Mitteilungen des whk März/April 2003
Schlampiger UmgangZum Jahreswechsel warf die Berliner Magnus-Hirschfeld-Gesellschaft (MHG) dem whk eine Verleumdungskampagne gegen homosexuelle NS-Opfer vor. Hintergrund war eine öffentliche Beschwerde des whk wegen des unwürdigen Umgangs mit dem vom whk unterstützten Projekt Stolpersteine durch das Heimatmuseum Kreuzberg- Friedrichshain. Die in der Mitteilung der Berliner whk-Regionalgruppe nicht erwähnte MHG sah jedoch vom whk das Andenken an die schwulen Opfer des Faschismus öffentlich in den Schmutz getreten (vgl. Mitteilungen des whk in Gigi Nr. 23, Seite 37). Den dreisten Vorwurf konterte das whk nach Redaktionsschluß der letzten Gigi mit einer Stellungnahme vom 1. Januar: Das whk als Stifter eines Stolpersteins hat sich entgegen dem allgemeinen Trend erlaubt, genau zwischen NS-Opfern und NS-Tätern zu unterscheiden Daß das whk über den schlampigen Umgang mit den Biographien der Opfer wie mit den Stiftern ihrer Gedenksteine nicht stillschweigend hinweggeht, nimmt nun die Magnus-Hirschfeld-Gesellschaft zum Anlaß, das whk öffentlich anzuprangern und in eine Reihe mit den NS-Tätern zu stellen Die Berliner whk-Gruppe weist die Anschuldigungen der Magnus-Hirschfeld-Gesellschaft aufs Schärfste zurück. Das whk verlangt von der MHG eine öffentliche Rücknahme der Vorwürfe und eine Entschuldigung. In Anspielung auf die gefloppte, vom whk ebenfalls öffentlich beanstandete Magnus-Hirschfeld-Stiftung der Bundesregierung, die der MHG einen ewigen Kuratoriumssitz bescheren sollte, bewertete das whk die unfeine Attacke der MHG als Rache der Enterbten. Die vollständige Pressemitteilungen des whk sowie die Erklärung der MHG samt ausführlicher Kommentierung findet sich unter www.whk.de. Eine Entschuldigung von Hirschfelds willigen Erben lag dem Berliner whk bis Ende Februar nicht vor. Ein Gesprächsangebot des Verfassers der MHG-Presseerklärung, Andreas Pretzel, konnte deswegen nicht angenommen werden.
Zur Wiedervorlage (1)
Aus der politischen Arbeit des Düsseldorfer whk-Aktivisten und PDS-Ratsherrn Frank Laubenburg zunächst die Pflicht: Verwaltung will Angermunder Baggersee weiterhin nicht öffnen, meldete eine Presseinformation Laubenburgs am 4. Februar zu einer anstehenden Ratsdebatte über das beliebte Cruising-Area im Norden der Landeshauptstadt. Die Stadtverwaltung schiebt das Vogelschlaggutachten (von See-Besuchern aufgescheuchte Vögel könnten in die Triebwerke überfliegender Flugzeuge geraten) vor, um die Nutzung des Angermunder Baggersses als Naherholungsgebiet weiterhin zu behindern Diese Argumentation ist vorgeschoben, wenn man sich an die Äußerungen des Oberbürgermeisters Joachim Erwin (CDU) erinnert, der im Zusammenhang mit der Nutzung des Baggersees forderte, die Schwulen sollten sich nach Berlin verlegen und seinen Ordnungsdienst einsetzte, um in der Sonne liegende Besucher des Sees zu vertreiben. Es stört, wer den See nutzt Zu befürchten sind also auch im Sommer 2003 neue Ordnungsamtsrazzien und Schikanen. Von daher wird die PDS den Prüfbericht der Verwaltung selbstverständlich ablehnen.
Und nun die Kür: Auf der Ratssitzung am 11. Juli 2002 hatte OB Erwin angekündigt, daß im dritten oder vierten Quartal des letzten Jahres das Internet-Angebot www.duesseldorf.de im Rahmen der Rubrik Lebenssituationen um Angebote für Schwule und Lesben ergänzt würde. Diese Zusage machte Erwin erst unter dem Druck einer öffentlichen Anfrage. Zwischenzeitlich hatte Erwin zudem auf einer CDU-Veranstaltung erklärt, Düsseldorf müsse kein Highlight von rosa Internet-Seiten sein. Bis heute ist das angekündigte Angebot nicht zu finden. Macher Erwin zeigt damit einmal mehr, daß seine zeitlichen Ankündigungen vollkommen unzuverlässig sind. In einem Schreiben habe ich ihn heute an seine Zusage erinnert und ihm zudem die Anschaffung einer Wiedervorlagemappe empfohlen. Dann irrt er sich nicht so leicht im Quartal. Warum Kür? Laubenburgs Pressemitteilung vom 2. Januar war betitelt mit OB Erwin als Quartals-Irrer?
Zur Wiedervorlage (2)
Die geplante Politaktion eines anderen Düsseldorfer Rechtsaußens war Laubenburg Anlaß für ein Outing in der Tageszeitung junge Welt: Mit einer Rede Zur politischen Lage in der Bundesrepublik will der ausrangierte FDP-Politiker Jürgen W. Möllemann am 21. Januar in Düsseldorf sein Comeback starten. Ort der Veranstaltung ist der Industrieclub, in dem Hitler 1932 mit seiner Sektrede erfolgreich um die finanzielle Unterstützung der NSDAP durch das Großkapital warb. Eingeladen wird Möllemann von der Düsseldorfer Herrenrunde, einem Zusammenschluß national-konservativer Unternehmer und Politiker, die von dem mittlerweile verstorbenen Unternehmer Prof. Dr. Carl Zimmerer in den 80er Jahren gegründet wurde und vor der von Ex-NPD-Chef Adolf von Thadden über Franz Schönhuber und Jörg Haider zahlreiche Rechte referierten Möllemann selbst, der bereits im Frühjahr der NPD-nahen Freiheit Wattenscheid ein Interview gegeben hatte, dürfte darauf spekulieren, bei der Herrenrunde im Industrieclub mögliche Sponsoren für seine zukünftigen Projekte zu finden die Initiierung einer neuen Rechtspartei scheint durch den angekündigten Auftritt in Düsseldorf immer wahrscheinlicher.
Frauenheilkunde
Der Bundesverdienstorden für den Hormonforscher Günter Ratten-Dörner war kein Versehen, sondern Absicht. Dies jedenfalls bestätigte die Ordenskanzlei des Bundespräsidenten, deren Antwortschreiben an die Düsseldorfer Frauenberatungsstelle das whk am 29. Januar kommentierte. Nach Protesten von Lesben- und Schwulengruppen hat die Ordenskanzlei des Bundespräsidialamts die Auszeichnung des ehemaligen Charité-Endokrinologen Günter Dörner im letzten Herbst als sorgfältig geprüft gerechtfertigt, so das whk. Damit sei die Ratte aus dem Sack: Die Ordenskanzlei erklärt unumwunden, daß für sie das tatsächliche Wirken und vor allem die katastrophale Wirkung der Tätigkeit eines Auszuzeichnenden für irrelevant hält. Stattdessen würde Dörner unter anderem wegen der Fortschritte im Bereich der Frauenheilkunde gewürdigt. Doch diese stand ebenso wenig im Zentrum von Dörners Forschungen wie die diabetische Stoffwechsellage, Schildrüsenfunktionsstörungen, Umweltschadstoffe, bakterielle und viröse Infektionen, aber auch psychosoziale Bindungen, denen der vorgeburtliche Organismus oder der Organismus nach der Geburt ausgesetzt ist, die das Amt wahlweise als Verdienste anbietet. All das waren legitimierende Nebenschauplätze. Angesichts des unerwarteten Protests aus der Homoszene legte die Ordensabteilung noch eins drauf und beschuldigte diejenigen, die ihr Existenzrecht als Homosexuelle verteidigten, wegen ihres Protest der Diffamie am Bundespräsidenten. Die heftige Reaktion auf eine angebliche Majestätsbeleidigung zeigt für das whk eine grundsätzlich veränderte, rückwärtsgewandte Attitüde der Obrigkeit gegenüber nicht-reproduktiven Sexualitäten sowie explizit Homosexuellen, die sich nicht jede staatliche Provokation gefallen lassen.
Wieder weg
Eine ganz schlechte Nachricht mußte Jürgen Bieniek, Verleger des Berliner Szenemagazins gip (Großstadt im Profil), im Januar engen Freunden und Mitarbeitern machen: Aufgrund der geringen Werbeeinnahmen im Dezember und im Januar habe ich kurzfristig entschieden, die Verlagstätigkeit einzustellen und lieber ein Ende mit Schrecken, als ein Schrecken ohne Ende einzugehen. Für das Berliner whk ein Grund zur Hoffnung, denn die Einstellung des Stadtmagazins gip ist ein intellektueller Gewinn für die Homo-Szene. Zeit seiner Existenz habe das Blatt einen in jeder Hinsicht profillosen Gefälligkeitsjournalismus geliefert, die redaktionelle Grundhaltung war konservativ und staatstreu. Deshalb fanden in gip die Verlautbarungen des parteigrün dominierten Lesben- und Schwulenverbandes in Deutschland (LSVD) ein williges Sprachrohr. Ehe-kritischen Homo-Gruppen habe gip-Verleger Bieniek, der damals auch Pressesprecher des Berliner CSD war, bescheinigt, ihre Ablehnung der Eingetragenen Partnerschaft sei DVU-kompatibel. Dies ausgerechnet von einem, dessen Texten eine Analyse der whk-Zeitschrift Gigi im August 1999 antisemitische Argumentationsmuster nachgewiesen hatte. Dies hatte zu einer Strafanzeige Bienieks gegen mehrere whk-Mitglieder wegen Verleumdung geführt, die er der Öffentlichkeit annoncierte. Daß das Ermittlungsverfahren als unbegründet eingestellt wurde, verschwieg Bieniek jedoch wohlweislich. Für das Berliner whk ist das Ende von gip ein weiterer wichtiger Schritt gegen die politische Verdummung der homosexuellen Szene.
Bereits am 20. Januar fand offiziell in Köln die Vision Queer 2010 ein verdientes Ende durch Pleite der Queer AG. Zur Insolvenz des Homo-Monatsmagazins vor dem Hintergrund grüner Finanzmachenschaften gab die Arbeitsgemeinschaft Schwulenpolitik des whk acht Tage später eine vollständig auf der whk-Homepage dokumentierte Stellungnahme ab; mehr zu den Hintergründen finden sich im Schwerpunktartikel dieses Hefts. Zum Hinscheiden der beiden schwulen Propagandablätter gip und Queer bestellte die Tageszeitung junge Welt für ihre Ausgabe am 4. Februar beim whk einen Hintergrundartikel. Titel: Auch gut so.