Gigi-Redaktion/8. 4. 2002
Offizielle Anfrage an den Landesverband NRW
der Partei Bündnis 90/Die Grünen
betreffend finanzielle Beteiligungen von Landespartei-Gliederungen an der Kölner Queer Aktiengesellschaft
An: Michael Ortmanns, Pressesprecher des Landesverbandes Nordrhein-Westfalen der Partei Bündnis 90/Die Grünen
Sehr geehrter Herr Ortmanns,
unsere Redaktion arbeitet schon seit längerem (und verstärkt unter dem Eindruck dubioser Finanzmachenschaften der großen Parteien) an einem Schwerpunkt zur Finanzierungs- und Spendenpraxis lesbischer/schwuler Projekte, ihren Verbindungen zu ParlamentarierInnen und Parteien sowie angrenzenden politischen Entscheidungsebenen.
Uns liegen hierzu bereits Stellungnahmen des Landesrechnungshofes sowie des Lesben- und Schwulenverbandes in Deutschland (LSVD) vor; der LRH sah sich unseren Informationen zufolge bereits letztes Jahr veranlaßt, geförderte Projekte wegen Unregelmäßigkeiten einer außerplanmäßigen Prüfung zu unterziehen. Zahlreiche Indizien sprechen auch in diesem speziellen Bereich für die Existenz eines Phänomens, das allgemein als "Filz" bezeichnet wird.
Als Redaktion, die besonders wegen ihrer hervorragenden Recherchen mit dem Felix-Rexhausen-JournalistInnenpreis 2001 ausgezeichnet wurde, sehen wir uns verpflichtet, auch die uns vorliegenden Informationen und Dokumente trotz aller Verläßlichkeit einer Gegenrecherche zu unterziehen. In diesem Zusammenhang interessiert uns besonders die Aktienbeteiligung des Landesverbandes NRW von Bündnis 90/Die Grünen an der auflagenstärksten Lesben- und Schwulenzeitung in Deutschland bzw. des sie herausgebenden Verlages, der Queer AG in Köln. Wir gehen nach derzeitigem Erkenntnisstand davon aus, daß dieses Aktienpaket weder identisch ist mit den relevanten Anteilen, die einzelne bündnisgrüne ParlamentarierInnen dort gezeichnet haben, noch mit der Förderung der Zeitung durch den Ökofonds der NRW-Grünen.
Hiermit ersuchen wir Sie um die Beantwortung folgender Fragen zur Verifizierung bzw. detaillierten Untersetzung unserer Informationen:
1. In welcher Höhe hält der Landesverband NRW von Bündnis 90/Die Grünen Aktien der Queer AG?
2. Worin genau besteht die Förderpraxis des Ökofonds Bündnis 90/Die Grünen NRW hinsichtlich der Zeitung "Queer" und um welche konkreten Beträge oder Sachleistungen handelt es sich bei dieser Förderung?
3. Ist der Landesverband NRW von Bündnis 90/Die Grünen in sonst einer Weise finanziell an dem Unternehmen Queer AG beteiligt?
4. Wieviel Prozent des Gesamtaktienkapitals der Queer AG macht das Aktienpaket des Landesverbandes NRW von Bündnis 90/Die Grünen aus?
5. Auf wessen Initiative geht der Erwerb der Aktien zurück?
6. Gab es einen entsprechenden Beschluß eines Landesparteitages und wenn nicht, welches Gremium hat die Beteiligung beschlossen und welche inhaltliche, wirtschaftliche oder politische Begründung lag der Beteiligung zugrunde?
7. Wurde dieser Beschluß gefaßt, bevor oder nachdem die Queer AG im Jahre 2000 wegen manipulierter Angaben über die verbreitete Auflagenhöhe aus der Informationsgemeinschaft zur Verbreitung von Werbeträgern (IVW) ausgeschlossen wurde?
8. In welcher Weise nimmt der Landesverband NRW von Bündnis 90/Die Grünen Einfluß auf die inhaltliche Ausrichtung des Blattes?
9. Da die Zeitung "Queer" nach den vorliegenden Informationen noch immer ein defizitäres Unternehmen ist, gehen wir davon aus, daß der Landesverband NRW von Bündnis 90/Die Grünen mit seiner Beteiligung keine wirtschaftlichen, sondern (da es sich um eine Partei handelt) politische Interessen verfolgt. Wenn dem so ist: welche?
10. Wieviele bzw. welche Abgeordnete sowie ehren- und hauptamtliche FunktionsträgerInnen aus dem Landesverband NRW von Bündnis 90/Die Grünen sowie aus den NRW-Kreis- und Ortsverbänden Ihrer Partei sind darüber hinaus an der Queer AG finanziell beteiligt und in jeweils welcher Höhe?
11. Gibt es weitere Beiteiligungen des Landesverbandes NRW von Bündnis 90/Die Grünen an kommerziellen Medienprojekten? Wenn ja, bei welchen Titeln und in welcher Höhe?
12. Wie begegnet der Landesverband NRW von Bündnis 90/Die Grünen dem in der Lesben- und Schwulenszene kursierenden Vorwurf, "Queer" sei keine unabhängige Zeitung, sondern im wesentlichen ein bündnisgrünes Parteiblatt?
Wir möchten Sie um zeitnahe und detaillierte Beantwortung dieser offiziellen Anfrage bitten und im übrigen darauf hinweisen, daß sich sowohl unsere Redaktion als auch der Herausgeber von "Gigi", das wissenschaftlich-humanitäre komitee (whk), als ehrenamtliche Basisprojekte der Transparenz verpflichtet fühlen. Deshalb werden unsere Anfragen an staatliche Gremien und Parteien unabhängig von ihrer Beantwortung in aller Regel nach vierzehn Tagen auf der Homepage des whk (www.whk.de) veröffentlicht (Rubrik Schriftverkehr).
Ihrer Antwort entgegensehend verbleiben wir mit freundlichen Grüßen
Dirk Ruder
Gigi-NRW-RedaktionEike Stedefeldt
Gigi-Berlin-Redaktion