Mitteilungen des whk
November/Dezember 2006
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Redaktionsschluß (1)

Einmal mehr ohne das whk als Quelle anzugeben, bedienten sich diverse Homo-Medien am Nachruf des whk auf sein am 7. September verstorbenes prominentes Fördermitglied Prof. Dr. Andreas Meyer-Hanno. Während Jan Feddersen für einen Beitrag in der tageszeitung (taz) heimlich beim verhaßten whk abschrieb und seine Initiative Queer Nations für Nachfragen zu ihrem Kuratoriumsmitglied die whk-Hotline angab, druckte einzig die linke Tageszeitung junge Welt den whk-Nachruf vollständig und mit ausdrücklichem Hinweis auf den Urheber nach (vgl. „Der long time survivor“, jW vom 12. September 2006). Sogar der Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD) setzte die Todesnachricht in die Rubrik Presse seiner Website und verlinkte darunter zum Nachruf des whk. Am 30. September erschien in der Frankfurter Rundschau eine Traueranzeige, die auch die Redaktion Gigi, das whk sowie Einzelmitglieder des whk unterzeichneten.

Die Urnenbeisetzung findet am 4. November auf dem Alten St.-Matthäus-Kirchhof in Berlin-Schöneberg statt.

Redaktionsschluß (2)

Am 25. März 2006 hatte das whk in seinem traditionellen Grußwort an den LSVD-Verbandstag „die Anregung eines jüngeren LSVD-Mitgliedes“ aufgegriffen, „ungeachtet politischer Antagonismen punktuell zu kooperieren, wo dies möglich erscheint“, und „eine gemeinsame Initiative zur Entschädigung der noch lebenden Opfer des § 175“ angeregt, der bis 1969 in der BRD in der von den Nazis 1935 verschärften Fassung galt“. Im Grußwort hieß es: „Wie Ihr wißt, scheiterte 2002 das ‘Gesetz zur Errichtung einer Magnus-Hirschfeld-Stiftung’ zur kollektiven Entschädigung für die von den Nazis zerstörte homosexuelle Infrastruktur am Bundesrat. Allerdings hatte es der Bundestag zuvor mehrheitlich beschlossen – trotz einer formaljuristisch an sich unzulässigen Erblinie, die heutige Institutionen ins Erbe der damals aufgelösten und enteigneten einsetzte. Die Idee des whk wäre es nun, nach genau diesem Modell eine Erblinie von den niemals individuell entschädigten, bis auf ganz wenige verstorbenen Rosa-Winkel-Häftlingen hin zu den bis 1969 nach demselben NS-Paragraphen verfolgten und von großenteils denselben reingewaschenen NS-Richtern in dieselben Zuchthäuser gebrachten Männern zu konstruieren. Dem müßte freilich die bisher vom Rechtsnachfolger des ‘Dritten Reiches’ beharrlich verweigerte Rehabilitierung jener um ihr Lebens- und Liebesglück, ihre Familie, Wohnung, berufliche Existenz, Renten- und Versorgungsansprüche und nicht zuletzt ihre Gesundheit gebrachten Zehntausenden vorausgehen. Dies hieße nicht mehr und nicht weniger, als Regierung und Parlament eines Staates moralisch, politisch und finanziell in die Pflicht zu nehmen, der in seinen Gründungsjahren Tausenden Nazi-Richtern wieder in die Roben half und den Nazi-Paragraphen 175 bis heute als demokratisch legitimiert, indem er sich weigert, die nach ihm ergangenen Nachkriegsurteile als nach typischem NS-’Recht’ gefällt aufzuheben.“ – Das whk erhielt darauf keine Antwort.

Um so überraschender tauchte auf der Startseite der LSVD-Homepage im September ein Link zum Bundestag und einer Petition mit dem Titel „Strafen nach dem Strafgesetzbuch: Rehabilitierung homosexueller Männer“ auf. Am 18. Juli 2006 eingereicht von einem homopolitisch bisher völlig unbekannten Mathias Sandner, fordert dieser „die gesetzliche Rehabilitierung der zwischen 1949 und 1969 nach dem ehemaligen §175 Strafgesetzbuch verurteilten homosexuellen Männer“, was, juristisch sachgerecht und nachvollziehbar begründet, in die Forderung mündet: „Durch eine Amnestie sind also sämtliche Verurteilungen von Homosexuellen durch den Paragraph 175 bis 1969 aufzuheben. Die Opfer gilt es im üblichen Rahmen zu entschädigen.“

Auffällig ist, daß der Hinweis erst Tage vor dem Abschlußtermin für die Mitzeichnung, dem 22. September 2006, auf der LSVD-Website erschien. Zu dem Petitionsverfahren erging keine Presseerklärung des LSVD, der sonst jede Kleinigkeit durch die üblichen Community-Presseverteiler trötet. Daß die Existenz der Petition auch weder von Homo-Presse noch -Webportalen gemeldet worden war, läßt den unguten Eindruck einer breite Szeneteile ausschließenden Aktion entstehen, was letztlich nur zu Lasten jener über 50.000 von der postnazistischen BRD-Justiz nach §175 Verurteilten gehen kann.

Bekannt war die Petition im LSVD übrigens frühzeitig: Als erstes Mitglied des LSVD-Bundesvorstandes unterschrieb am 11. August 2006 Axel Blumenthal, und nur fünf Tage später folgte sein Vorstandskollege Manfred Bruns, der als Staatsanwalt seinerzeit zu den Verfolgern homosexueller Männer gehört hatte, sich aber nie öffentlich bei seinen Opfern entschuldigt hat.

Redaktionsschluß (3)

Unter dem Titel „Keine Bühne für ‘Ratten-Dörner’!“ wandte sich die AG Schwulenpolitik des whk am 6. Oktober gegen einen für den 10. Oktober geplanten Vortrag des DDR-Endokrinologen Prof. Günter Dörner beim Medizinhistorischen Nachmittag an der Berliner Charité: „Im Jahr 2002 ausgezeichnet mit dem Großen Bundesverdienstkreuz, darf der in der deutschen wie internationalen Lesben- und Schwulenbewegung wegen seiner Tierexperimente nur ‘Ratten-Dörner’ genannte Vorzeigeforscher der DDR-Endokrinologie nun die Geschichte seines Wirkens aus eigener Perspektive schildern. Zwar hat Dörner nie erklären können, woher die Föten zu seinen fragwürdigen Studien stammten, mit denen er Homosexualität bei Männern und Frauen verhindern wollte. Auch konnte er nie deutlich machen, was für ihn medizinische Ethik bedeutet. Statt dessen stellte er sich bewußt in eine Kontinuitätslinie von sozialistischer Eugenik und von Rassenhygiene“, so das whk. Aufgeschreckt lud Prof. Dr. Volker Hess, Direktor des Instituts für Geschichte der Medizin, das Komitee am 9. Oktober per Email „wie alle Interessierten“ ein, „im Anschluß an den morgigen Vortrag von Herrn Dörner über die Gründungsgeschichte des Instituts an der Charité die Möglichkeit zu einer offenen Diskussion zu nutzen“. Das whk lehnte dankend ab. (Vgl. www.whk.de/whk0906.htm sowie www.whk.de/HessRattenDoerner.htm)

Redaktionsschluß (4)

Anfang Oktober trat Ortwin Passon von seiner Funktion als stellvertretender Vorsitzender des Fördervereins des whk e.V. zurück, dem er am 7. Juli 2000 beigetreten war. Er verließ ferner die Gigi-Redaktion, die ihm für sein jahrelanges leidenschaftliches Engagement zu Dank verpflichtet ist. Zu der vom whk herausgegebenen Zeitschrift steuerte ab Herbst 2000 als Ständiger Mitarbeiter regelmäßig juristisch fundierte Beiträge zu gesellschafts- und sozialpolitischen Themen bei. Das whk-Bundestreffen vom Oktober 2004 berief ihn schließlich gemeinsam mit Lizzie Pricken einstimmig in die Gigi-Redaktion, der er laut eigener Aussage im Rahmen seiner Möglichkeiten verbunden bleiben wird.

Redaktionsschluß (5)

Eine Anfrage des Hamburger Szenemagazins hinnerk vom 14. Oktober zur Haltung des whk zu dem nach öffentlicher Kritik vorerst nicht realisierbaren Entwurf eines staatlichen Homo-Mahnmals beantworteten Wolfram Setz (Hamburg) sowie Eike Stedefeldt (Berlin):

„Als Position des whk hat sich eine mehr oder weniger starke grundsätzliche Infragestellung des jetzt geplanten Mahnmals herauskristallisiert.“ Seitens des whk gebe es mehrere Kritikpunkte. „Der mit Nachdruck gewünschte und genehmigte Standort gegenüber dem Mahnmal für die ermordeten Juden Europas spricht eine deutliche Sprache ... Das geplante Mahnmal fordert zu einem Vergleich, für viele sicher auch zu einer Gleichsetzung (‘Homocaust’ mit dem Massenmord an den europäischen Juden (‘Holocaust’) heraus. Damit wird letztlich der Holocaust relativiert. Die Art der Verfolgung von Homosexuellen durch die Nazis war indes grundsätzlich anderen Charakters als die Verfolgung der Juden: sie folgte keiner totalen Vernichtungslogik.“ Zudem blende das Mahnmal vollständig die Mitläufer- und Mittäterschaft Homosexueller an den Verbrechen des Nationalsozialismus aus, denn „rein statistisch muß es angesichts von Millionen von Homosexuellen im Reich um ein Vielfaches mehr NS-Täter und -Mitläufer unter ihnen gegeben haben als NS-Opfer“. Dies setze die Opfergruppe der Homosexuellen in geschichtsfälschende Konkurrenz zu den jüdischen Opfern. „Der Verdacht drängt sich auf, daß es den Initiatoren weniger um das Gedenken geht als darum, ein moralisches Faustpfand zur Durchsetzung aktueller und künftiger Forderungen zu bekommen.“ Die gesamte Stellungnahme ist nachlesbar unter www.whk.de/homomahnmalhinnerk.htm.