesundheit vom 19. Januar 2007 (BT-Drs. 16/4111) nicht zu folgen, sondern bei einer Annahme der Drucksache 16/3615 die Ziffern 6 und 7 auf jeden Fall zu streichen. Den grundsätzlichen Unterschied zwischen ‘unsafem Sex’ und ‘Barebacking’ bewußt ignorierend, bergen diese nicht nur die Gefahr einer Kriminalisierung selbstbestimmter, eigenverantwortlicher und risikobewußter Sexualität von HIV-Positiven, sondern der Allgemeinheit. Nicht nur sogenannte Barebacker verbitten sich mit Recht, daß fremde, ahnungslose Leute in ihrem Wald pfeifen: Der Staat hat auch weiterhin schlichtweg nichts in den Betten des Souveräns zu suchen.“

Erwartungsgemäß fand die Warnung des whk in keinem Homo-Medium Resonanz. So unterschlug sie auch das schwule Online-Magazin Queer.de seinen Lesern. Queer.de veröffentlichte stattdessen erst am Tag der Bundestags-Entscheidung den Beitrag „Mit Strafrecht gegen HIV?“. Dieser referierte unter dem Zwischentitel „LSVD kritisiert Vorhaben“ eine Erklärung des staatstragenden Verbandes vom selben Tag, die merkwürdige Ähnlichkeit mit der des whk aufwies. Ohne im Detail zu erläutern, um welche Vorschläge der Koalition es ging, hieß es darin: „’Vorschläge, die auf eine Verschärfung der Strafbarkeit der Verbreitung sexuell übertragbarer Krankheiten zielen, sind populistisch und überflüssig’, erklärte heute LSVD-Sprecher Axel Blumenthal. ‘Eine fahrlässige oder vorsätzliche Infektion anderer ist schon heute als Körperverletzung strafbar. Jede Verschärfung des Strafrechts wäre aus der Sicht der Prävention die falsche Botschaft.’“

Um das Verschweigen zu durchbrechen, stellte das whk seine Presseerklärung in den Leserkommentaren vorbehaltenen Bereich mit der Anmerkung: „Da Queer.de in alter Freundschaft wie gewohnt etwas erst dann für mitteilenswert befindet, wenn der LSVD es nachplappert, folgt hier zur allgemeinen Kenntnis das Original: eine fünf Tage vor der des LSVD versendete Presseerklärung des whk.“ Worauf wiederum ein sich als LSVD-Aktivist bekennender User unter dem Pseudonym „Dragonwarrior“ den Verband mit traumwandlerischer Sicherheit am Kern der Sache vorbei zu rechtfertigen suchte: „da war nichts nachgeplappert ... die erklärung fusst auf dem positionspapier des LSVD zum thema HIV und AIDS ... und das wurde beschlossen auf dem 18. LSVD Verbandstag am 26.03.2006 in Köln.“

Nicht ganz dicht

Wer ruft denn beim whk an? Das ist doch lächerlich“, meinte Manuela Kay, seinerzeit Chefredakteurin des Berliner Homo-Stadtanzeigers Siegessäule, im Januar 2004 im Interview mit der vom whk herausgegebenen Gigi. Wo ebenfalls niemand anruft, sollte man meinen, denn die Zeitschrift gibt es gar nicht. Zumindest wurde sie vor Jahren aus den „über 1000 Adressen!“ im Siegessäule-Branchenbuch Kompass gelöscht: unauffindbar unter „Medien“ und „Film, Fotografie, Presse & Rundfunk“. Das whk existiert noch unter „Politik“, aber es anrufen? Die angegebene Nummer ist falsch.

Um so erstaunlicher, wer da am Freitag, dem 16. Februar 2007, gegen 17 Uhr das whk- und Gigi-Telefon anwählt: Eine Frauenstimme meldet sich mit „Siegessäule-Redaktion“. Man sei (zwei Monate nach dessen Erscheinen) auf den Gigi-Schwerpunkt „Mach mir das Mahnmal“ aufmerksam geworden und wolle das Thema der für ihre Internet-Chatprofile im Denkmal für die ermordeten Juden Europas posierenden Schwulen im nächsten Heft aufgreifen. Unter Verweis auf Gigi selbstverständlich. – Ja fein! „Wir wollen das natürlich illustrieren. Könntet ihr uns die Namen solcher GayRomeo-Profile nennen?“ Selbst wenn Gigi könnte: die Siegessäule ist kommerziell und beharrt darauf, ein journalistisches Medium zu sein. Gigi läßt sich nicht ausbeuten, empfiehlt also Recherche und gibt den Tip, dazu die GayRomeo-Funktion „Bildersuche“ zu nutzen. Kurz darauf ein erneuter Anruf. „Dazu braucht man selbst ein Profil auf GayRomeo.“ Das bekommt, wer will, binnen drei Minuten, und die meisten schwulen Siegessäule-Redakteure haben eines. Und nicht nur das: Die Siegessäule als solche betreibt dort ein Zeitschriftenprofil. Die Frau scheint überrascht. Wenn diese Recherche der Siegessäule zu langwierig oder aufwendig sei, man aber unbedingt eine Illustration benötige, solle man doch einfach den Gigi-Titel abbilden und komme mit diesem Bildzitat noch preiswert weg: Gigi habe dieses Titelfoto kaufen müssen. Dankend legt die Frau auf.

Das Thema fehlt im März-Heft der Siegessäule, im April jedoch beweist das Blatt einmal mehr seine Gabe, ein brisantes Thema zu entpolitisieren und einen antisemitischen Skandal zum Dumme-Jungen-Streich zu verniedlichen. Illustriert mit einer peinlich-infantilen Collage erscheinen dazu auf Seite 130 (von 132 und gleich neben der Verlosungsrubrik) unter der Überschrift „Was soll das?“ zehn (in Ziffern: 10) Zeilen:

„Schwule benutzen ja so ziemlich alles, um sich ins rechte Licht zu rücken. Designerunterhosen, moderne Kunst, schicke Autos. Und natürlich auch das Holocaust-Mahnmal. Da lehnen sie dann lasziv an den Stelen oder sitzen breitbeinig auf einer drauf oder stehen einfach nur zwischen den Quadern rum. So lassen sie sich fotografieren. Und peppen mit den Bildern ihr Gayromeo-Profil auf. Auf diesen Trend machte jüngst die Zeitschrift Gigi aufmerksam – und druckte zahlreiche Beweisfotos. Das Denkmal für die ermordeten Juden Europas als coole Kulisse fürs Selbstporträt? Am Ende sogar als perfekter Cruising-Ort? Vielleicht ist das ja die versteckte Botschaft der Gayromeo-User. Vielleicht ist die Botschaft aber auch: Manche Homos sind einfach nicht ganz dicht.“

Das unbestimmte Datum „jüngst“ lag bei Erscheinen der April-Siegessäule dreieinhalb Monate zurück. Bemerkt hatte die Siegessäule das Gigi-Heft auch nur infolge einer Kritik Elmar Kraushaars am geplanten Nationalen Homo-Gedenkort in Berlin. Der Publizist hatte sich am 13. Februar 2007 in der tageszeitung auf Gigi berufen.