Dokumentation
Berlin, 17. 11. 1999
Offener Brief an den Mete-Eksi-Fonds e.V.
Sehr geehrte Damen und Herren,
mit Bestürzung haben wir zur Kenntnis genommen, daß das Kuratorium des Mete-Eksi-Fonds e.V. dem schwulen Informations- und Beratungszentrum Mann-O-Meter e.V. den Mete-Eksi-Preis 1999 zuerkannt hat. Das wissenschaftlich-humanitäre komitee (whk) möchte dringend an Sie appellieren, diese Entscheidung zu überdenken.
Seit Jahren gibt es in der antirassistischen Schwulenszene massive Kritik an dieser Einrichtung. Im Zentrum steht dabei deren "Anti-Gewalt-Arbeit" insbesondere das "schwule Überfalltelefon" sowie die vom Kuratorium zitierten dubiosen Statistiken zu anti-schwulen Gewalttätern. Letztere sind regelmäßig Basis für rassistische "Kriminalreports" in der Schwulenpresse, denn sie verweisen immer wieder auf die vermeintliche ethnische Herkunft der Täter. Dabei wird völlig ausgeblendet, daß nicht die ethnische oder im Subtext: religiöse Herkunft Grundlage homophoben Verhaltens ist, sondern eine persönliche schuldhafte Entscheidung.
Wenn Gewalt so bewußt Menschen nicht-deutscher Herkunft zugeschrieben wird, so muß sie auch aus der empfundenen Machtlosigkeit der Täter gegenüber der eigenen Repressionssituation erklärt werden. Mit seiner Praxis ist Mann-O-Meter e.V. hingegen geradezu prototypisch dafür, wie grundlegende gesellschaftliche Konflikte von weißen Mittelstandsdeutschen ethnisiert werden: Nicht mehr die individuelle Tat wird sanktioniert, sondern der soziale und ethnische Hintergrund des Täters. In früheren Zeiten nannte man dies Sippenhaft. Noch zumal basieren die Statistiken von Mann-O-Meter e.V. ausschließlich auf den Angaben der (deutschen) Gewaltopfer; oft sogar werden körperliche Merkmale zur Definition von "Südländern" etc. herangezogen.
In einer rassistischen Gesellschaft fällt es leichter, den "Fremden" zu beschuldigen, der ohnehin schon als abstraktes Feindbild allgemein akzeptiert ist. Mann-O-Meter e.V. hat dieses Feindbild in der Vergangenheit trefflich gepflegt. Der Verein hat dazu beigetragen, den latenten Rassismus in der Berliner Schwulenszene zu festigen, indem die eigene Klientel nach außen hin zur Opfergruppe stilisiert wurde, Ausländer bzw. Menschen anderen Aussehens oder anderer Herkunft dagegen zur potentiellen Tätergruppe herabgestuft wurden, die paternalistisch zu missionieren sei. Die Grundlagen des Rassismus, auch des eigenen, schwulen Rassismus, hat Mann-O-Meter e.V. unterdessen niemals ernsthaft in Frage gestellt.
Wir möchten an dieser Stelle darauf verweisen, daß es führende Mann-O-Meter-Mitglieder wie die Vorstände Sören Krumrey oder Rudolf Hampel waren, die gegen antirassistische Inhalte im Forderungskatalog des Berliner Christopher Street Day votierten, in erster Linie 1999 gegen die Forderung "Bleiberecht für alle!". Diese wurde nicht zuletzt mit den Stimmen von Mann-O-Meter e.V. im CSD-Forum der Berliner Homo-, Bi-, Trans- und Intersexuellengruppen als Demonstrationsmotto eliminiert.
Das whk versteht den Mete-Eksi-Preis als Würdigung antirassistischer Arbeit. Wir würden es als geradezu grotesk und einen Schlag ins Gesicht der Opfer rassistischer Gewalt empfinden allen voran Mete Eksi , wenn ausgerechnet Mann-O-Meter e.V. diesen Preis überreicht bekäme. Es würde eine überaus fragwürdige Praxis vor der Öffentlichkeit legitimieren und machte den Preis für keine antirassistische Gruppierung künftig mehr annehmbar. Denn Mann-O-Meter e.V. leistet genau dem Gegenteil Vorschub: Das Interesse seiner "Anti-Gewalt-Arbeit" gilt eben nicht Menschen anderer ethnischer Herkunft und ihrer Gleichberechtigung in der deutschen Mehrheitsgesellschaft. Sie, ihre Gemeinschaften und Familien sind in der Mann-O-Meter-Ideologie lediglich Objekte missionarischen Eifers, an denen erzieherisch zu arbeiten ist, damit weiße deutsche Schwule auch in der rassistischen Gesellschaft (deren Träger sie nicht zuletzt selbst sind) unbehelligt leben können.