Dokumentation
Anfrage der whk-Zeitschrift Gigi an den Deutschen Leichtathletik-Verband betreffend seine "Stolperstein"-Ehrung für Otto Peltzer
Deutscher Leichtathletik-Verband
PR / Medien / Peter Schmitt
Alsfelder Straße 27
64289 Darmstadt8. 12. 2008
Presseanfrage: "Stolperstein" für Otto Peltzer
Sehr geehrter Herr Schmitt,erst dieser Tage wurde die Redaktion unseres sexualpolitischen Magazins auf eine Presseerklärung des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV) vom 11. August 2008 aufmerksam gemacht. Daraus erfuhren wir, daß der DLV bereits im Sommer die Patenschaft für einen in Berlin-Kreuzberg verlegten "Stolperstein" übernommen hat, der dem Langstreckenläufer Otto Peltzer (1900-1970) gewidmet ist. Der in den 1920er und 1930er Jahren weltberühmte Athlet war von den Nazis wegen Vergehens nach §175 verfolgt und in der Haftanstalt Plötzensee sowie im KZ Mauthausen inhaftiert worden.
Unsere Redaktion hat sich seit dem Jahr 2000 bereits mehrfach im Kontext heutiger homosexueller Gedenkpolitik mit der Person Otto Peltzer befaß. Hiermit möchten wir darum presseoffiziell folgende Fragen an Sie richten:
1. Auf wen geht die Initiative für den Stolperstein zum Gedenken an Otto Pelzer zurück bzw. wer regte diesen an?
2. Wann und von welchem DLV-Gremium wurde die Übernahme der Patenschaft für diesen Stein beschlossen?
3. War bzw. wurde dem DLV im Vorfeld der Anfertigung und Verlegung des Stolpersteines bekannt, daß Peltzer bis 1926 Redakteur der "Monatsschrift für national-politische Jugendbewegung" Reichswacht war, die zwecks "sittlicher und völkischer Erneuerung" von einem "jungvölkischen Kreise der deutschen Jugendbewegung" herausgegeben wurde? War dem DLV bekannt, daß er darin bereits 1922 eine "Umschau über den Stand des rassehygienischen Gedankens" veröffentlichte und sich dazu berufen fühlte, "die Jugend auf die Bedeutung der Rassenhygiene" hinzuweisen?
4. War oder ist beim DLV bekannt, daß Otto Peltzer in seiner Dissertation für "die zwangsmäßige Unfruchtbarmachung geistig Minderwertiger und somit Entarteter" sowie deren Absonderung in Arbeitskolonien" plädierte und damit ideologisch sich offensiv zu dem bekannte, was in der Konsequenz in Zwangssterilisierung, Eugenik und Euthanasie sowie Konzentrationslager und Vernichtung durch Arbeit mündete?
5. "Im Frühjahr 1933 erkläre er seinen Eintritt in die NSDAP und die SS", ermittelte der Autor Volker Kluge und schrieb in seiner Peltzer-Biographie "Otto, der Seltsame" weiter: Von der 'Rassenhygiene zum 'Blut- und Boden-Geschwafel der Nazis war es kein weiter Weg, so daß sich Peltzer vom SS-Siedlungsamt als Vortragsredner einspannen ließ." Kluge zufolge hegte Peltzer auch mehr oder weniger berechtigte Hoffnungen, für das Amt des "Reichssportkommissars" in Frage zu kommen. War oder ist all dies beim DLV bekannt?
6. Das frühe(re) SS-Mitglied Otto Peltzer sagte nach der Befreiung aus der KZ-Haft in den Nürnberger Prozessen zugunsten zweiter später als Massenmörder zum Tode verurteilter SS-Offiziere aus, denen er sich zu Dank verpflichtet fühlte. War oder ist dies dem DLV bekannt?
7. Sofern alle oder zumindest einige dieser Fakten beim DLV vorlagen: Wie kam es zu der Entscheidung für die Patenschaft über den Stolperstein? Gab es Widerstand im DLV dagegen und mit welcher Begründung / welchen Begründungen?
8. Falls von diesen Fakten beim DLV nichts bekannt gewesen sein sollte: Was gedenkt der DLV nun zu unternehmen, da er über sie verfügt, um im Nazi-Opfer Otto Peltzer nicht zugleich den NSDAP- und SS-Mann zu ehren sowie den willigen und überzeugten Propagandisten einer rassistischen, menschenverachtenden Ideologie zu rehabilitieren?
9. Wie bewertet der DLV vor diesem Hintergrund die gleichzeitige Ehrung Otto Peltzers und der ermordeten jüdischen Leichtathletin Lili Henoch?
Wir möchten Sie um eine kurzfristige Stellungnahme zu diesem Vorgang bis 15. Dezember 2008 bitten und verbleiben mit freundlichen Grüßen
Eike Stedefeldt
Chefredaktion