Mitteilungen des whk September/Oktober 2002
Wahlschlager (1)Es ist tatsächlich bemerkenswert, wie geschlossen sich alle Blätter ausschweigen über die Niederlage der unionsgeführten Länder Bayern, Sachsen und Thüringen hinsichtlich des Sieges der Lesben und Schwulen vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe, lamentierte die Urlaubsvertretung des LSVD-Webmasters Manfred Bruns nach dem Urteilsspruch des BVerfG vom 17. Juli. Damit der Sieg einer bleiben konnte, unterschlug der Bürgerrechtsverein in seinem Online-Pressespiegel neben sämtlichen kritischen Stellungnahmen aus der Homo-Szene selbst auch einen Kommentar des einzigen Blattes, daß nicht geschlossen mitschwieg beim Triumph von Schröders rot-grünem Komptetenzteam. Der Gastkommentar von whk-Sprecher Dirk Ruder zum Wahlkampfschlager Homo-Ehe in der Tageszeitung junge Welt vom 23. Juli las sich auszugsweise so: Mit seinen Ideen zur Familienpolitik hat Edmund Stoiber derzeit in den eigenen Reihen wenig Fortune ... Dabei hatte Stoiber nur gesagt, er wolle den bereits gültigen Teil des Gesetzes zur Eingetragenen Partnerschaft nach einem Wahlsieg nicht rückgängig machen Keine Sorge also, Stoiber bleibt Konservativer, und die Kritik an ihm ist nicht mehr als das übliche Tschingdarassa im Wahlkampf: Wenn es im Bierzelt zu langweilig wird, spielt halt die Kapelle ein wenig auf. Die andere Variante des Musikantenstadls inszenierte in der vergangenen Woche das rot-grüne Lager ... Der für seine devoten Elogen auf die Gleichstellungspolitik der Koalition bekannte Taz-Redakteur Jan Feddersen bewertete den Richterspruch sogar als gigantisch, wunderbar, grandios. Kein Wort klinge zu pathetisch, so kommentierte der Experte für Schlagermusik, um zu skizzieren, was das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Homo-Ehe bedeutet. Dabei hatten die Richter darin lediglich festgestellt, daß das Gesetz nicht gegen das Grundgesetz verstoße. Das hatten indes bereits im September 2000 alle juristischen Experten dem Rechtsausschuß des Bundestags bescheinigt Nach dem gesicherten Stand sexualmedizinischer Wissenschaft, so zitierte das Bundesverfassungsgericht in seiner Urteilsbegründung die Position der Bundesregierung, erwachse Homosexualität aus einer starken biologischen Prädisposition. In unseliger Tradition versteht man in Berlin die amtlich dekretierte Registrierung Homosexueller offenbar als Lösung für ein biologisches Problem. Klar doch. Wer homosexuelle Paare für ein bißchen Rechtssicherheit in die Ehe zwingt, muß den bevölkerungspolitischen Blindgängern nicht erst einen rosa Winkel an die Brust heften, um sie unter Kontrolle zu halten. Darin sind sich die derzeitigen Regierungs- und Oppositionsparteien wohl einig: Volksgesundheit gibts eben nur per Sondergesetz.
Die AG Lebensformenpolitik des whk hatte am Tag des Richterspruchs in einer Pressemitteilung nochmals auf den konservativen Geist des Gesetzes aufmerksam gemacht: Geradezu entlarvend sind die vom BVG in seiner Urteilsbegründung wiedergegebenen Statements von Prozeßbeteiligten. Während der Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD) in seiner Stellungnahme sogar die Ehe als Keimzelle des Staates bemühte, erklärte die Bundesregierung, mit der Eingetragenen Lebenspartnerschaft werde kein Verführungsdruck im Hinblick auf die Homosexualität ausgeübt.
Wahlschlager (2)
Interessante Post bescherte das Interview mit dem whk Rheinland (vgl. Mitteilungen des whk in Gigi Nr. 20) im August dem Szeneblatt Box: Ich kann den LSVD gut verstehen, wenn er auf Eure vom whk übernommenen Fragen nicht dezidiert antwortet. Vielleicht setzt Ihr Euch mit der whk-Presseerklärung mal ein bißchen genauer auseinander: Das whk suggeriert, daß beim LSVD Korruption vorliege. Mag daran liegen, daß die Leute vom whk nicht wissen, was das Wort Korruption bedeutet. (...) Im Vorstand des LSVD NRW e.V. arbeiten m.E. ehrenwerte Menschen. Mit viel Idealismus und Einsatz, und das ganze ehrenamtlich und somit unentgeltlich ... Kurz und gut: Die Fragen des whk sind offenkundig politisch motiviert. Nennt mir einen Grund, warum es das whk irgend etwas angeht, wie hoch die Zuflüsse aus Landesmitteln an den LSVD waren, welches die Beanstandungen des Landesrechnungshofes sind, ob auch aus späteren Jahren Rückzahlungen erfolgen müssen und was die weiteren Konsequenzen sind? All dies sind Interna des LSVD NRW ... Die Unterstellung von Korruption ist nichts als peinlich! Der LSVD-Landesvorstand hat in seinen Presseerklärungen [es gab nur eine einzige Presseerklärung des LSVD d.R.] alle wichtigen Informationen in die Öffentlichkeit getragen. Liebe Box-Redaktion, den lächerlichen Fragenkatalog unreflektiert zu übernehmen, zeugt nicht unbedingt von journalistischem Können! Beste Grüße Timo Kerßenfischer.
Dazu die Antwort der Redaktion: Vielen Dank für ihren Leserbrief. Wir hätten uns jedoch gewünscht, daß der LSVD wie versprochen selber auf die gestellten Fragen reagiert. Unverständlich bleibt uns, wie sie davon sprechen können, daß all dies Interna des LSVD sind. Wenn es um Mißwirtschaft und Verschwendung unserer Steuergelder geht, dann sollte es die selbstverständliche Pflicht sein, dies umgehend öffentlich aufzuklären und die Fakten auf den Tisch zu legen. Wenn wir die Aufklärung der Parteispenden-Skandale fordern, dann sollte dies erst recht für staatliche geförderte Institutionen wie den LSVD gelten. Gleichzeitig würden wir es begrüßen, wenn Sie uns in ihrem Brief Ross und Reiter genannt hätten, daß sie als Schatzmeister des LSVD Münster direkt involviert sind und somit nicht neutral sein können, sondern ihre persönlichen Interessen (Vorteile?) vertreten.
Schweigegeld (1)
Zur Diskussion um die Magnus-Hirschfeld-Stiftung erklärte das Büro des in die Kritik geratenen MdB Volker Beck: Bei der Besetzung des Kuratoriums geht es nicht darum, Zuwendungen an die dort vertretenen Verbände zu leisten, sondern deren Sachverstand für die Erfüllung der Stiftungszwecke zu nutzen. Hinsichtlich des Klüngeleivorwurfs wolle man die Meinung anderer Verbände [gemeint kann nur das whk sein] nicht kommentieren. Genau dies mochte indes hinnerk-Chefredakteur Jörg Rowohlt tun: Zur Normalität würde gehören, daß die Medien ihre Beißhemmung gegenüber Schwulen ablegen Ein Bundestagsabgeordneter gründet kurz vor der Wahl, die verloren zu gehen droht, noch schnell eine Stiftung und stattet sie mit 15 Mio. Euro aus. Im Leitungsgremium der Stiftung bringt der Abgeordnete neben verschiedenen befreundeten Organisationen vor allem den eigenen Lobbyverband unter, dessen Vorstandsmitglied er ist. Unter normalen Umständen würde die gesammelte Presse vor so viel Selbstbedienungsmentalität aufschreien, es würde Rücktrittsforderungen hageln. Geht es aber um den grünen Rechtspolitiker Volker Beck, die Schwulen und die LSVD-nahe Magnus-Hirschfeld-Stiftung, wird der fällige Skandal [sic!] vermieden. Weil sie von Vorzeigehomos betrieben wird, traut sich kaum jemand, die Machenschaft eine Machenschaft zu nennen. Die, die sich dennoch trauten, mochte indes auch Rowohlt einmal mehr nicht nennen.
Schweigegeld (2)Weniger als Skandal denn als edle Tat wertete auch die rechtspolitische Sprecherin der PDS im Bundestag die Zustimmung ihrer Fraktion zur Magnus-Hirschfeld-Stiftung. Evelyn Kenzler am 8. Juli in einer e-mail an Herbert Rusche vom whk Hessen: Meine Fraktion hat zugestimmt, eine Abgeordnete der PDS [Christina Schenk whk] hat sich der Stimme enthalten. Die Zustimmung der PDS wurde dadurch erleichtert [!], daß der Stiftungszweck gegenüber dem Entwurf eindeutiger formuliert ist, insbesondere auch die Emanzipationsarbeit einschließt. Von einer pauschalen Wiedergutmachung ist allerdings nicht die Rede. Die Zusammensetzung des Kuratoriums war strittig und Wünsche blieben offen. Ich sah in dieser Frage jedoch keinen hinreichenden Grund, die Zustimmung zu versagen.
Schweigegeld (3)
Ahnungslosigkeit beim Zustandekommen der Magnus-Hirschfeld-Stiftung reklamierte SPD-MdB Margot von Renesse am 5. Juli in einer langen Presseerklärung: Wegen dieses Gesetzes ... wird nun der Kollege Beck ... persönlich angegriffen. Ihm wird unterstellt, in eigennütziger Weise die interessen seines Verbandes ... durchgesetzt zu haben ... Stellt aber die Mitgliedschaft des Kollegen Beck im LSVD denn wirklich einen zureichenden Grund dar, um sachliche Gründe für die von uns gewählte Regelung auszuhebeln? Antwort kam von Ex-MdB Herbert Rusche: Sie müssen sich ... fragen lassen, waren Volker Beck und seine Leute Ihre einzigen Informanten, was die Schwulenpolitik, die Schwulenbewegung und die Szene angeht? ... Wenn Herr Beck Ihnen entsprechende Informationen ... vorenthalten hat, dann hätte Ihnen sicher der wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestages völlig neutral und umfassend das entsprechende Wissen geliefert. Nur fragen hätten Sie müssen ..., um nicht in die Falle zu tappen, die Ihnen ihr Kollege und wohl auch Freund Volker Beck da gestellt hat.
Blech in Queer
Seit Jahren lädt das Oberhausener Druckluft zur allmonatlichen bang!-Party, einer kleinen Oase inmitten der sich ähnelnden Homo-Partys im Pott. Denn dort erwartet die Gäste abwechslungsreiche alternative Musik und ebenso vielfältige Besucherinnen. Doch das Publikum habe sich verändert, kritisiert das Duisburger Homo-Referat SchwuBiLe, das mit den Oberhausenern u.a. die Freak week organisierte. Jetzt will man die Zusammenarbeit aufgeben, berichtet Norbert Blech im August in Queer zum Glatzenstreit im Ruhrgebiet: Seit rund einem Jahr tummeln sich bis zu 20 rechts aussehende Schwule auf der Party ein Fakt, der viele der BesucherInnen verwundert hat, gilt das Druckluft doch als alternatives Zentrum Beim SchwuBiLe [an der Uni Duisburg whk] und auch beim linken wissenschaftlich-humanitären komitee (whk) sieht man jene Gäste jedoch nicht nur als Fetischisten: Wer als Skin in der Szene mit eindeutig rechten Attributen auftritt, mache bereits eine politische Aussage, so Dirk Ruder vom whk Rheinland. Im Kommentar Wenn Linke streiten entwickelt Blech eine blockwarttaugliche Begründung für einen Rauswurf der Linken: Natürlich verstört das Kokettieren mit rechter Symbolik dieser Kleinstgruppe, und es gibt viele, die bereits einen solchen Fetisch [!] für nicht akzeptabel halten. Doch da läßt sich auch herzlich sozialpädagogisch drüber reden, was sich gestört fühlende BesucherInnen auch tun sollten. Doch (noch) gibt es keinen Grund, den Leuten Einlaß zu verwehren [sic!]. Es ist gerade das Konzept der bang!, Menschen nicht nach Aussehen oder Ideologie vorzuverurteilen. Den dogmatischen Meckerern aus Duisburg und Moers [also SchwuBiLe und whk Rheinland] hingegen steht es frei, eine eigene Party zu machen. Linke werden nämlich auf einer ideologiefreien linken Party, wo es keine Vorverurteilung gibt, gar nicht gern gesehen. Wie die eigene Party der vor die Tür zu Setzenden auszusehen hat, malte sich Blech so aus: Am besten, da nicht kommerziell, gegen Spende, mit Einlaß nur für Leute, die PDS wählen, kein einziges Pop-Lied mögen und natürlich die Gigi lesen. So sichert man Vielfalt die hat bei der bang!-Party nun wahrlich keinen Platz mehr hat.