Mitteilungen des whk November/Dezember 2004
7. Bundestreffen des whk in Münster
Zum 7. Bundestreffen des wissenschaftlich-humanitären komitees (whk) kamen whk-Freundinnen aus allen Regionalgruppen am 9. Oktober nach Münster ins Homo-Zentrum KCM. Das Treffen befaßte sich mit aktuellen politischen Fragen und künftigen inhaltlichen Schwerpunkten. So will das whk in den kommenden Monaten verstärkt auf die Folgen des Demokratie- und Sozialabbaus aufmerksam machen. Weitere Aktionsfelder werden die Antidiskriminierungs- und Lebensformenpolitik sowie die sexuelle Repression und Prostitution sein.
Für den Förderverein des whk e.V. vermerkte Eike Stedefeldt die solide finanzielle Lage des Vereins und der vom Verein verlegten Gigi als größtem und kostenintensivstem whk-Projekt. Er wies auf steigende Abozahlen hin und stellte fest, die Zeitschrift werde wegen ihrer verläßlichen Recherchen viel öfter zitiert als noch vor ein, zwei Jahren. Bei Neuabonnenten komme es vielfach zur Nachbestellung erst einzelner, dann oft aller lieferbaren Ausgaben. Bei den Vorstandswahlen wurden Ortwin Passon (Berlin) und Dirk Ruder (Moers) als Vorsitzende und Eike Stedefeldt (Berlin) als Schatzmeister des Fördervereins bestätigt.
Indes haben sich Jörg Fischer aus dem whk Rheinland und Markus Bernhardt aus dem Berliner whk zurückgezogen. Bernhardt begründete dies mit unterschiedlichen Einschätzungen außenpolitischer Themen im whk.
Zum Bundestreffen, über das das schwule Regenbogen TV einen Beitrag für die Sendung im November drehte, hatten das whk Grußbotschaften der AG Sexualpolitik in der PDS, des Lesben- und Schwulenzentrums KCM sowie des Münsteraner Vereins Erhaltet den Hawerkamp erreicht, der sich für den Erhalt der Alternativszene rund um das Homo-Zentrum einsetzt.
Kleiner Parteitag
Am selben Wochenende wie das whk-Bundestreffen fand im Tagungshaus Gleisdreieck in Hannover unter dem Titel Das Private bleibt politisch ein Seminar des Arbeitskreises Gleichberechtigung der Grünen Jugend/Bundesverband statt. Diskutiert wurden die Sexualisierung der Medien und der Gesellschaft, Rolle von Prostitution, sexuelle Gewalt gegen Frauen sowie Erotisierung von Machtunterschieden. Dies sollte hinführen zur Erarbeitung eigenständiger Positionen junggrüner Menschen, um in der Mutterpartei kritischer und konstruktiver alteingesessenen Einstellungen entgegenzutreten. Fürs Impulsreferat hatte man Eike Stedefeldt (whk-Gruppe Berlin/Gigi-Redaktion) geladen. Die fünfstündige Diskussion war auch für ihn spannend. Zeigte sich doch etwa an der Lebensformenfrage, daß es in dem Jugendverband feministische Positionen und eine darauf fußende Kritik an der (Homo-)Ehe-Politik der Gesamtpartei gab und gibt. Seinerzeit habe man mit derartigen Argumenten aber nicht durchdringen und der Lobby von Parteiführung und AG Schwulenpolitik nichts entgegensetzen können, so der Tenor besonders der jungen Frauen. Am Ende stand die resignative Frage im Raum, ob Stedefeldt einen Sinn darin sehe, überhaupt in und durch Parteien gesellschaftliche Veränderungen bewirken zu wollen. Stedefeldt riet ab: Parteien seien aufgrund ihrer vertikalen Struktur tendenziell bildungsresistent.
Freie und unfreie Wahlen (1)
Ratsmandate brachten die Kommunalwahlen in Nordrhein-Westfalen am 26. September den whk-Freundinnen Michael Heß (Münster) und Frank Laubenburg (Düsseldorf). Während Laubenburg in der Landeshauptstadt sein 1999 erlangtes Ratsmandat für die Linke Liste/PDS verteidigte, zog Heß für die Unabhängige Wählergemeinschaft für Münster (UWG) erstmals in die Bezirksvertretung ein. Nach Querelen innerhalb der linken Parteienszene nicht für das Linke Bündnis Dortmund wie fälschlich an dieser Stelle in den letzten Mitteilungen gemeldet , sondern für die PDS/Offene Liste hatte whk-Aktivistin Astrid Keller im Stadtteil Mengede kandidiert, aber den Wiedereinzug ins Rathaus verfehlt. Im Wahlkampf hatte vor allem Laubenburg die verschärfte Sozialgesetzgebung kritisiert. In einer Rede zum Antikriegstag am 1. September analysierte er auf dem Düsseldorfer Heinrich-Heine-Platz kenntnisreich die Parallelen zwischen dem sogenannten Freiwilligen Arbeitsdienst (FAD) der späten Weimarer Republik und den ab 1. Januar 2005 im Sozialrecht geltenden Hartz IV-Gesetzen: Am 5. Juni 1931, die Arbeitslosenstatistik erfaßte fünf Millionen Erwerbslose, erließen Kanzler Brüning und Präsident Hindenburg ihre Zweite Notverordnung zur Sicherung von Wirtschaft und Finanzen. Kernpunkte der Arbeitsmarktreform waren damals der Abbau der Tariffreiheit, die Herabsetzung der Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung, Steuervergünstigungen für Unternehmer und die Förderung des sogenannten Freiwilligen Arbeitsdienstes ... Die Zahl der Arbeitslosen in Deutschland gleicht heute denen in der Endphase der Weimarer Republik. Auch Hartz IV als Programm der Bundesregierung zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit unterscheidet sich kaum von den Brüningschen Notverordnungen ... Der Sozialabbau und die weitere Verarmung Hunderttausender in unserem Land, der damit verbundene Ausschluß Langzeitarbeitsloser vom gesellschaftlichen Leben, soll auch die sozialen Bewegungen treffen, soll auch politische Einmischung und Gegenwehr schwächen.
Freie und unfreie Wahlen (2)
Schock für die CSD-Veranstalter vom Kölner Lesben- und Schwulentag (KLUST): Nachdem der Verein im September schon über das Motto für die Homo-Parade 2005 debattiert hatte, mußte er feststellen, daß bei der polizeilichen Anmeldung Unbekannte schneller waren. Der KLUST kam ein wenig zu spät: Für den 3. Juli 2005 wurde bereits eine Demonstration Für Emanzipation und Gleichstellung aller Lebensweisen angemeldet ... Von den schärfsten Kritikern des etablierten Kölner CSDs will es niemand gewesen sein, sowohl das Aktionsbündnis queergestellt! als auch die Regebogen-Liste und das linke wissenschaftlich-humanitäre komitee (whk) dementieren, hinter der Aktion zu stecken, so das Szeneblatt Up Town (Oktober 2004). Dessen Schwestermagazin Exit fand heraus, die Polizei könne aus Datenschutzgründen nur bekanntgeben, daß es sich bei dem Antragsteller um eine Einzelperson handelt, die ... auf der Strecke der traditionellen CSD-Parade eine alternative Demo angemeldet hat und das auch noch zur traditionellen Startzeit um 12 Uhr. Laut Exit plane die Polizei nun, die verspätet angemeldete KLUST-Parade sowie die nunmehr offizielle Gegenparade (Up Town) zeitlich versetzt stattfinden zu lassen.
Alles in bester OrdnungKeinen Handlungsbedarf sieht das Bundesfamilienministerium (BMFSFJ) hinsichtlich des Lesben- und Schwulenverbandes. Nach dem LSVD-Verbandstag im März wies die whk-Zeitschrift Gigi anhand des vom Kassenwart Jacques Teyssier vorgelegten Finanzberichts 2003 das Verschwinden von mehr als 30.500 Euro ausgerechnet bei den vom BMFSFJ finanzierten Projekten des LSVD-Sozialvereins nach (Gigi 31, S.38). Schon im September 2003 hatte Gigi enthüllt, wie der LSVD-Bundesvorstand mit Hilfe des nur Bundesvorstandsmitgliedern als Mitgliedern zugänglichen LSVD-Sozialwerks Geldströme aus dem BMFSFJ am Gesamtverband und damit an der Rechenschaft vor den Verbandsmitgliedern vorbeischleust (Gigi 27, S. 9). Die Nachweise seien genauestens überprüft und die Projekte ordnungsgemäß abgeschlossen worden, so die BMFSFJ-Pressestelle auf Anfrage des Berliner whk. Da die Verwendungsnachweise gründlich geprüft worden sind, ist eine nochmalige Prüfung nicht vorgesehen. Auch Teyssiers Mauscheleien als Schatzmeister in NRW, die schließlich zur Insolvenz des Landesverbands führten, beunruhigen das Ministerium nicht: Der Konkurs des Landesverbands hat keine Auswirkungen auf die Förderung von Projekten des Familien- und Sozialvereins auf Bundesebene. Die Insolvenz des NRW-Landesverbands stehe in keinem Zusammenhang mit Projekten, die das Bundesministerium gefördert habe.