Mitteilungen des whk Januar/Februar 2005
Zwischen Hosenfeld und Poppenhausen
Die besonders hohe Zurückhaltung der Homosexuellen in Osthessen bei der Homo-Ehe diskutierte am 21. Oktober 2004 die Fuldaer Zeitung. Auf Erklärungssuche für das Mysterium befragte sie auch den beim wissenschaftlich-humanitären komitee (whk) engagierten Schwulenaktivisten Kai Denker: Daß die Eintragungen der Partnerschaften so hinter den Erwartungen zurückblieben (das Statistische Bundesamt schätzt ihre Zahl auf 58000 bundesweit), hat auch etwas mit den Lebensverhältnissen der Homosexuellen zu tun, argumentiert Kai Denker, Vorstandsmitglied im Schwulen-Landesverband Hessen: Viele lehnen die eingetragene Partnerschaft ab, weil sie doch wieder nur Sonderregelungen schafft, während Schwule und Lesben in Holland und Belgien Eheleuten gleichgestellt sind, sagt der 23jährige Philosophiestudent aus Darmstadt. Das neue Gesetz bringe zwar weitere Rechte, es bleibe aber eine diskriminierende Sonderregelung ... Insgesamt, so Kai Denker, blieben die meisten Homosexuellen gegenüber der Lebenspartnerschaft gleichgültig: Schwulen- und Lesben-Paare sehen sich nicht als Eheleute. Die übliche Lebensrealität ist auch nicht monogam, sondern eher mit wechselnden Partnern. Nach Recherchen der Fuldaer Zeitung stoße die Homo-Ehe in ganz Hessen mit Ausnahme von Frankfurt auf ausgedehntes Desinteresse: In den meisten der Kommunen des Landkreises wurde bis heute noch keine einzige Lebenspartnerschaft geschlossen. Für die von den Standesämtern gemeldeten Fälle reichen die Finger zweier Hände: Im Jahr 2001 ließ sich in Hosenfeld und in Poppenhausen jeweils eine männliche Verbindung eintragen sowie zwei männliche Paare in Künzell. Eine männliche Lebensgemeinschaft ließ sich 2002 in Hünfeld eintragen und ein weibliches Paar in der Gemeinde Dipperz. Gleich vier Eintragungen meldet die Gemeinde Petersberg: In den Jahren 2001, 2002, 2003 und 2004 ließ sich jeweils ein weibliches Paar eintragen. Damit liegt der Landkreis Fulda, rechnet man die 63000 Einwohner-Stadt Fulda heraus, mit seinen Zahlen hessenweit ganz unten. Auffällig sei das unterschiedliche Interesse beider Geschlechter in Stadt und Land an der Homo-Ehe: In allen Städten gehen mehr Männer als Frauen Lebenspartnerschaften ein. Der Männeranteil reicht von 100 Prozent in Gießen über 85 Prozent in der Stadt Fulda, 81 Prozent in Frankfurt, 75 Prozent in Offenbach, Marburg und Hanau, bis zu 65 Prozent in Darmstadt und Wiesbaden. Im Landkreis Fulda liegt der Frauenanteil hingegen bei 50 Prozent, im Vogelsbergkreis gar bei 56 Prozent.
Guerilla im Geschlechterkampf (1)
Mit einer Dienstaufsichtsbeschwerde gegen das Büro des Düsseldorfer Oberbürgermeisters Joachim Erwin (CDU) reagierte der whk-Aktivist und PDS-Ratsherr Frank Laubenburg am 12. November 2004 auf das faktische CSD-Verbot durch die Düsseldorfer Stadtverwaltung. Die Verwaltung hatte der Veranstalterin des Düsseldorfer CSD mitgeteilt, ein weiterer CSD in Düsseldorf sei nicht erwünscht und für die Stadt nicht verträglich. Laubenburg bezeichnete diesen Vorgang als unerträglich: Ich habe heute beim Regierungspräsidenten Dienstaufsichtsbeschwerde gegen OB Erwin gestellt, weil aus seiner Verwaltung heraus die Veranstaltung des schwul-lesbischen CSD 2005 in Düsseldorf verhindert werden soll. Laubenburg begründete dies unter anderem mit einem Verweis auf die besonders ausgeprägte Homosexuellenverfolgung in Düsseldorf in der Zeit des Faschismus: Am 28. Juni 2005 jährt sich zum 70. Mal die Verschärfung des antihomosexuellen §175 durch die Nationalsozialisten; auch in Düsseldorf wurden zahlreiche homosexuelle Männer Opfer der faschistischen Verfolgung. Der geplante CSD findet auch vor diesem Hintergrund statt: Nie wieder dürfen Lesben und Schwule Opfer staatlicher Verfolgung werden. Nach Laubenburg sei das Verbot des CSD 2005 ein schlichter Willkürakt, der zudem rechtswidrig sein dürfte, da sich das Büro des Oberbürgermeisters dabei erklärtermaßen mit der Düsseldorf Marketing und Tourismus GmbH (DTM) abgestimmt habe. Rechtlich und faktisch ist die DMT genau so ein Veranstalter wie die den CSD veranstaltende Agentur. Vor diesem Hintergrund muß allein schon die Weiterleitung der CSD-Anfrage an die DMT auch strafrechtlich geprüft werden ... Eines aber ist trotz Erwin und Co. ohnehin sicher: Es wird 2005 auf jeden Fall einen CSD in Düsseldorf geben, Schwule und Lesben lassen sich aus dem Stadtbild von einem Herrn Erwin nicht ausmerzen.
Düsseldorfs Oberbürgermeister hatte Homosexuellen vor zwei Jahren öffentlich angeraten, sich nach Berlin zu verziehen. Im Sommer 2003 enthüllte das whk Bußgeld-Aktionen des Ordnungsamtes gegen schwule Männer auf öffentlichen Toiletten. (vgl. Gigi Nr. 28, S. 38 und Nr. 26, S. 36)
Guerilla im Geschlechterkampf (2)
Ein Grußwort an die Bundesarbeitsgemeinschaft Sexualpolitik in der PDS (BAGS) sandte das whk an deren Bundestreffen am 28. November. Die Konstituierung der BAGS sei ein mutiges und hoffnungsvolles Zeichen gegen den unwürdigen Niedergang der Lesben- und Schwulenpolitik in der PDS gewesen, so das whk. Umso mehr habe das fragwürdige innerparteiliche Vorgehen gegen die BAGS und einzelne ihrer Mitglieder in der lesbisch-schwulen Öffentlichkeit für Ratlosigkeit und Kopfschütteln gesorgt. Daß auch in der PDS in fachpolitischen Debatten zunehmend rückwärtsgewandte Theorien zur menschlichen Sexualität den Ton angäben belege, daß die Zeiten für eine fortschrittliche Sexualpolitik auch in der Linken alles andere als günstig seien.
Im Oktober 2004 hatte die PDS-Arbeitsgemeinschaft whk und Gigi in einem Grußwort zum 7. whk-Bundestreffen als Guerilla im Geschlechterkampf gelobt: Gigi und das whk übertragen alle positiven Eigenschaften der Tunte auf die politische Ebene: Interesse an politischen Zusammenhängen, den Anspruch, über Hintergründe zu informieren, und ... Gerechtigkeitssinn, der zu einer tiefen Solidarität zu allen marginalisierten Personen und Gruppen führt. Dieser Gerechtigkeitssinn zeigt sich deutlich in der Berichterstattung der Gigi ... Letztlich ist die Befreiung aus dem schönen Schein der Bürgerlichkeit immer auch ein ganz wesentlicher Teil schwuler Emanzipation gewesen. Insoweit vertritt das whk mit all seiner Bissigkeit eine Linie, die auf den erfreulichsten Traditionen der Schwulenbewegung aufbaut. Gäbe es das whk nicht, müßte man es erfinden. Gäbe es die Gigi nicht, müßte man sie dringend gründen. (vgl. Gigi Nr. 34, S. 38)
Aspekte geomoralischer Sittlichkeit
Die US-Präsidentenwahl kommentiert im Dezember der rheinländische whk-Sprecher Dirk Ruder in seiner monatlichen Kolumne im Kölner Schwulenblatt Box (Nr. 138): Die Präsidentenwahl am 2. November endete für die homosexuelle Bürgerrechtsbewegung der Vereinigten Staaten mit einem ... Fiasko. In parallel zur Präsidentenwahl in elf US-Bundesstaaten anberaumten Volksentscheiden hatte die moralische Mehrheit bibel- und andersgläubiger Bush-Anhänger durchweg für ein gesetzliches Verbot Eingetragener Partnerschaften votiert: In Mississippi 86 Prozent, in Oregon, wo Bushs Herausforderer John Kerry bei der Wahl die Nase vorn hatte, waren es immerhin noch 57 Prozent ... Verständlich, daß das unerwartete Verbot der Schwulenehe in den USA klerikal-konservative Kreise hierzulande ... in Feststimmung versetzte. Die Tageszeitung Die Welt konnte sich das Feixen kaum verkneifen, als sie anmerkte, die Ablehnung der ... Eingetragenen Partnerschaft sei durch alle US-Bevölkerungsschichten so gewaltig und einheitlich gewesen, daß sich die Aktivisten weitere Versuche wohl auf Jahre hinaus sparen können. Die Wahlergebnisse hätten, so Die Welt, eine geomoralische Sittlichkeit bestätigt, welche die Liberalen zunehmend an den Rand zu den Küsten abdrängt. Ruder erinnerte, Die Welt habe schon Ende Oktober über die finsteren Seiten des homosexuellen Lebens lamentiert, um Gleichstellungsfuror und wilde Libertinage der Homosexuellen in den Dark Rooms zu geißeln. Das Blatt sehne sich offenbar nach einem Ende der sexuellen Freiheit.