Mitteilungen des whk März/April 2005
Klappenkontrollen kontraproduktiv
Anderthalb Jahre, nachdem das whk Ende Juni 2003 Kontrollaktionen des Düssldorfer Ordnungsamtes auf öffentlichen Toiletten enthüllte und bundesweit Zeitungen über den Skandal berichteten, entrüstete sich nun die Lokalpresse der NRW-Hauptstadt. So titelte am 9. Dezember der Express: Stadt-Sheriffs als Sex-Köder. Düsseldorf: Aktionen gegen Schwulentreffs. Zum Beitrag Sex-Kommando aus dem Rathaus brachte das Blatt, gestützt auf Detailinformationen des whk Rheinland, auch das Foto einer Traditions-Klappe: Auch hier am Graf-Adolf-Platz wird regelmäßig kontrolliert. Wiederum auf Seite 1 hieß es tags darauf: Empörung über Sex-Sheriffs. Politiker wollen Aktion des Ordnungsamtes gegen Schwule stoppen. Mit Ausnahme des schwulen Ratsherrn Frank Laubenburg (PDS) ließ das Blatt am 10. Dezember Politiker aller Fraktionen sich über Schwulenbekämpfung und Intimschnüffelei auf Klos durch die Moral-Polizei empören, obwohl sie seinerzeit vom whk darauf aufmerksam gemacht worden, aber untätig geblieben waren. So bescheinigte die vom whk im Sommer 2003 (!) informierte SPD-Fraktionsgeschäftsführerin Anette Steller nun dem verordneten Einsatz der Sheriffs als Under-Cover-Sexköder eine durchgehend unterschwellige schwulenfeindliche Haltung. Zugleich rechtfertigte ein Sprecher der Stadtverwaltung blaue Briefe an Sex-Sünder, worin detailgetreu deren angebliche Vergehen geschildert würden, mit dem homophoben Argument, die Familien sollen wissen, was mit dem Mann los ist.
Nach Informationen des whk Rheinland verhängt der Ordnungsdienst OSD auch Bußgelder gegen nächtliche Cruiser im Hofgarten. Da er gemeinsam mit der Polizei Streifengänge durchführt, befürchtet das whk erneut, daß Personaldaten über mutmaßliche Schwule auch in Polizeidateien landen (vgl. Mitteilungen des whk in Gigi 26, Juli/August 2003, S. 36).
ADG kontraproduktiv
Zweimal griff das whk in die Debatte um den Regierungsentwurf für ein Antidiskriminierungsgesetz (ADG) ein. In einer Stellungnahme charakterisierte es ihn am 17. Januar als emanzipationspolitisch kontraproduktiv. ADG seien Notbehelfe, wie man vor kaum 15 Jahren in der Schwulenbewegung noch wußte. Im Wesen konservativ, sollen sie Symptome lindern, um im Wirtschaftssystem selbst liegende Ursachen sozialer, politischer und ökonomischer Benachteiligungen nicht antasten zu müssen. Eine die menschlichen Beziehungen zivilisierende Antidiskriminierungspolitik müsse allgemeinen Wohlstand und die Schließung der Schere zwischen Arm und Reich zum Inhalt haben. Es sind jedoch dieselben Parteien, die heute ein ADG favorisieren ..., welche die Gesellschaft durch ungekannten Sozialabbau und schamlose Umverteilung von unten nach oben spalten und so erst jene Konflikte forcieren, die ein ADG sinnvoll erscheinen lassen. Vier Tage später korrigierte das whk Fehleinschätzungen des LSVD-Sprechers Philipp Braun mit Entwurf-Zitaten und riet dem LSVD, bei Gesetzesvorhaben auch das Kleingedruckte zu lesen und das Ansehen von Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transgendern nicht länger durch Faktenscheu und politischen Opportunismus zu diskreditieren.
Überfalltelefone kontraproduktiv
Lebhaftes Medieninteresse fand die whk-Kritik vom 14. Januar zum Jahresbericht 2004 des Kölner Schwulen Überfalltelefons. So sendeten Radio Lora (Offener Kanal München) am 3. und Rainbow City (OK Berlin) am 5. Februar Interviews mit dem whk und brachte am 22./23. Januar die Tageszeitung junge Welt eine längere Stellungnahme des whk Rheinland. So schlug das SÜT für muslimische Geschäfte aus Präventionsgründen homofreundliche Aufkleber vor für das whk im Vorfeld des 60. Jahrestags der Befreiung instinktlos. Queer.de schloß sich der Kritik an; dies sei ein weiteres Indiz für den verengten Tunnelblick der Schwulen Überfalltelefone: das Kölner mag sich zwar in seinem Jahresbericht gegen den Vorwurf des Rassismus zu verteidigen suchen, aber letztendlich scheint der Eindruck der Experten, homophobe Gewalt sei bei Migrationshintergrund höher, bei der Arbeit immer eine Rolle zu spielen. Seit Jahren wird das behauptet und mit unprofessionellen, vor allem auch unzureichenden Statistiken belegt. Deutlichere Ursachen, wie beispielsweise ein Bildungs- und Armutshintergrund, kommen in den Analysen nicht vor.
Kölner Polizei kontraproduktiv
Nach einem Brief des whk an Kölns Polizeipräsident Klaus Steffenhagen veranlaßte dieser ein Ermittlungsverfahren im eigenen Haus. Hintergrund war ebenfalls der Anti-Gewalt-Report 2004 des Schwulen Überfalltelefons, wonach Beamte im Dienst Marschlieder aus dem Dritten Reich angesungen und sich homophob geäußert hätten. Das whk forderte Steffenhagen auf, zu untersuchen, ob sich Beamte durch das Absingen verbotener Nazi-Lieder strafbar gemacht haben. Am 14. Februar bestätigte das Präsidium, der Anti-Gewalt-Report beinhalte strafrechtlich relevante Vorwürfe gegen Kölner Polizeibeamte. Herr Polizeipräsident Steffenhagen sah sich deshalb veranlaßt, Ihr Schreiben zunächst an die Staatsanwaltschaft Köln weiterzuleiten. Dort wird geprüft werden, ob sich Beamte strafbar gemacht haben könnten. Am 19. Februar erschien dazu ein Beitrag in der taz Köln; auch das schwule RTL-Magazin Anders Trend stellte daraufhin Nachrecherchen an.
CDU kontraproduktiv
Daß die Stadtverwaltung auch den fünften von den Veranstaltern vorgeschlagenen Düsseldorfer CSD-Termin absagte, kommentierte am 9. Januar in einer Erklärung der PDS-Ratsherr und whk-Aktivist Frank Laubenburg: Die Nicht-Genehmigungsgeschichte blamiert nicht nur die Stadt und den OB, sondern vor allem CDU und FDP. So hätten schon bei der Dezember-Ratssitzung CDU-Hinterbänkler den PDS-Antrag zum CSD mit pöbelnden und ablehnenden Zwischenrufen kommentiert. Ein CDU-Mann habe gerufen, der CSD sei überflüssig wie ein Kropf, und CDU-OB Erwin drohte, ein Ja der Liberalen zum CSD werde die Koalition beenden. SPD, Grüne und PDS/Linke Liste stimmten dem CSD-Unterstützungsantrag der PDS zu, CDU, FDP, Republikaner, die rechtsextreme Lemmer-Liste und Die Grauen dagegen. Die Stadtverwaltung hatte als alternative Termine den 1. Mai vorgeschlagen parallel zur DGB-Demo sowie den 11. September (!), was Laubenburg als inakzeptabel und geschmacklos zurückwies (vgl. Mitteilungen des whk, Gigi 35, S. 38).
Yahoo!-Groups kontraproduktiv
Während das Hamburger Szeneblatt Hinnerk eine im Januar erbetene whk-Stellungnahme zum ADG lieber doch nicht druckte, wurden bei Yahoo! sämtliche whk-Pressemitteilungen nicht genehmigt. Am 29. Januar gab der Gründer der Yahoo!-Presseverteiler-Group und NRW-Schwuso-Sprecher Dirk Bachhausen an, dies solle die hohe Qualität unseres Dienstes aufrechterhalten. Nach einer Beschwerde des whk bei Yahoo! endete die Zensurpraxis im Februar kommentarlos.